Der Steuerberater kommt mit dem Risiko, gegenüber Dritten haften zu müssen, viel häufiger in Berührung, als ihm bewusst sein dürfte. Er sollte die Haftungsfallen kennen und wissen, wie er die Risiken begrenzen kann.
Es gibt kaum ein Steuerberatungsmandat, das nur den Mandanten selbst betrifft. Regelmäßig hat ein Mandat Auswirkungen auch auf Dritte. Dies können die Ehe-/Lebenspartner, die Familienangehörigen, Mitgesellschafter, Kreditgeber und weitere Betroffene sein. Selbst wenn diese Dritten keine Mandanten des Steuerberaters sind, können sie gegen den Steuerberater Ansprüche aufgrund fehlerhafter Beratung haben. Für den Steuerberater sind die Konstellationen einer solchen Dritthaftung und die Identität der Personen, die hieraus gegen ihn Ansprüche geltend machen, im Voraus oft nicht klar erkennbar. Hinzu tritt die Gefahr, dass zwar gegenüber einer Vielzahl von Anspruchstellern gehaftet wird, versicherungsrechtlich aber unter Umständen nur ein einziger Haftungsfall vorliegt, also die Versicherungssumme nur ein einziges Mal zur Verfügung steht. Eine Haftung des Steuerberaters gegenüber Dritten kann sich vor allem ergeben aus einem Auskunftsvertrag oder dem wichtigsten Fall der Dritthaftung, einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Diese verdrängt im Bereich der Steuerberaterhaftung grundsätzlich die sogenannte Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Daneben existieren hier nicht behandelte Sonderfälle wie vor allem die Prospekthaftung und die Haftung aus vorsätzlichem Verhalten (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Schutzgesetzen und § 826 BGB). Letzteres betrifft Angaben des Beraters ins Blaue hinein oder Gefälligkeitsgutachten.
Gemeint sind Konstellationen, in denen der Steuerberater für seinen Mandanten gegenüber einem Dritten (zumeist einem Geschäftspartner des Mandanten) Auskunft erteilt. Diese werden als (konkludenter) Auskunftsvertrag bezeichnet. Voraussetzung hierfür ist, dass die Auskunft für den Dritten von erheblicher Bedeutung ist, der Dritte diese Auskunft zur Grundlage eigener wesentlicher Entscheidungen macht und dies für den Steuerberater erkennbar war. An die Annahme eines konkludenten Auskunftsvertrags werden von der Rechtsprechung strenge Anforderungen gestellt. Hierzu muss ein entsprechender Rechtsbindungswille des Steuerberaters vorhanden sein. Dies verlangt regelmäßig, dass Verhalten oder Tätigkeit des Steuerberaters im Hinblick auf den Dritten über das normale berufliche Auftreten von Steuerberatern hinausgehen.
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Eine Schutzwirkung des Mandatsvertrags zugunsten eines Dritten besteht unter folgenden Voraussetzungen:
- Leistungsnähe: Der Dritte muss bestimmungsgemäß (also nicht nur zufällig) mit der Beratungsleistung in Berührung kommen und in einer dem Mandanten vergleichbaren Weise den Gefahren der Beratungsleistung ausgesetzt sein.
- Einbeziehungsinteresse des Mandanten: Der Mandant muss ein besonderes und berechtigtes Interesse daran haben, dass die Beratungsleistung auch dem Dritten zugutekommen soll.
- Erkennbarkeit der Einbeziehung Dritter: Für den Berater muss erkennbar sein, dass andere Personen in den Drittschutz einbezogen sind, damit er sein Haftungsrisiko kalkulieren (und ggf. versichern) und dies bei der Vergütungsverhandlung berücksichtigen kann. Dies erfordert nicht, dass dem Berater Identität oder Zahl der geschützten Personen bekannt sind. Es muss ihm nur deutlich sein, dass seine Leistungen auch für andere Personen von unmittelbarem Interesse sein werden.
- Schutzbedürfnis des Dritten: Der Dritte muss ein berechtigtes Interesse daran haben, in den Schutzbereich des Mandats einbezogen zu werden. Hieran wird es regelmäßig fehlen, wenn dem Dritten wegen des Sachverhalts, aus dem er seinen Anspruch herleitet, ein eigener Anspruch gegen den Mandanten oder einen anderen zusteht. Bei der Steuerberaterhaftung wird dies häufig dann der Fall sein, wenn der Dritte im selben Aufgabenbereich eigene Berater mandatiert hat.
Vertrag zugunsten Dritter
Die Abgrenzung dieser Art der Dritthaftung von anderen Varianten ist vergleichsweise einfach. Bei einem (echten) Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) wird zwischen Mandant und Steuerberater vereinbart, dass einem Dritten unmittelbar ein eigener Anspruch auf Leistungen des Steuerberaters zusteht. In der Praxis treten solche Konstellationen vor allem dann auf, wenn der eigentliche Auftraggeber im Wesentlichen nur das Honorar zahlt, die Beratungsleistungen aber für einen anderen erfolgen, zum Beispiel wenn die Eltern unter Übernahme der Vergütung ihr volljähriges Kind zu ihrem Steuerberater schicken. Auch durch Treuhandverhältnisse wird häufig ein Vertrag zugunsten Dritter begründet. Die nachfolgend beispielhaft skizzierten Konstellationen bergen typischerweise das Risiko einer Dritthaftung. Ehepartner und Familienangehörige werden häufig ohnehin Mandanten sein. Andernfalls wird eine Dritthaftung relevant, wenn das Mandat auch ihre eigenen steuerlichen Interessen direkt betrifft. Klassische Fälle sind die dauernde Last oder die Gestaltung von Erbschafts- und Schenkungsvorgängen.Wird ein Steuerberater von der Gesellschaft beauftragt, gehört es grundsätzlich zu seiner Aufgabe, die steuerlichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auch auf der persönlichen Ebene der einzelnen Gesellschafter zu prüfen. Relevant ist vor allem der Transfer von Vermögenswerten zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene (zum Beispiel Prüfung verdeckter Gewinnausschüttungen, Erarbeitung eines Schütt-aus-hol-zurück-Verfahrens, Vorbereitung einer Kapitalerhöhung). Auch aus Mandaten der Gesellschafter ist ein Drittschutz zugunsten der Gesellschaft denkbar, beispielsweise bei fehlerhafter Beratung der Gesellschafter zur Kapitalausstattung bei Gründung beziehungsweise Kapitalerhöhung oder bei Umwandlungsvorgängen. Ein dem Steuerberater von der Gesellschaft erteiltes Mandat kann Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers haben, wenn Letzterem unmittelbar durch die Beratungsleistung eine eigene steuerliche (zum Beispiel Haftungsbescheid) oder eine zivilrechtliche Inanspruchnahme droht.
Steuerberater der X-GmbH ist S. Zu seinem Mandat gehört auch die Vorbereitung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuererklärungen. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung der GmbH wurde deren Geschäftsführer G gemäß § 69 AO vom Finanzamt für USt-Nachforderungen in Haftung genommen, da er im Prüfungszeitraum keine rechtzeitigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldungen veranlasst hatte. G verlangt Ersatz des Betrags von S. S ist der Ansicht, dass er nur gegenüber seinem Mandanten, also der X-GmbH, verantwortlich sei. Im obigen Fallbeispiel des Haftungsbescheids hat der BGH eine Dritthaftung des Steuerberaters bejaht (BGH, Urteil v.om 13.10.2011, Az. IX-ZR-193/10) und dies mit den persönlichen Haftungsrisiken und Mitwirkungspflichten des Geschäftsführers aus §§ 34, 69, 90 Abgabenordnung, AO begründet, für deren Erfüllung er üblicherweise auf die Unterstützung des von der GmbH beauftragten Steuerberaters angewiesen ist. Jahresabschlüsse werden grundsätzlich für den Mandanten erstellt und sind zur Erfüllung von dessen Bilanzierungspflichten, nicht zur Information von Dritten bestimmt. Die frühere Rechtsprechung, die eine Haftung des Beraters gegenüber Dritten auch für die Erstellung von Jahresabschlüssen bejahte, dürfte weitgehend überholt sein. Eine Drittwirkung ist aber weiterhin denkbar, wenn Jahresabschlüsse Dritten (beispielsweise Banken, potenziellen Investoren) vorgelegt werden und der Steuerberater spezifische Fragen der Dritten, zum Beispiel zur Bonität des Mandanten oder zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, bestätigt. Denn hier liege ein Verhalten des Steuerberaters vor, das über das normale berufliche Auftreten von Steuerberatern hinausgeht. § 323 Abs. 1 Satz 3 Handelsgesetzbuch (HGB) beschränkt die Haftung für Abschlussprüfungen auf die geprüfte Gesellschaft und mit dieser verbundene Unternehmen. Dies gilt grundsätzlich auch für freiwillige Prüfungen, wenn diese nach den Vorgaben der §§ 316 f. HGB vorgenommen werden. Eine Haftung gegenüber Dritten kann entstehen, wenn für den Prüfer erkennbar ist, dass von ihm im Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht, zum Beispiel direkte Kontakte mit Dritten außerhalb des Umfangs der eigentlichen Prüfung. Erstellt der Steuerberater für seinen Mandanten ein Gutachten, so kann ein Dritter in den Schutzbereich dieses Mandats selbst dann einbezogen sein, wenn zwischen dem Mandanten und dem Dritten gegenläufige Interessen bestehen (vgl. zum Beispiel das Urteil des BGH vom 24.04.2014, Tz. 13). Dies ist nicht selten der Fall, da Gutachten häufig (auch) dazu dienen sollen, Meinungsverschiedenheiten zwischen Gesellschaftern, Familienmitgliedern und so weiter zu beenden.
Risikobegrenzung
Zur Risikobegrenzung gegenüber der Dritthaftung ist hinsichtlich der relevanten Personen zunächst zu klären, um welche Personen es sich handelt, ob diese (ebenfalls) Mandanten sind und in welcher Beziehung sie zueinander und zu den beauftragten Beratungsleistungen stehen. Der Berater kann nur das bestätigen, was von seiner Kanzlei tatsächlich bearbeitet wurde. Andernfalls droht sogar das Risiko einer deliktischen Haftung wegen Angaben ins Blaue hinein. Gegenüber dem Mandanten sollte der Berater dokumentieren, für welche Zwecke die Beratungsleistungen tauglich und bestimmt sind, und auch darauf hinweisen, dass die eigene Beratungsleistung auschließlich im Interesse des Mandanten erfolgt und nicht (auch) für Dritte konzipiert ist. Soweit Informationen an Dritte gegeben werden, muss sich der Steuerberater zuvor vom Mandanten schriftlich von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden lassen.
Fazit
Durch diese Maßnahmen kann der Berater eine Inanspruchnahme aus Dritthaftung nicht verhindern. Er kann aber durch Hinweise zu Zweck und Adressat der Beratungsleistungen darauf Einfluss nehmen, wie die Voraussetzungen für einen Auskunftsvertrag oder einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im konkreten Fall auszulegen sind. Erfahrungsgemäß liegt darin ein Schwerpunkt von Haftungsprozessen aus Dritthaftung. Hier kann der Steuerberater bei der Mandatsbearbeitung im eigenen Interesse vorbeugend tätig werden.