Grenzüberschreitender Personaleinsatz - 28. Januar 2021

Wieder komplizierter

Der EU-Austritt Großbritanniens hat Auswirkungen auf die bisherige Praxis der Arbeitnehmerentsendung von der Europäischen Union ins Vereinigte Königreich.

Am 31. Januar 2020 ist Großbritannien aus der Europäischen Union ausgetreten. Um einen geordneten Übergang sicherzustellen, wurde zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (VK) ein Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2020 vereinbart, in dem unter anderem auch die bisherigen Regelungen im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Personaleinsatz beibehalten wurden. Mit Ablauf des Übergangszeitraums müssen sich Unternehmen mit den weitreichenden Auswirkungen des Brexits auf Entsendungen beschäftigen. Eine gewichtige Rolle spielt hierbei das am 24. Dezember 2020 geschlossene Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem VK (Partnerschaftsvertrag), das nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments fortan die rechtlichen Grundlagen der Partnerschaft neu regeln wird.

Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen

Während des Übergangszeitraums fand hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung entsandter Mitarbeiter innerhalb der EU und Großbritanniens weiterhin die EU-Verordnung VO (EG) 883/2004 vom 1. Mai 2010 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Anwendung; die Sozialversicherungsbeiträge konnten also in bestimmten Fällen auch weiterhin im Herkunftsstaat geleistet werden, wenn die betroffene Person in einem anderen Staat arbeitete. Seit dem 1. Januar 2021 kommen die bisherigen Regelungen, mit denen die Systeme der sozialen Sicherheit koordiniert wurden, nur noch in dem im Austrittsabkommen festgelegten Rahmen weiter zur Anwendung. Dabei handelt es sich um Bestandsfälle, also Sachverhalte, die bereits vor dem 31. Dezember 2020 einen grenzüberschreitenden Bezug zwischen der EU und Großbritannien hatten. Für grenzüberschreitende Mitarbeitereinsätze, die ab dem 1. Januar 2021 beginnen, richtet sich die sozialversicherungsrechtliche Behandlung nach dem neuen Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem VK (Partnerschaftsvertrag). Die Regelungen des neuen Abkommens beruhen im Kern auf den Bestimmungen der bisherigen Verordnung. Im Ergebnis sind somit keine relevanten Änderungen für die bisherige Praxis der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von entsandten Mitarbeitern zu erwarten. Wie die neuen Regelungen in der behördlichen Praxis umgesetzt werden und wie die Auslegung – auf deutscher Seite durch den GKV Spitzenverband DVKA, im VK durch den britischen Träger HM Revenue & Customs – erfolgen wird, ist noch offen. Zuletzt hat sich gezeigt, dass sich die Verfahren aufgrund der aktuellen Corona-Situation sowie der Unsicherheiten, die durch den Brexit hervorgerufen wurden, in der Praxis verzögert haben und Bescheide nur noch befristet erteilt wurden. Hier ist eine Normalisierung in den zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und dem VK zu erwarten, sobald sich die neuen Regelungen etabliert haben.

Aufenthaltsrecht

Die Rechte und der jeweilige Status von EU-, EWR- und Schweizer Bürgern, die derzeit im VK leben und arbeiten, bleiben bis zum 30. Juni 2021 unverändert. EU-Bürger, die bis zum 30. Juni 2021 erfolgreich einen Antrag beim EU-Settlement Scheme stellen, können auch nach dem 30. Juni 2021 weiter in Großbritannien leben und arbeiten. Im Rahmen des EU-Settlement Scheme wird auf Grundlage der Dauer des bisherigen Wohnsitzes im VK entweder der Settled-Status oder der Pre-settled-Status verliehen. Der Settled-Status, der einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis entspricht, wird in den Fällen gewährt, in denen eine Person bis einschließlich 31. Dezember 2020 für einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren ihren Wohnsitz im VK oder auf den Kanalinseln hatte. Ist die Dauer von fünf Jahren noch nicht erreicht, wird der Pre-settled-Status verliehen, der einem beschränkten Aufenthaltsrecht von fünf Jahren entspricht und nach Ablauf des entsprechenden Zeitraums in einen permanenten Aufenthaltstitel umgewandelt werden kann. Der Nachweis des Wohnsitzes erfolgt dabei auf der Grundlage von Steuerunterlagen sowie in Zweifelsfällen anhand sonstiger Nachweise. Mit dem Brexit endet die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit und damit die bisherige Praxis, dass im Rahmen einer Entsendung keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erforderlich ist. Entsprechend soll ab dem 1. Januar 2021 das britische Post-Brexit-Einwanderungssystem für alle EU-Bürger, die vor dem 1. Januar 2021 nicht im VK gelebt haben, zur Anwendung kommen.

Sponsoring und Visasystem

Das neue Einwanderungssystem setzt dabei wesentlich auf ein Zusammenspiel aus Sponsoring und punktebasiertem Visasystem. Britische Unternehmen, die Arbeitnehmer von außerhalb des britischen Arbeitsmarkts beschäftigen wollen, müssen sich für das UK Visa Sponsorship registrieren und erhalten eine entsprechende Lizenz. Ein Sponsoring garantiert jedoch noch keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für das VK, die Bewerber müssen gleichzeitig ein Visum beantragen. Die Visavergabe basiert auf einem Punktesystem, im Rahmen dessen die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis anhand einer bestimmten Reihe von Anforderungen vergeben wird, die Unternehmen auch bei der Schaffung einer Stelle berücksichtigen sollten. Umgekehrt müssen Arbeitnehmer im Hinblick auf eine Entsendung nach Großbritannien sicherstellen, dass sie bestimmte Kriterien erfüllen, für die sie Punkte erhalten.

Fazit

Für die Entsendung deutscher Arbeitnehmer nach Großbritannien wird ein entsprechend vorgeschalteter Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisprozess notwendig sein. Unternehmen und Arbeitnehmer, die einen Personaleinsatz im VK planen, müssen diese Neuerungen aufmerksam beobachten und in ihr bestehendes Entsendemanagement implementieren.

Zur Autorin

Aziza Yakhloufi

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht, Associate Partner. Sie leitet die Niederlassung von Rödl & Partner am Standort Eschborn bei Frankfurt am Main.

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