Um den Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Berichtigung vorsätzlich fehlerhaft und unvorsätzlich beziehungsweise fahrlässig fehlerhaft abgegebener Steuererklärungen entgegenzuwirken, hat das Bundesministerium der Finanzen mit einem lang erwarteten Anwendungserlass reagiert.
Während in der Vergangenheit oft auf die nächste Betriebsprüfung zwecks Fehlerbeseitigung im Einvernehmen mit dem zuständigen Betriebsprüfer gewartet wurde, sind heutzutage viele Unternehmen zur vorzeitigen Berichtigung abgegebener Steuererklärungen nach § 153 Abgabenordnung (AO) verpflichtet. Dies hat seine Ursache in der verschärften Neufassung der Selbstanzeige (§ 371 AO). Der Steuerpflichtige ist nun gezwungen, in jedem Einzelfall zu hinterfragen, ob der Fehler bei der Abgabe der ursprünglichen Steuererklärung unverschuldet oder leichtfertig beziehungsweise bedingt vorsätzlich begangen wurde. Denn § 153 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AO verpflichtet den Steuerpflichtigen zur Berichtigung der Steuererklärung vor allem bei nicht vorsätzlich begangenen Fehlern. Für leichtfertiges oder vorsätzliches Fehlverhalten gibt es lediglich die Korrekturmöglichkeiten der Selbstanzeigen nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO. Für den Steuerpflichtigen war oft unklar, ob das Finanzamt seine Auffassung teilen wird, dass lediglich ein nicht vorsätzlich begangener beziehungsweise einfach fahrlässiger Fehler vorliegt. In diesem Fall würde lediglich der Anwendungsbereich des § 153 AO eröffnet. Um vor allem das strafrechtliche Risiko zu minimieren, wurde deshalb empfohlen, die Korrekturanzeige und Berichtigungserklärung nach § 153 AO so auszugestalten, dass sie gleichzeitig den Anforderungen der Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO entsprechen. Um den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen vorsätzlich fehlerhaft und unvorsätzlich beziehungsweise fahrlässig fehlerhaft abgegebenen Steuererklärungen in der Praxis entgegenzuwirken, hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch die Veröffentlichung seines lang erwarteten Anwendungserlasses (Erlass) zur Berichtigung von Steuererklärungen reagiert (BMF vom 23.05.2016, IV A 3 – S 0324/15/10001, IV A 4 – S 0324/14/10001, BStBl. I, 2016, S. 490).
Anzeige- und Berichtigungspflicht
Durch die Korrekturanzeige nach § 153 AO wird zunächst einmal die erkannte Unrichtigkeit der abgegebenen Steuererklärung gegenüber dem zuständigen Finanzamt angezeigt. Erst durch die inhaltliche Berichtigungserklärung werden die richtigen Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Finanzamt mitgeteilt. Dem Erlass (Tz. 3) ist zu entnehmen, dass sich die Anzeige- und Berichtigungspflicht nicht nur auf Steuererklärungen, sondern auch auf alle Erklärungen des Steuerpflichtigen zum Beispiel Änderungsanträge nach den §§ 172ff. AO oder Vorauszahlungsanträge, beziehen. Die Anzeige und Berichtigung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AO müssen laut Erlass unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern erstattet werden. Hinsichtlich der genauen zeitlichen Definition der Unverzüglichkeit gibt es in der Literatur Auffassungen, die von 14 Tagen (vgl. Jesse, BB 2011, S. 1431) bis einen Monat (vgl. Halaczinsky/ Füllsack, BB 2011, S. 2839) ausgehen. Andere Autoren sind der Meinung, dass es keine starren Fristvorgaben gibt (vgl. etwa Jehke/Dreher, DStR 2012, S. 2467).
Die Berichtigung kann wegen der Aufbereitung der Unterlagen auch später erfolgen. In der Praxis wird dies wohl der Regelfall sein. In diesem Fall empfiehlt es sich, im Anschluss an die Anzeige den Berichtigungsprozess mit dem zuständigen Finanzamt abzustimmen. Die Festsetzung und die Bemessung einer Frist zur Abgabe der inhaltlichen Berichtigungserklärung stehen im Ermessen des Finanzamts. Wird eine Frist dazu vom Finanzamt gesetzt, muss sie angemessen sein (vgl. Tz. 5.1. des BMF-Erlasses und auch Cöster in Koenig, Kommentar zur AO, 3. Aufl. 2014, § 153, Randziffer 6). Der Erlass schreibt keine starren Fristen vor. Die Fristsetzung hat in der Abstimmung mit dem zuständigen Finanzamt zu erfolgen.
Überschneidungen möglich
Korrekturanzeige und Berichtigungserklärung sollten den Anforderungen an eine Selbstanzeige entsprechen.
Sowohl bei der Berichtigung (§ 153 AO) als auch bei der Selbstanzeige (§§ 371, 378 AO) muss die Steuererklärung im Zeitpunkt ihrer Abgabe objektiv unrichtig gewesen sein. Das ist dann der Fall, wenn sie entgegen § 90 Abs. 1 Satz 2 oder § 150 Abs. 2 Satz 1 AO nicht alle steuerlich erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt hat. Bei nicht vorsätzlichem beziehungsweise einfach fahrlässigem Fehlverhalten im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung ist § 153 AO anzuwenden. Aber auch nach § 378 Abs. 3 AO kann ein nachträgliches Erkennen einer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben in der Steuererklärung vorliegen. Der Erlass (Tz. 2.7) enthält leider keinen Hinweis auf § 153 AO, und die Position des BMF ist diesbezüglich unklar. Problematisch ist auch, wenn der Steuerpflichtige die objektiv unrichtige oder unvollständige Steuererklärung wenigstens bedingt vorsätzlich abgegeben hat und damit die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige es zumindest für möglich gehalten hat, dass die Steuererklärung in objektiver Hinsicht unrichtig oder unvollständig ist. Auch hier ist die Überschneidung des § 371 AO mit § 153 Abs. 1 Satz 1 AO und Abs. 2 AO möglich, weil der Steuerpflichtige erst durch nachträgliches positives Wissen die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben in der Steuererklärung erkennt.
Zutreffend führt der Erlass (Tz. 5.2) unter möglichem Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz aus, dass sich der Steuerpflichtige wegen möglicher strafrechtlicher Verurteilung oder Verhängung entsprechender Sanktionen nicht belasten müsse und ihm daher die Anzeige nach § 153 Abs. 1 AO oder § 153 Abs. 2 AO solange als unverzüglich zu werten sei, wie dem Steuerpflichtigen eine angemessene Zeit zur Aufbereitung einer Selbstanzeige nach § 371 AO zuzugestehen wäre. Dadurch wird die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigt, und es führt nicht zur Pflichtensuspendierung (BGH vom 17.03.2009 – 1 StR 479/08). Daher wird empfohlen, die Selbstanzeige nach § 371 AO so auszugestalten, dass sie gleichzeitig den Anforderungen der Korrekturanzeige und Berichtigungserklärung nach § 153 AO entspricht.
Innerbetriebliches Kontrollsystem
Das interne Kontrollsystem mindert lediglich das strafrechtliche Risiko.
Der Erlass (Tz. 2.6) führt auch aus, dass ein innerbetriebliches Kontrollsystem, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten diene, ein Indiz darstellen könne, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit auf der subjektiven Ebene nach §§ 370, 378 Abs. 1 AO spricht. Allerdings befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.
Detaillierte Ausführungen zum Begriff des innerbetrieblichen Kontrollsystems sind darin nicht enthalten. Deswegen ist dadurch bis dato keine Rechtssicherheit gewährleistet. Denn bei dem BMF-Erlass handelt es sich lediglich um eine bloße Verwaltungsvorschrift und nicht um eine gesetzliche Regelung, die sich in erster Linie an die Behörden der Länder richtet (BFH 16.09.2015 – XI R 27/13, BFH/NV 2016, S. 252). Steuerpflichtige, Gerichte und Staatsanwaltschaften sind daher an die Weisungen im Erlass nicht gebunden.
Daher werden sich die Finanz- und Strafgerichte wegen der unklaren Definition eines innerbetrieblichen Kontrollsystems nicht an etwaige Veröffentlichungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V. (IDW) (vgl. Prüfungshinweis 1/2016 des IDW zu IDW PS 980 vom 22.06.2016) oder des Deutschen Steuerberaterverbandes (vgl. Stellungnahme B 09/16 des AK Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung vom 21.12.2016) wenden, sondern sie werden eigenständig beurteilen, ob ein innerbetriebliches Kontrollsystem im konkreten Einzellfall vorliegt. Die Existenz und das Funktionieren eines durchdachten und gut kontrollierten innerbetrieblichen Kontrollsystems werden daher in den meisten Fällen dazu führen, dass lediglich das strafrechtliche Risiko des vorsätzlichen beziehungsweise leichtfertigen Fehlverhaltens auf der subjektiven Ebene minimiert wird. Eine absolute Sicherheit zum Ausscheiden des vorsätzlichen beziehungsweise leichtfertigen Fehlverhaltens auf der subjektiven Ebene ist dadurch nicht gewährleistet.
Fazit
Der BMF-Erlass ist einerseits erfreulich, da die darin enthaltenen Regelungen für den Steuerpflichtigen viele wertvolle Ansatzpunkte im Umgang mit der Finanzverwaltung vorsehen. Andererseits ist er hinter seinen Erwartungen geblieben, denn manche Fachbegriffe wie Unverzüglichkeit der Anzeige und Berichtigungserklärung sowie eine inhaltliche Präzisierung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems wurden darin nicht näher definiert.
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