Die Sanktionen gegen Russland haben auch Auswirkungen auf die Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und weitere Dienstleistungen. Das ergibt sich aus einem Beschluss der Europäischen Union vom 3. Juni 2022.
Mit dem Beschluss (GASP) der Europäischen Union (EU) 2022/884 vom 3. Juni ist ein Verbot für die unmittelbare oder mittelbare Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung einschließlich Buchführung und Steuerberatung sowie Unternehmens- und Public-Relations-Beratung für die russische Regierung oder für in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen eingeführt worden. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Art. 5n der Verordnung (EU) 2022/879 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014. Diese Regelung ist Teil des sechsten Sanktionspakets, das vom Europäischen Rat am 30. Mai 2022 beschlossen wurde. In Kraft getreten ist die neue Sanktionsvorschrift am 4. Juni 2022. Was wird nun in der Verordnung konkret geregelt?
Regelungen der Verordnung
Als zentrale Regelung erfasst Abs. 1 der Verordnung das Verbot der bereits aufgelisteten Dienstleistungen für die russische Regierung sowie für in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen. Dieses Verbot gilt jedoch nicht umfassend, vielmehr sieht die Verordnung auch eine Reihe von Ausnahmen vor. Um den Anwendungsbereich der Verordnung möglichst zielgenau abzustecken, wird dabei im Rahmen des Erwägungsgrunds 26 der Verordnung eine Definition für Wirtschaftsprüfung, Buchführung und Steuerberatung festgehalten:
„(…) umfassen Wirtschaftsprüfung, Buchführung und Steuerberatung die Führung von Geschäftsbüchern für Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer, Dienstleistungen der Prüfung von Geschäftsbüchern und Jahresabschlüssen, die Steuerplanung und -beratung für Unternehmen sowie die Zusammenstellung von Steuerunterlagen.“
Sollte also eine dieser Tätigkeiten im Rahmen eines Mandats anfallen, ist einerseits dringend das genannte Verbot zu beachten, andererseits ist auch ein Blick auf die aufgelisteten Ausnahmen unabdingbar.
Vorgesehene Ausnahmen
Zunächst gilt das oben genannte Verbot ausnahmsweise dann nicht, wenn man in irgendeiner Form noch tätig werden muss, um Verträge zivilrechtlich zu beenden. Hierbei stand eine Frist bis zum 4. Juni 2022. Mit dieser Frist hat sich die in Abs. 2 vorgesehene Ausnahme jedoch praktisch bereits erledigt und ist somit auch nicht weiter relevant. Darüber hinaus sieht Abs. 3 der Verordnung eine Ausnahmegenehmigung für jede Form von fristwahrenden Rechtsbehelfen oder Klagen vor. Damit ist insoweit eine entsprechende Durchführung für russische Dienstleistungsempfängerinnen und -empfänger weiterhin erlaubt. Konkret solle das Verbot also nicht für die Erbringung von Dienstleistungen gelten, die für die Wahrnehmung des Rechts auf Verteidigung in Gerichtsverfahren und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf unbedingt erforderlich sind. In diesen Fällen soll also niemand rechtsschutzlos gestellt werden.
Tochtergesellschaft in Russland
Neben dieser fristwahrenden Ausnahme, die als echte Ausnahme empfängerunabhängig gilt, ist in Abs. 4 der Verordnung eine weitere Ausnahme vorgesehen, namentlich eine für Tochtergesellschaften in Russland. Man stelle sich das folgende Beispiel vor, dass jemand eine Tochtergesellschaft in Russland hat – und nun solle es nicht mehr erlaubt oder möglich sein, für diese die Konzernbuchhaltung zu erledigen? Das kann so nicht der gewollten Intention der EU-Staaten entsprechen. Daher ist die Erbringung von Dienstleistungen, die zur ausschließlichen Nutzung durch in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen bestimmt sind, die sich im Eigentum oder unter der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EU gegründeten oder eingetragenen juristischen Person, Organisation oder Einrichtung befinden, weiterhin erlaubt. Diese Ausnahme gilt insoweit nicht nur für die angesprochene Buchhaltung, sondern auch für die übrigen, grundsätzlich mit der vorliegenden Verordnung verbotenen Dienstleistungen. Durch diesen Abs. 4 wird also insbesondere klargestellt, dass das Verbot nicht für in Russland ansässige Tochtergesellschaften gilt, deren Muttergesellschaft in der EU gegründet oder in das Handelsregister eingetragen wurde. Die Annahme oder Weiterführung eines Mandats ist also auch in diesen Fällen weiterhin erlaubt.
Besondere Dienstleistungen
Abschließend sieht Abs. 5 der Verordnung die Möglichkeit von Ausnahmen vor für Dienstleister, die humanitäre Zwecke verfolgen oder zivilgesellschaftliche Aktivitäten fördern. Im Einzelnen versteht die Verordnung unter humanitären Zwecken Leistungen wie die Durchführung oder die Erleichterung von Hilfsleistungen einschließlich der Versorgung mit medizinischen Hilfsgütern und Nahrungsmitteln, oder den Transport humanitärer Helfer und damit die verbundene Hilfe oder die Unterstützung von Evakuierungen. Die sogenannten zivilgesellschaftlichen Aktivitäten sind dabei solche zur direkten Förderung der Demokratie, der Menschenrechte oder der Rechtsstaatlichkeit in Russland. Im Rahmen dieser Ausnahmen bedarf es jedoch zur Durchführung der entsprechenden Dienstleistungen einer expliziten Ausnahmegenehmigung der Bundesrepublik Deutschland.
Verstöße gegen die Verordnung
Ähnlich, wie es bereits im Ursprungskatalog der Verordnung vorgesehen war, normiert auch diese Änderung als Teil des sechsten Sanktionspakets Konsequenzen bei Nichtbeachtung des erörterten Verbots. Nun sieht Art. 8 Abs. 1 der ursprünglichen Verordnung vor, dass die Mitgliedstaaten für Verstöße Sanktionen, auch strafrechtliche, festlegen. Darüber hinaus sind von ihnen alle zur Sicherstellung der Verordnungsanwendung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als Anforderungen an die Sanktionen wird festgelegt, dass diese wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein sollen. Die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das Verbot sind daran anschließend von der Bundesrepublik Deutschland selbst aufzustellen. Das Verbot an sich entfaltet jedoch sofortige Wirksamkeit.
Fazit und Ausblick
Festzuhalten ist im Ergebnis, dass das zunächst absolut anmutende Verbot der Durchführung der diversen unternehmerischen Dienstleistungen für die russische Regierung und für in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen in tatsächlicher Hinsicht weit weniger umfangreich ausgestaltet ist. So sieht die Verordnung wie aufgezeigt diverse Ausnahmen vor. Zum einen bezieht sich die Verordnung nicht auf Privatpersonen, sodass vom Verbot beispielsweise russische Gesellschafter von europäischen Gesellschaften nicht umfasst werden. Zum anderen dürfen etwa Tochtergesellschaften oder Niederlassungen von europäischen Gesellschaften und Konzernen weiterhin im Rahmen eines entsprechenden Mandats betreut werden. Dies dürfte die mitunter praxisrelevanteste Ausnahme darstellen. Letztlich müssen nicht bei jedem Mandat mit irgendwie geartetem russischem Bezug die Alarmglocken schrillen. Jedoch sollte vor Annahme oder Weiterführung eines entsprechenden Mandats zuvor geprüft werden, ob die Dienstleistung im konkreten Fall tatsächlich noch erlaubt ist. Zumindest dann, wenn man das Risiko einer Sanktion nicht in Kauf nehmen möchte.