Zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs hat sich in den letzten Jahren die Umsatzsteuer-Nachschau zum Standardinstrument der Finanzverwaltung entwickelt.
Bei der Umsatzsteuer-Nachschau hat die Finanzbehörde das Recht, ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung Grundstücke und Räume von Personen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben, während der Geschäfts- und Arbeitszeiten zu betreten. Wohnräume dürfen gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden. Nach § 27b Abs. 2 S.1 Umsatzsteuergesetz (UStG) sind der Finanzbehörde auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden vorzulegen.
Ausweispflicht
Sobald der mit der Umsatzsteuer-Nachschau betraute Amtsträger seine Befugnisse wahrnehmen will, muss er sich ausweisen (Abschn. 27b.1 Abs. 4 Umsatzsteuer-Anwendungserlass) und auch den Grund seines Erscheinens offenlegen. Der Steuerpflichtige hat vor Beginn und im Rahmen der Durchführung der Umsatzsteuer-Nachschau jederzeit das Recht, einen Rechtsanwalt oder Steuerberater zu kontaktieren und hinzuzuziehen. Die Finanzbeamten sind aber dazu berechtigt, mit der Umsatzsteuer-Nachschau auch bereits vor Eintreffen des Rechtsanwaltes oder Steuerberaters zu beginnen.
Anlass für eine Nachschau
Als Leitfaden zur Feststellung, wann eine Umsatzsteuer-Nachschau durchgeführt werden soll, hat das BMF einen mehr als 100 Punkte zählenden Katalog von Verdachtsmomenten zusammengestellt. Diese schwarze Liste enthält unter anderem die folgenden Indizien (vgl. Hillmann-Stadtfeld, DStR 2002, 434 ff., 437):
- Geschäftsführer mit Wohnsitz außerhalb des Nahbereichs des Unternehmens oder im Ausland,
- Geschäftsführer übt diese Funktion auch bei anderen Unternehmen aus,
- nicht zur Geschäftsführung gehörende Personen sind mit Vollmachten ausgestattet,
- Fehlen professioneller Steuerberatung,
- Beratung durch Steuerberater oder Rechtsanwälte, die wiederholt als Berater von Steuerhinterziehern aufgetreten sind,
- äußeres Erscheinungsbild, insbesondere Drei-Buchstaben-Firmen, Fehlen eines vorgedruckten Briefkopfs oder Geschäftspapiers,
- Bestehen ausländischer Bankverbindungen,
- gute Umsätze, vor allem im ersten Jahr der Betätigung.
Verdacht auf Steuerhinterziehung
Bei Vorliegen eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts ist die Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau nicht zulässig, in diesem Fall darf allein mit steuerfahndungsrechtlichen und strafprozessualen Mitteln vorgegangen werden. Ergibt sich im Zuge der Durchführung der Umsatzsteuer-Nachschau ein strafrechtlicher Anfangsverdacht, ist die Umsatzsteuer-Nachschau zwingend abzubrechen, der Betroffene strafprozessual ordnungsgemäß über seine Rechte und sein Schweigerecht zu belehren und gegen den Betroffenen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Ohne vorherige Ankündigung kann der Amtsträger Grundstücke und Räume des zu prüfenden Unternehmens betreten.
Einspruch einlegen
Die Maßnahmen des Prüfers, beispielsweise die Aufforderung zum Betreten der Geschäftsräume können gemäß § 347 Abgabenordnung (AO) mit dem Einspruch angefochten werden. Der Einspruch hat aber keine aufschiebende Wirkung und verhindert nicht die Durchführung der Umsatzsteuer-Nachschau, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nicht zur Vollziehung ausgesetzt wurde. Mit Beendigung der Umsatzsteuer-Nachschau sind oder werden Einspruch und Anfechtungsklage gegen die Anordnung der Umsatzsteuer-Nachschau unzulässig; insoweit kommt lediglich eine Fortsetzungsfeststellungsklage [§ 100 Abs. 1 S. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO)] in Betracht. Diese kann insbesondere dann angezeigt sein, wenn Amtshaftungsansprüche vorbereitet werden sollen, eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht oder um ein Verwertungsverbot zu erreichen.
Neu ist, dass den Finanzbehörden nunmehr auch der elektronische Datenzugriff erlaubt ist (§ 27 b Abs. 2 S. 2, 3 UStG, eingefügt mit Wirkung vom 1. Juli 2011). Dies war bislang nach § 147 Abs. 6 AO lediglich im Rahmen einer Außenprüfung, nicht jedoch bei einer Umsatzsteuer-Nachschau möglich.
Selbstanzeige noch möglich?
Umstritten ist, ob der Steuerpflichtige mit Beginn der Umsatzsteuer-Nachschau die Möglichkeit verliert, eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO zu erstatten. Vor dem Hintergrund der mittlerweile sehr restriktiven Rechtsprechung des Ersten Strafsenats des BGH im Steuerstrafrecht und dem Aufgreifen dieser Rechtsprechung durch den Gesetzgeber im Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (Gesetz vom 28. April 2011) sollte unserer Einschätzung nach im Hinblick auf einen sicheren Beratungsansatz davon ausgegangen werden, dass das Erscheinen eines Amtsträgers zur Umsatzsteuer-Nachschau die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige sperrt.