Kodizes für die Kanzlei - 27. Februar 2015

Belohnt wird, wer den Regeln folgt

Von der Mandatsübernahme in die Inte­res­sen­kollision, von der Par­teien­ver­tretung in den Partei­verrat. Es ist leicht, gegen Berufs­recht zu verstoßen. Ein kanzlei­in­ter­nes Compliance-System und ein Compliance-Beauftragter können helfen.

Alle Beiträge dieses Magazins zeigen überdeutlich, welche enorme Rolle gesetzeskonformes Verhalten und Prävention heute im Mittelstand spielen, welche unüberschaubaren Gefahren von Verstößen ausgehen, auch für diejenige Managementebene, die noch vor wenigen Jahren als unantastbar gegolten hätte. Was aber hat Compliance mit der eigenen Kanzlei der steuerlichen und rechtlichen Berater zu tun?

Die Praxis muss sich darauf einrichten, dass Verstöße gegen Vorschriften in Straftaten umgedeutet werden können.

Die oftmals festzustellende völlige Verkennung eines Bedarfs hauseigener Compliance geht bei den beratenden Berufen einher mit einer ebenso umfassenden Ignoranz gegenüber dem eigenen Berufsrecht. Das Recht des eigenen Berufs ist eine Materie, mit der man sich üblicher­weise zum ersten Mal beschäftigt, wenn die Kammer schreibt oder die Abmahnung eines Wettbewerbers eingeht. Eine dritte, auch gar nicht seltene Variante der Beschäftigung mit diesem Thema ist die gerichtliche Geltendmachung eigener Gebühren gegen den Mandanten. So hat etwa der Bundesgerichtshof in einem jüngeren Urteil in dem bloßen Umstand, dass ein Rechtsanwalt bei Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit ­seinem Mandanten die – niedrigeren – gesetzlichen Gebühren nicht erwähnt hatte, einen strafbaren Betrug gesehen (BGH vom 25.09.2014 – 4 StR 586/13, BB 2014). Nicht nur im Hinblick auf die übermäßig ­strenge Recht­sprechung zu Erfolgs­ho­no­raren insgesamt (vgl. nur BGH BB 2014, 1809) gilt: Die Praxis muss sich darauf einrichten, dass Verstöße gegen Vorschriften und Obliegenheiten aus dem Berufs- und Vergütungsrecht in Straftaten umgedeutet werden können. Das hat oft unabsehbare berufs­recht­liche Folge­wir­kun­gen, da fast jeder strafrechtlichen Verurteilung ein akzessorisches Berufs­rechts­ver­fahren folgt. Wer das erkennt, wird beispielsweise Gespräche mit Mandanten über die Vergütung, Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­run­gen und die abschließende Erstellung von Rechnungen deutlich sorgfältiger führen, beobachten und dokumentieren, als es heutzutage regelmäßig der Fall ist.
Ein weiterer Klassiker bei den Berufsrechtsverstößen ist die unpräzise Mandatsannahme mit den daraus resultierenden Problemen in Richtung Inte­ressenkollision oder gar Parteiverrat. Gedankenlos werden oftmals Aufträge entgegengenommen, es wird mit der inhaltlichen Bearbeitung begonnen, ohne dass überhaupt klar wäre, ob es sich um ein Mandat einer GmbH, einer GmbH & Co. KG oder des Geschäftsführers als Person handelt. Das ist zum Beispiel bei der Frage des Mandanten nach einer etwaigen Insolvenzantragspflicht von Bedeutung.
Zuweilen starten Berufsträger in ein neues Mandat mit einem mediativen Ansatz in der Hoffnung, beide Streitparteien dauerhaft befrieden zu können. Sie stellen dann desillusioniert fest, dass das zu keinem Ergebnis führt, senden beiden die hälftige Rechnung, werden auf Drängen des einen anwaltlich gegen den anderen tätig und gleiten so in einen Parteiverrat hinüber, ohne es in den Anfängen zu bemerken. Parteiverrat zieht in der Regel den Entzug der Zulassung nach sich.

Checkliste für die Kanzlei

Was ist also zu tun? Im Grunde gilt für die eigene Kanzlei nichts anderes als für beratene Unternehmen: Die Benennung eines Compliance-Verant­wort­lichen. Der Compliance-Ver­ant­wort­liche/-Officer geht durch alle Organisationsbereiche der Kanzlei und achtet insbesondere auf:

  • klare Zuständigkeiten der Mitarbeiter
  • Kenntnis der berufs- und vergütungsrechtlichen Rahmenbedingungen bei den zuständigen Personen, insbesondere den Berufsträgern. Diese Kenntnis wird in der Regel unvollständig sein. In diesem Fall ist eine Fortbildung zu organisieren.
  • Berufsrechtskonforme Struktur: Die Gesellschaftsform und die Art der Zusammenarbeit entsprechen berufsrechtlichen Vorgaben. Insoweit sind oft Verstöße anzutreffen, wenn mehrere Berufe zusammenwirken, etwa Steuerberater mit Rechtsanwälten, da beide Berufsrechte in den meisten Organisationsformen Mehrheiten des jeweils eigenen Berufes verlangen. Da man dem nicht genügen kann, werden Hilfskonstruktionen gewählt, die aber auch oft keiner Prüfung standhalten.
  • Annahme von Mandanten: Hier ist etwa auf die Einhaltung der Verschwiegenheit zu achten. Keine Telefonate mit anrufenden Mandanten, wenn wartende andere Mandanten oder Geschäftspartner zuhören und alles mitverfolgen können. Sichtschutz von Akten, sodass kein Besucher andere Akten identifizieren kann.
  • Annahme von Mandaten: Gibt es einen Kollisions-Check? Werden auch Konzernstrukturen und sonstige Verflechtungen zuverlässig erfasst? Werden Interessenkollisionen sofort vor oder bei Mandatsannahme festgestellt und nicht erst, nachdem die Bearbeitung längst begonnen hat?
  • Belehrungen des Mandanten bei Beginn des Mandats, soweit sie berufsrechtlich vorgeschrieben sind.
  • Korrekte Erfassung und Dokumentation des Bearbeitungsaufwandes, soweit das – im Regelfall – auch für Abrechnungszwecke erforderlich ist, sowie eine berufsrechtskonforme Erstellung der Rechnungen.
  • Die Korruptionsbekämpfung scheint bei Freiberuflern von untergeordneter Bedeutung zu sein. Dennoch gibt es immer wieder Fälle in der Praxis, etwa den Kick-back der Bank für vermittelte Darlehen. Vor diesem Hintergrund muss auch bei Freiberuflern die Einladungs- und Geschenkepolitik kritisch betrachtet werden. Dabei spielt es weder im gewerblichen noch im freiberuflichen Bereich eine Rolle, was bis dahin üblich war oder ist. Opulente Weih­nachts­geschenke waren bei Handelsunternehmen jedenfalls bis vor einigen Jahren absolut üblich und sind im Zuge der Compliance-Diskussion in den letzten Jahren spürbar seltener geworden.
  • Eigene Rechnungslegung, Jahresabschluss: In vielen Kanzleien finden ordnungsgemäße Beschlussfassungen der Gesellschafter über Jahresabschlüsse gar nicht statt, sondern ein Patriarch reicht Erklärungen beim Finanzamt ein.

Fazit

Eine solche Auflistung kann naturgemäß keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Im vorliegenden Zusammenhang geht es nur darum, exemplarisch einige Felder herauszugreifen, die jeder Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt aus eigener Praxis kennt. Nur wer die Relevanz des Themas erkennt, wird weitere Überlegungen zur Umsetzung der Compliance in der eigenen Kanzlei anstellen. Dazu ist es höchste Zeit.

Zum Autor

Tim Günther

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Compliance-Beauftragter bei der Römermann Rechtsanwälte Aktien­gesellschaft in Hamburg/ Hannover/ Berlin

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