Die Finanzverwaltung setzt auf totale Digitalisierung. Das hat Auswirkungen auf die zentralen Arbeitsprozesse einer Steuerberatungskanzlei, erzählt im Interview Steuerberater Martin Schmid.
DATEV magazin: Die Finanzverwaltung treibt die Digitalisierung des Steuervollzugs massiv voran. Jüngstes Beispiel ist das aktuelle Gesetzesvorhaben Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zum 1. Januar 2017. Uns interessiert, welche Erfahrungen Sie bereits gemacht haben und wie Sie die weitere Entwicklung einschätzen.
Martin Schmid: Als ehemaliger Angehöriger der Finanzverwaltung und derzeitiger Leiter einer Steuerberatungskanzlei interessiert mich dieses Thema seit Jahren. Es fällt zunächst auf, dass die Finanzverwaltung bestrebt ist, die Kommunikation mit den Steuerpflichtigen und deren Beratern effizienter abzuwickeln und deshalb verstärkt auf elektronische Kommunikation setzt. Die Finanzverwaltung verfolgt auch sehr aufmerksam die Digitalisierungsprozesse in den Steuerkanzleien. So werde ich von den örtlichen Finanzämtern regelmäßig zu Steuerberatertagen eingeladen, um über die Entwicklung aus Sicht eines DATEV-Anwenders zu berichten.
DATEV magazin: Mittlerweile müssen auch die Ertragsteuererklärungen elektronisch bei der Finanzverwaltung eingereicht werden. Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeitsprozesse in der Kanzlei?
Martin Schmid: Aus meiner Sicht ist in den Steuerkanzleien eine Prozessanpassung unumgänglich, da sich nicht zuletzt die Programme der DATEV weiterentwickelt haben und ein effizientes Arbeiten ermöglichen. Das Zusammenspiel der vielfältigen Programmlösungen ermöglicht schon jetzt die sichere und schnelle Kommunikation mit den Finanzämtern. Der digitale Finanzbeamte wird Realität. Darauf muss sich die Steuerberatung einstellen.
DATEV magazin: Wo sehen Sie konkreten Umsetzungs- und Anpassungsbedarf in den Kanzleien?
Martin Schmid: Vor allem die aus Gründen der Haftung erforderliche Freigabe der Steuererklärungen durch die Mandanten bedeutet einen erheblichen Umstellungs- und Verwaltungsaufwand. Dieser Aufwand amortisiert sich allerdings durch die schnelle und effizientere Bearbeitung der Steuererklärungen in der Kanzlei. Insbesondere die neuen Anwendungen Vollmachtsdatenbank, Steuerkonto online und Vorausgefüllte Steuererklärung tragen erheblich zu einer effizienten und qualitativ hochwertigen Bearbeitung bei. Der Steuerberater muss prüfen, welche Bearbeitungsschritte der Deklaration künftig zu ändern sind. Dazu kommt, dass die Finanzverwaltung künftig erlauben wird, bestimmte Anträge in elektronischer Form zuzulassen, beispielsweise Stundungsanträge, Aussetzungsanträge, Rechtsbehelfe und so weiter). Die E-Mail-Kommunikation in den Kanzleien muss geregelt werden. Welche E-Mails sind zu archivieren, wie erfolgen die Mitarbeiterfreigaben, wie das Controlling durch den Inhaber und so weiter.
DATEV magazin: Viele Berater möchten derzeit den Umstellungsaufwand, insbesondere aus Kosten- und Zeitgründen, nicht in Kauf nehmen. Wie ist Ihre Meinung dazu und was erwarten Sie von DATEV?
Martin Schmid: Ich bin der festen Überzeugung, dass nur der prozessorientierte und digital gerüstete Steuerberater den Anforderungen der Finanzverwaltung entsprechen kann. Um zukunftsfähig sein zu können, müssen die Kanzleien zwingend in Software und Verbesserungsprozesse investieren. Die DATEV wird ihre Anwendungen ausbauen müssen zu einer digitalen Drehscheibe mit der Finanzverwaltung. Meine Zukunftsvision ist eine Überwachungsebene mit allen Modulen, vom Eingang der Mandantenbelege bis zur Kommunikation mit der Finanzverwaltung. Die Finanzverwaltung plant, das ELSTER-Portal um weitere Funktionen zu erweitern. Die DATEV muss da mitziehen und parallele Anpassungen vornehmen.
DATEV magazin: Welche Veränderungen gehen Sie in nächster Zeit in Ihrer Kanzlei an?
Martin Schmid: Zunächst will ich den durch DATEV ProCheck unterstützten elektronischen Deklarationsprozess optimieren. Dem Mandanten eröffnet sich dadurch ein Mehrwert, der im Beratungsgespräch herausgestellt werden kann. Die Freizeichnung online der DATEV muss bei den Mandanten eingeführt werden, um Zeit- und Papieraufwand zu reduzieren. Steuerkonto online und Vorausgefüllte Steuererklärungen sollen den Deklarationsprozess verbessern.
DATEV magazin: Wird es den automatisierten Finanzbeamten geben?
„Der digitale Finanzbeamte wird keine menschlichen Züge mehr haben.“
Martin Schmid: Automatenbescheide sind nicht Zukunft, sondern ab dem Jahr 2017 Realität, auch wenn im Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ein Ankreuzfeld für eine personelle Bearbeitung vorgesehen ist. Daneben werden maschinell festzusetzende Verspätungszuschläge und gesetzlich fixierte Abgabefristen eingeführt. Nicht der Finanzbeamte entscheidet in Zukunft, sondern die Maschine. Der digitale Finanzbeamte wird keine menschlichen Züge mehr haben, er wendet das Gesetz an. Unsere Aufgabe als Steuerberater ist es, diese neue Welt anzunehmen. Ich bin sicher, dass in Zukunft der Finanzbeamte vermehrt mit konkreten Fragen und abgekürzten Außenprüfungen unseren Kanzleialltag bestimmen wird. Dafür brauchen wir Steuerberater eine Strategie.
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