Investment in den USA - 22. Dezember 2021

Jenseits des Atlantiks

Die geplanten fiskalpolitischen Änderungen von Präsident Joe Biden sind auch für ausländische Investoren höchst interessant. Unternehmen, die in den Vereinigten Staaten tätig werden wollen, sind gut beraten, spätestens jetzt mit entsprechenden Vorbereitungen zu beginnen.

Mit der Vereidigung von Joseph R. Biden zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten eröffnen sich neue Perspektiven, auch für ausländische Investorinnen und Investoren. Angetreten mit dem Anspruch, die USA nach der Pandemie wieder zu einer wirtschaftlichen Weltmacht und produktionsorientierten Volkswirtschaft zu machen und die hohe Arbeitslosigkeit zu besiegen, haben US-Amerikaner Präsident Biden die Stimme gegeben und ihm zugetraut, die Covid-19-Pandemie sowie die wirtschaftlichen Herausforderungen durch seine langjährige politische Erfahrung zu meistern. Jedoch ist die Macht eines Präsidenten durch die Mandatsverhältnisse der Demokraten und Republikaner im Kongress, also in House und Senat, zumeist begrenzt. Der amtierende 117. US-Kongress setzt sich folgendermaßen zusammen: House – 222 Demokraten, 213 Republikaner; im Senat sitzen 50 Republikaner, 48 Demokraten und zwei Unabhängige, die üblicherweise mit den Demokraten stimmen. Somit fungiert Vizepräsidentin Kamala Harris als Tiebreakerin, wenn es zu einem Patt im Senat kommen sollte. Die letzten Monate haben allerdings eine Zerstrittenheit der Abgeordneten sowie anhaltende Störfeuer der Republikaner gezeigt, und die Bekämpfung der Pandemie ist wie in vielen anderen Ländern durch eine zu niedrige Impfquote nicht weitergekommen. Eine parteiübergreifende Einigung zeichnet sich leider immer weniger ab, vor allem unter dem Aspekt, dass die Kammern nicht über einzelne Steuern, Gesetze oder Regelungen abstimmen, sondern immer Pakete schnüren, um auch unangenehme oder dem eigenen Lager freundlich gestimmte Beschlüsse mit zu verpacken.

Die Schere zwischen Arm und Reich

Vielfach wurde angemerkt, dass die 2018 durch den vorherigen Präsidenten Trump und die Republikaner eingeleiteten Steuersenkungen und -vorteile weit überwiegend die Besserverdienenden, Wohlhabenden und Unternehmen bevorzugt haben, wobei die Erhöhung einiger Freigrenzen alle Steuerpflichtigen entlastet hat. Ferner hat das Joint Committee on Taxation in einer Studie im Jahr 2021 herausgearbeitet, dass viele der profitabelsten Unternehmen der Welt in den USA beheimatet sind, aber im Durchschnitt nur effektiv 7,8 Prozent Einkommensteuer auf in den USA generierte Gewinne zahlen. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass es eine immer größere Diskrepanz zwischen sogenannten Normal- und den Hochverdienern gibt. Immer mehr Einkommen sammelt sich bei weniger als einem Prozent der Steuerpflichtigen an. Daneben werden einige Unternehmenseigentümer immer wohlhabender, weil sich der Aktienwert ihrer Unternehmen aufgrund der anhaltend guten Börsenstimmung immer weiter in astronomische Regionen bewegt, so beispielsweise Elon Musk, Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos.

Aufhebung von Steuererleichterungen

Dieser Entwicklung möchte Präsident Biden, auch als Versprechen an seine Basis und Unterstützer, nun entgegentreten. Die propagierten Maßnahmen zielen insbesondere auf die Unternehmenssteuer sowie die Aufhebung von Steuererleichterungen ab. Ausgewählte Meilensteine des Plans sind:

  1. Erzielung von ausreichend Steuereinnahmen, um kritische Investitionen zu tätigen. Die Körperschaftsteuereinnahmen sind unter ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gefallen (Deutschland hat mit zwei Prozent des BIP auch niedrige Körperschaftsteuereinnahmen).
  2. Bildung eines fairen Steuersystems, das die Arbeitseinkommen belohnt und fair besteuert und nicht Kapitaleinkünfte übervorteilt.
  3. Verringerung beziehungsweise Vermeidung der Möglichkeiten, Vermögenswerte und Konzerngewinne in Niedrigsteuerländer zu verlagern, und Eliminierung des Offshoring von Investitionen.
  4. Schaffung von internationaler Mindestbesteuerung, gemeinsam mit Mitgliedern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), um das Wettrennen der Steueroasen zu beenden und beteiligten Staaten eine faire Steuereinnahme zu ermöglichen; dieses Ziel ist mit den Stimmen von 136 Staaten inzwischen in greifbare Nähe gerückt.
  5. Schließen der Lücke zwischen niedriger Steuerschuld gegenüber hohen Dividendenausschüttungen.
  6. Bildung einer erstarkten, wettbewerbsfähigen und widerstandsfähigen Volkswirtschaft, die insbesondere auf neuen Technologien und Umweltschutzmaßnahmen basiert.

Geplante Steueränderungen

Der Build Back Better Act ist Präsident Bidens dreiteilige Agenda, um Amerika zu sichern, zur Erholung der Wirtschaft beizutragen und die Infrastruktur zu verbessern. Der Plan besteht aus dem American Rescue Plan, dem Wirtschaftsförderungsprogramm, welches am 11. März 2021 vom Präsidenten unterzeichnet wurde, dem American Jobs Plan, der Investitionen in Infrastruktur, saubere oder regenerative Energien, Verbesserung des Gesundheitssystems sowie andere Prioritäten beinhaltet, sowie dem Made in America Tax Plan, der die Finanzierung dieser gigantischen Aufgaben bestreiten soll. Die wesentlichen Regelungen sind Ende Oktober, Anfang November im Repräsentantenhaus beschlossen worden, nun wird sich der Senat mit dieser Vorlage sowie eigenen Vorschlägen beschäftigen. Nachfolgend sind einige Kernelemente dargestellt, die planmäßig zum 1. Januar 2022 beziehungsweise nach dem 31. Dezember 2022 wirksam werden könnten:

  • Keine Anhebung der Körperschaftsteuer, der Corporate Tax, von 21 Prozent (seit 2018) auf 28 Prozent, dafür aber eine 15-Prozent-Minimumsteuer bezogen auf das handelsrechtliche Ergebnis von über einer Milliarde Dollar. Es gilt die jeweilige steuerliche Belastung, aber mindestens 15 Prozent als Minimumsteuer – gültig für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2022 beginnen.
  • Die Anpassung des Steuersatzes auf Global Intangible Low Tax Income (GILTI), Einkommen von ausländischen Tochtergesellschaften von US-Muttergesellschaften in sogenannten Niedrigsteuerländern, auf 15 Prozent; das bedeutet eine Reduzierung von GILTI auf fünf Prozent sowie eine Begrenzung von anrechenbaren ausländischen Steuergutschriften auf fünf Prozent, vortragbar auf bis zu zehn Jahre – relevant für deutsche Investoren, deren Konzernobergesellschaft zum Beispiel aus Finanzmarktgesichtspunkten in den USA sitzt, etwa für Technologie- oder Medizintechnikunternehmen, die den Flip zu einer US-Mutter mit Börsennotierung gemacht haben. Das deckt sich mit dem Pillar-2-Plan der OECD, dem die USA nun entgegenkommen.
  • Überlegungen, die FDII-Vorschriften (Foreign Derived Intangible Income) zu modifizieren. Diese gelten als Gegenpol zu den GILTI-Vorschriften und regeln bis dato eine effektive Besteuerung in Höhe von nur 13,125 Prozent für bestimmte Einkünfte mit Auslandsbezug; diese würden auf 15,8 Prozent ansteigen bei einer Reduzierung des FDII auf 21,875 Prozent.
  • Die Vermeidung der Gewinnverschiebung: Anpassung der Base Erosion and Anti-Abuse Tax, kurz BEAT. Ziel ist es, die Verlagerung von Gewinnen in Steueroasen zu vermeiden sowie den des Steuerabzug für bestimmte Zahlungen an Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerländern, etwa für Markenrechte oder Ähnliches, zu versagen.
  • Begrenzung der Abzugsfähigkeit von gruppeninternen Kreditzinsen und Besteuerung sowie erweiterte Berichtspflichten von Cryptocurrencies ab 2023 und höhere Besteuerung von nikotinhaltigen Produkten.
  • Die Gewährung von Steuervorteilen für Fertigungsunternehmen (Manufacturing Communities Tax Credit) oder wenn zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, großzügige Steuervorteile für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen und Einsatz von erneuerbaren Energien, und eine Abschaffung von Steuervorteilen für Unternehmen, die fossile Brennstoffe erzeugen oder vermehrt verwenden.

Geplant sind für Steuerpflichtige:

  • Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 37 Prozent auf 39,6 Prozent (wie es bis vor vier Jahren war), aber erst für Einkommen über 400.000 Dollar. Höherverdiener ab einem modifizierten Einkommen (ähnlich dem zu versteuernden Einkommen) würden ab zehn Millionen Dollar fünf Prozentpunkte mehr zahlen und ab 25 Millionen Dollar noch zusätzlich drei Prozentpunkte mehr, sodass sich zusammen mit Steuer auf Einkommen aus aktiven und passiven Investments von 3,8 Prozent der Höchstsatz von 51,4 Prozent ergeben könnte, zuzüglich der jeweiligen Staateneinkommensteuer von durchschnittlich sechs Prozent.
  • Capital Gains (Veräußerungsgewinne), die ab 25 Millionen Dollar Einkommen nun mit einem Zuschlag von acht Prozentpunkten belegt werden sollen, somit 31,8 Prozent anstelle des bisherigen Satzes von 23,8 Prozent des Gewinns (20 Prozent Gewinnzuwachssteuer plus 3,8 Prozent Investmentsteuer).
  • Festschreibung von Itemized Deductions, also Sonderausgaben, wie etwa Bundesstaaten- und Gemeindeeinkommensteuer, Vermögenssteuer, Arztkosten, Spenden sowie Hypothekenzinsen, auf 28 Prozent des Werts bezogen auf das 400.000 Dollar übersteigende Einkommen.
  • Zeitbegrenzte Aufhebung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Immobilienzinsen, Grundsteuern und Staateneinkommensteuern von 10.000 Dollar und Anhebung der Grenze auf 80.000 Dollar.
  • Senkung des Erbschaftsteuerfreibetrags von derzeit 11,7 Millionen auf 3,5 Millionen Dollar, mit einem Steuersatz von 45 Prozent auf das übersteigende Erbe, basierend auf einer zweistufigen Berechnung.

Die so erzielten Mehreinnahmen will die Biden-Administration im The American Jobs Plan wie folgt verwenden und hat einen ersten Erfolg erzielt. Präsident Biden hat einen Teil, der als Infrastrukturplan bezeichnet wird, in Höhe von 1,2 Billionen Dollar durch parteiübergreifende Mitwirkung im Kongress als Gesetz am 15. November 2021 unterzeichnet. Die wesentlichen Ausgaben der nächsten fünf Jahre werden in folgenden Bereichen konzentriert und bieten vielfältige Chancen auch für deutsche Fertigungsunternehmen:

  • 110 Milliarden Dollar für Transitsysteme, Bahn, Brücken, Häfen, Verteilzentren, Logistik und Breitbandkabel
  • 7,5 Milliarden Dollar für Ladestationen für elektrifizierte Fahrzeuge und Anschaffung von Elektroautos und Bussen für die öffentliche Hand
  • 550 Milliarden Dollar Förderungen von industrieller Infrastruktur, rohstofforientierten Fertigungstechniken, Stahl und Metall verarbeitenden Industrien
  • 300 Milliarden Dollar für saubere Energien für die Fertigungsbetriebe
  • 30 Milliarden Dollar zur Förderung von moderner Medizintechnik
  • 50 Milliarden Dollar für Semiconductor-Produktionsunternehmen

Zahlreiche Vorschläge sind sicherlich tragfähig und wirtschaftlich geboten, andererseits ist eine Steuererhöhung bei den Republikanern nicht mehrheitsfähig. Ziel der Administration sowie der Meinungs- und Mehrheitsführer der Demokraten im Kongress ist es, unter den Mitgliedern der Republikaner einen Grad an Machbarkeit herauszufiltern, um gegebenenfalls ein vielschichtiges Paket als Kompromiss zu schnüren. Von dieser Idealvorstellung muss man sich nach den zuletzt harten innerparteilichen Kontroversen wohl verabschieden und einen kleinsten gemeinsamen Nenner finden, auch notgedrungen nach einigen herben Verlusten bei den Nachwahlen und Gouverneurswahlen, beispielsweise in Virginia.

Direktinvestitionen in den USA

Mandanten mit Tochterunternehmen oder Einzelpersonen mit US-Investments sollten die Entwicklung sorgsam betrachten und mit einem in den USA erfahrenen Berater auf den Prüfstand stellen. Die Investitionswelle in Infrastruktur und saubere Energien kann Investitionschancen für deutsche Unternehmen bedeuten, hier können sie ihren technologischen Vorsprung ausspielen; produzierende Unternehmen sollten Ausschau nach Förderprogrammen und Incentives halten und die noch mögliche Sofortabschreibung von Investitionsgütern in Anspruch nehmen, die bald stufenweise ausläuft. Akquisitionen von inländischen Wettbewerbern oder alternden Familienunternehmen sind eine weitere Möglichkeit, am Marktwachstum schneller zu partizipieren. Ein Augenmerk sollte auf die Vorteilhaftigkeit der bestehenden Beteiligungsstruktur gelegt werden und auf Optimierungspotenzial sowie mögliche Reorganisationen, die noch steuerlich vorteilhaft versteuert würden. Privatanleger könnten die heute niedrigen Steuersätze nutzen, um Veräußerungsgewinne, zum Beispiel aus Immobilien, zu sichern, oder nicht zwingend notwendige Ausgaben in die Zukunft zu verlagern, um den Gewinn noch einmal zu erhöhen. Das Vorhergesagte ist weiterhin als Spekulation zu betrachten, da zwar Änderungen zu erwarten sind, Zeitpunkt, Auswirkung und Höhe aber vom Verhandlungserfolg der Administration abhängen. Es bietet sich aber an, jetzt mit Planszenarien zu beginnen, denn im November 2022 sind Kongresswahlen für 34 der 100 Mitglieder des Senats, deren Wahlperiode im Jahr 2022 ausläuft, sowie Neuwahlen für alle 435 Mitglieder des House. Die Wahlen im Jahr 2020 betrafen nur Nachwahlen und Wiederbesetzung frei gewordener Sitze. Ein republikanischer Senat oder ein republikanisches Repräsentantenhaus könnte alle oben geschilderten Pläne von Präsident Biden schließlich durchkreuzen und einen Status quo zementieren, in dem die Administration mit niedrigen (Unternehmens-)Steuern leben müsste. Das ist für viele Betriebe beziehungsweise Unternehmer vermutlich eine heimliche Wunschlösung, wenn bestimmte Investitionen in Infrastruktur durchgehen, aber die Finanzierung durch Anhebung von Steuern verhindert wird. Andererseits könnten die stark steigende Staatsverschuldung sowie die zu erwartenden steigenden Verteidigungsausgaben eine Anpassung nötig machen und dann beide Parteilager zu einem Kompromiss zwingen, allerdings wird Kompromissfähigkeit gerade nicht gelebt.

Fazit und Ausblick

Es bleibt spannend und man sollte die Augen offen halten, wenn die Entscheidungsvorlagen in den Senat gegeben werden, um schnellstmöglich noch zu handeln. Es ist ratsam, die Berichtszahlen und Steuerunterlagen der US-Beteiligungen möglichst aktuell bereitzuhalten. Das US-Investment wird sich aller Voraussicht nach weiter positiv entwickeln und für alle, die bis jetzt noch gezögert haben, ist die Zeit gekommen, um in den USA aktiv zu werden. Die USA sind immer noch ein Konsumentenmarkt, der genügend liquide ist, um neue Ideen und Produkte aufzunehmen. Man muss nun nur ausliefern können, und nichts wäre einfacher, als aus lokaler Produktion zu liefern.  

Zum Autor

GFS
Gerhard Friedrich Schneiders

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und CPA bei Rödl & Partner in den USA.

Weitere Artikel des Autors