Insolvenzschutz - 28. Januar 2016

Die andere Sanierungskultur

Seit vier Jahren besteht das Gesetz zur weiteren Er­leich­te­rung der Sa­nie­rung von Un­ter­neh­men (ESUG). Es bietet Unter­neh­men neue Mög­lich­keiten an, im Fall der Krise die Sa­nie­rung unter In­sol­venz­schutz durch­zuführen. Steuer­be­rater sollten die Option der Eigen­ver­wal­tung ge­gen­über dem Man­danten of­fen­siv ansprechen.

Seit nunmehr vier Jahren bestehen für Unternehmen neue Möglichkeiten, im Falle der Krise die Sanierung unter Insolvenzschutz durchzuführen. Damit gibt der Unternehmer das Heft des Handelns nicht mehr an den Insolvenzverwalter ab. Stattdessen steuert er den Betrieb unter der Aufsicht eines vom Gericht eingesetzten Sachwalters weiter. In dem dann eingeleiteten Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung kann dann mittels eines Insolvenzplans das Unternehmen entschuldet werden. Daneben bietet das Insolvenzrecht viele Werkzeuge, wie beispielsweise erleichterte Kündigungsmöglichkeiten von Mietverträgen oder Arbeitsverträgen, um das Unternehmen auch operativ zu sanieren. Auf diese Weise kann der Betrieb dauerhaft gestärkt werden, und dem Unternehmer bleibt das Unternehmen auch erhalten. Im Falle einer Regelinsolvenz muss dagegen oft befürchtet werden, dass es zu einer Liquidation kommt oder der Gesellschafter durch eine sogenannte übertragende Sanierung faktisch enteignet wird und sein Unternehmen verliert.

Studien belegen den Erfolg

Der Gesetzgeber hat mit dem 2012 in Kraft getretenen ESUG ganz bewusst die Eigenverwaltung gestärkt und hat damit für Unternehmer einen Anreiz geschaffen, von sich aus ein solches Sanierungsverfahren frühzeitig einzuleiten. Es sollte eine bisher in Deutschland nicht vorhandene Sanierungskultur unter Insolvenzschutz geschaffen werden, wie sie in den USA schon längst etabliert ist. Diese Kultur der zweiten Chance entwickelt sich allmählich auch in Deutschland, wie diverse Studien zum ESUG nunmehr zeigen. So wurde in einer Reihe von Untersuchungen ein Zwischenfazit gezogen, das auf der Befragung von mehr als 1.000 Entscheidern mit umfassenden ESUG-Erfahrungen beruht sowie auf den Erfahrungsberichten von circa 50 betroffenen Unternehmern, die ein ESUG-Verfahren durchgeführt haben. Danach sind die Erwartungen von circa 90 Prozent der befragten Entscheider an das ESUG voll oder zumindest teilweise erfüllt. Zwei Drittel der befragten Unternehmer, die ein ESUG-Verfahren durchlaufen haben, waren mit dem Verlauf des Verfahrens zufrieden, wenn nicht sogar sehr zufrieden. Neben der Befragung der betroffenen Berater und Unternehmer wurden auch die Fallzahlen ausgewertet. Je größer ein Unternehmen, umso eher wird von den Möglichkeiten des ESUG Gebrauch gemacht. So sind unter den 50 größten Insolvenzverfahren im Jahr 2014 bereits 22 Eigenverwaltungsverfahren gewesen. Je professioneller die Beratung, umso größer sind auch die Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens. Insgesamt ist das ein durchaus positives Zwischenfazit, wobei die Erfahrung des Beraters von entscheidender Bedeutung für die Erfolgsaussichten des Verfahrens ist, denn es gilt gleichwohl, immer wieder Hürden zu überwinden.

Beratungsintensive Verfahren

Eine nicht ausreichende oder sogar fehlende Beratung führt meistens zu einem Scheitern des Verfahrens.

So steht es außer Frage, dass ein Unternehmen im § 270a Insolvenzordnung-Verfahren sogenannte Masseverbindlichkeiten begründen muss, um Forderungen der Lieferanten aufgrund von Neubestellungen im Zeitraum der vorläufigen Eigenverwaltung zu privilegieren. Im Gesetz ist hierzu jedoch keine klare Aussage zu finden. Es ist Sache des Beraters, das Gericht zu überzeugen und mit Unterstützung des Gerichts Masseverbindlichkeiten zu begründen. Daneben besteht auch seitens der Geschäftsführung ein Dilemma bei der Abführung von Arbeitnehmeranteilen der Sozialversicherungsbeiträge während der vorläufigen Eigenverwaltung. So darf der Geschäftsführer diese Forderungen in der vorläufigen Insolvenz nicht bezahlen, da diese lediglich Insolvenzforderungen sind. Bei Nichtzahlung besteht jedoch das Risiko der Strafbarkeit. Das Dilemma kann aufgelöst werden, indem die Krankenkassen vorher bösgläubig gemacht, die Beträge gezahlt und dann nach Verfahrenseröffnung angefochten werden. Freilich wirkt sich das negativ auf die Liquidität des Unternehmens aus. Eine andere Möglichkeit ist jedoch, dass das Insolvenzgericht beschließt, dass solche Zahlungen nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters geleistet werden, und der vorläufige Sachwalter einer solchen Zahlung widerspricht. Dann muss die Zahlung gar nicht erst geleistet werden. Auch das muss mit dem Gericht besprochen werden, um nicht in unabsehbare Risiken zu laufen. Allein diese Themen zeigen, dass es ohne fundierte insolvenzrechtliche Beratung und Begleitung bei Einleitung eines Eigenverwaltungsverfahrens nicht funktionieren kann. Oftmals ist es auch erforderlich, dass ein sogenannter Sanierungsgeschäftsführer oder CRO für den Zeitraum des Verfahrens bestellt wird, um der bisherigen Geschäftsführung den Rücken freizuhalten. So ist ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor die intensive Kommunikation mit dem Insolvenzgericht, dem Sachwalter und dem möglicherweise eingesetzten Gläubigerausschuss. Diese Beteiligten müssen immer wieder mit einbezogen werden. Dies sollte eine der Hauptaufgaben der Berater beziehungsweise des Sanierungsgeschäftsführers sein. Eine solche nicht ausreichende oder sogar fehlende Beratung führt meist zu einem Scheitern des Verfahrens.

Ausblick

Unabhängig davon bietet das Eigenverwaltungsverfahren die Möglichkeit, die Krise des Unternehmens im Sinne einer nachhaltigen Sanierung zu nutzen. Der Steuerberater, der quasi als Sensor die Krise eines Unternehmens erkennen kann, sollte diese Sanierungsmöglichkeit gegenüber dem Unternehmer offen ansprechen. Dies bietet auch für ihn die Chance, möglicherweise als Gläubigerausschussmitglied das Sanierungsverfahren zu begleiten und auch in der Zukunft dem Unternehmen als Berater zur Verfügung zu stehen. Im Falle der Regelinsolvenz ist sein Mandat dagegen in der Regel beendet. Durch ein solches umsichtiges Verhalten kann die Krise als echte Chance wahrgenommen werden getreu dem Zitat von Winston Churchill: „Verschwende nie eine Krise. Sie gibt uns die Gelegenheit, Großes zu tun.“

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Zum Autor

Dr. Jasper Stahlschmidt

Rechtsanwalt und Fach­an­walt für In­sol­venz­recht sowie Partner bei Bucha­lik Brömme­kamp Rechts­an­wälte | Steuer­be­rater, Düssel­dorf, Frank­furt, Berlin, Dresden, Stuttgart

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