Wohn­raum­problematik - 18. September 2019

Auf ein Wort …

Grund­steuer, Förderung des Miet­woh­nungs­neu­baus, CO₂- und Grund­er­werb­steuer – in kaum einem Feld der Steuer­gesetz­ge­bung ist der­zeit so viel Be­we­gung, wie in der Immo­bi­lien­politik.

Nun ist er da, der neue § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dass die Schaffung von neuem und vor allem bezahlbarem Wohnraum in Deutschland eines der dringendsten sozialen Probleme ist, das ist nichts Neues. Aber was will man mit einer derartigen Sonderabschreibung erreichen? Das Zustandekommen der neuen Vorschrift zeigt jedenfalls – ebenso wie andere Maßnahmen – die derzeitigen Probleme der aktuellen Politik auf. Die Regelungen des § 7b EStG waren im Vorfeld von verschiedenen Stellen kritisiert worden. Nachdem das Gesetzesvorhaben Ende 2018 dann im Bundesrat plötzlich und kommentarlos von der Tagesordnung verschwunden war, hörte ich mich um. Seitens des Bundesrats wurde mir mitgeteilt, dass es einen Antrag des Bundeskabinetts beziehungsweise einer Landesregierung bedürfe, um das Gesetz erneut zur Abstimmung in den Bundesrat zu bringen. Auf eine Anfrage im Landesfinanzministerium Nordrhein-Westfalen (NRW) hin erklärte mir dann ein Ministerialrat – nachdem er im ersten Schritt nur dazu bereit war, mir das Organigramm der von ihm geleiteten Abteilung zu schicken, dass sein Minister keine politische Nachhilfe benötige. Völlig unerwartet stellte dann kurz danach das Land Bayern den Antrag und einige Tage später war die Vorschrift beschlossen. Ein planhaftes Vorgehen sieht meiner Ansicht nach anders aus.

Mangelnder Wohnraum

Die Entscheidung der öffentlichen Hand, den selbst gehaltenen Immobilienbesitz zur Sanierung der Haushalte seinerzeit zu veräußern, war keine gute Idee und wurde schon damals vielerorts zu Recht heftig kritisiert. Jedenfalls hat dieses Vorgehen das Problem mangelnden Wohnraums mitverursacht. Die Immobilien Zeitung IZ etwa hat nun 50 Vorschläge aufgelistet, um die Wohnraumproblematik zu lösen. Zwar stimme ich diesen nicht vollständig zu, aber man muss die Ursachen und potenziellen Lösungswege systematisch zusammenstellen. Denn sinnvolle Maßnahmen lassen sich nur finden, wenn man die Probleme effektiv und inhaltlich als Ganzes aufarbeitet. Nun stellt sich die Frage, wer es nun richten wird, dieses Problem, das weder durch Fernsehdiskussionen und Foren noch von sozialen Netzwerken gelöst werden kann. Auch künstliche Intelligenz wird hier nicht helfen.

Die Politik ist gefordert

Führt man sich die Probleme sowie die bisherigen Lösungsansätze der Politik rund um den Wohnungsnotstand en bloc vor Augen und setzt man diese in einen Zusammenhang, ergibt sich ein ernüchterndes Bild. Denis Basta vom Deutschen Steuerberaterverband (DStV) hat sich zur Sonderabschreibung nach § 7b EStG bereits kritisch geäußert (DATEV magazin 5/2019). Ob es aufgrund dieser halbherzigen Vorschrift künftig mehr neuen Wohnraum geben wird, bezweifle ich ebenfalls sehr. Und Steuerberaterkollege Hartmut Wipper hat sich kritisch mit der Grundsteuer auseinandergesetzt (DATEV magazin 7/2019). Wenn man überhaupt an einer Grundsteuer festhält, muss diese meiner Ansicht nach einfach zu ermitteln sein und sich am lokalen Kostenniveau orientieren. Eine völlig andere Zielsetzung und zu bejahende Daseinsberechtigung hat die Grunderwerbsteuer. Die Tatsache, dass es in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hohe Steuersätze gibt (3,5 bis 6,5 Prozent), ist eines der Anzeichen für eine reformbedürftige Struktur der politischen Systeme in Deutschland. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie man Einigkeit in der Europäischen Union herstellen will, wenn man schon im eigenen Land ein so inhomogenes System hat.

Mietpreisbremse oder gar Enteignung?

Eigentlich ist es mir fast zu peinlich, den Enteignungsgedanken überhaupt anzuführen. Auf der anderen Seite ist er jedoch ein treffendes Beispiel dafür, um die Dramatik einer verfehlten Wohnraumpolitik zu verdeutlichen. Vermieter und Wohnungsunternehmen zu verteufeln, wird allerdings niemandem helfen, denn sie werden gebraucht. Wir haben ja alle einmal gelernt, dass die Demokratie angeblich die schlechteste aller Gesellschaftsformen ist, aber die Erfahrung zeigt, dass es tatsächlich keine bessere gibt. Und zu unserem freiheitlichen System gehört nun einmal auch die soziale, aber freie Marktwirtschaft.

Wohnraum in öffentlicher Hand

Gleichwohl aber muss die öffentliche Hand wieder selbst in günstig mietbaren Wohnraum investieren!

Es klingt zwar vielversprechend, aber letztlich ist es ein naiver Gedanke, die Wohnungswirtschaft und danach auch die Energiewirtschaft, die Versicherungsbranche sowie die Banken in staatliche Hände zu nehmen. Auch danach würde man es mit den Unzulänglichkeiten der Spezies Homo sapiens zu tun haben. Gleichwohl aber muss die öffentliche Hand wieder selbst in günstig mietbaren Wohnraum investieren. Denn man wird private Investoren kaum dazu bewegen können, sehr günstig zu mietenden Wohnraum anzubieten. Rendite zu erzielen, ist notwendig und kein moralisches Verbrechen. Diese Lücke wird man nur mit Wohnungen im Gemeineigentum füllen können. Und es sollten sich doch kompetente Berater finden lassen, die bei öffentlichen Bauvorhaben Fehler oder zeitliche Verzögerungen, wie etwa beim BER, dem Bahnhof in Stuttgart oder dem Deutschen Museum in München zu verhindern wissen.

Ertrag- und Abgeltungsteuer

Folglich braucht es auch keine neidbedingten Vermögen- oder erhöhte Erbschaftsteuern, um alle Bürger an den notwendigen Maßnahmen monetär gerecht zu beteiligen. Solange der Steuersatz der Abgeltungsteuer für Kapitalerträge mit 25 Prozent im Vergleich so gering ist, wird man wenig private Investoren davon überzeugen können, neuen und preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Einige von Ihnen werden sich noch an das Fördergebietsgesetz erinnern. Wohnungspolitisch sind mittlerweile die alten Bundesländer ein Fördergebiet. Um Investoren kurzfristig einen wirksamen Anreiz zu großen Investitionen zu geben, wird man eine wesentlich höhere Sonderabschreibung im Gesetz verankern müssen. Zur Gegenfinanzierung könnte man die Abgeltungsteuer anheben.

Anliegerbeiträge

Die öffentliche Hand versteht scheinbar, dass die Anliegerbeiträge beziehungsweise Erschließungskosten viel zu hoch sind. In einer Stadt am Rhein etwa denkt man offensichtlich darüber nach, diese zu halbieren und für absurde Ausnahmefälle besondere Regeln anzusetzen. Auch Investitionen in neue Eigenheime wird man fördern, wenn Anliegerbeiträge ein sinnvolles Maß bekommen.

Restriktive Bauvorschriften

Ein weiteres Problem sind schließlich die unsäglichen Bauvorschriften, auf die ich an dieser Stelle aus Platzgründen leider nicht näher eingehen kann. Ich frage mich jedoch bei fast allen größeren Neubauten, warum man diese nicht um mindestens ein Geschoss höher baut? Einfacher wäre die Anzahl neuer Wohnungen wohl nicht zu steigern. Und bei bestehenden Anwesen wäre das Aufstocken sicher auch relativ leicht zu bewerkstelligen.

Wohnraumpolitik und Umweltschutz

Hinsichtlich der heiß diskutierten CO₂-Steuer sollten sowohl Politiker, Wirtschaftswissenschaftler wie auch Unternehmensvorstände erst seriös planen und dann handeln. Wohnen ist bereits jetzt für viele Bürger ein kaum bezahlbares Gut. Glaubt man wirklich, man könne mit einer CO₂-Steuer die Umwelt retten? Allein Korrekturen der seit Jahrzehnten verfehlten Wohnungs- und Verkehrspolitik können insoweit Abhilfe schaffen. Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), in umweltfreundliche Heizungssysteme, in Fotovoltaikanlagen oder andere Energiesparmaßnahmen – auch im selbst genutzten Eigenheim – müssen steuerlich gefördert werden. Mit einem effektiven ÖPNV wird man die Menschen auch bewegen können, wieder außerhalb der großen Städte wohnen zu wollen. Bei einem schlecht aufgestellten ÖPNV ist es absurd, anzunehmen, dass höhere Kosten die Menschen dazu bewegen, ihre Autos stehen zu lassen. Und die Problemfelder, billig zu fliegen, Kreuzfahrtschiffe zu bevölkern und Paketdienste exzessiv zu nutzen, kann man mit einer Steuer ebenfalls nicht kompensieren. Ohne Vernunft und Verzicht jedes Einzelnen wird man den Planeten nicht retten. Bei allem darf man auch nicht vergessen, dass viele ökologische Maßnahmen nur funktionieren werden, wenn man dabei die ökonomischen Belange einbezieht.

Politische Strukturen modifizieren

Ich muss nahezu täglich den Kopf schütteln, wenn ich höre und sehe, was politische Gremien und Entscheidungsträger auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene so von sich geben. Gott sei Dank gibt es Ausnahmen. Gerade auf lokaler Ebene, in Städten und Gemeinden, trifft man auf beispielhaft kluge Projekte. Daher mögen mir bitte all diejenigen, die einen guten Job machen, meine generell anmutende Kritik verzeihen. Letztlich geht es darum, neue Strukturen zu schaffen, um die politischen Entscheidungen auf allen Ebenen mit der notwendigen Kompetenz zu belegen. Aber was könnte hier die Lösung sein? Meiner Ansicht nach sind viele Probleme in der Politik auf parteipolitisch ausgerichtetem Denken sowie unsere nicht mehr zeitgemäße föderale Struktur zurückzuführen. Daher sollte man einmal wohl strukturiert und vorbehaltlos darüber nachdenken, wie man die Defizite des Föderalismus bereinigt, soweit dies Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz zulässt. Aufgrund einer übertriebenen Furcht vor Veränderung sowie der Angst vor zentralstaatlichen Strukturen konnte sich bisher, soweit ich mich erinnere, lediglich ein namhafter Politiker (Heiner Geißler) mit diesem Gedanken überhaupt anfreunden.

Fazit

Mir geht es keineswegs darum, nur pauschal zu kritisieren, ich hätte auch Lösungsvorschläge im Köcher. Es würde an dieser Stelle aber zu weit führen, modifizierte politische Modelle zu beschreiben. Jedoch gerade, als ich diesen Beitrag erstelle, werden bei der Postenvergabe auf nationaler wie auch auf EU-Ebene erneut die Grenzen der politischen Kultur überschritten, und zwar in einem fast nicht mehr akzeptablen Ausmaß. Daher brodelt in mir der Wunsch nach einer grundlegenden politischen Reform. Insoweit sind wir alle gefordert, etwas zu unternehmen! Andernfalls werden bei den nächsten Wahlen wohl noch mehr Menschen den falschen Weg in Richtung undemokratischer, populistischer Parteien einschlagen.

MEHR DAZU

Kompaktwissen für Berater: Immobilien-Vermögen aufbauen mit Steuergestaltungen, Art.-Nr. 35456

Mandanten-Infobroschüre: Immobilien-Vermögen aufbauen mit Steuergestaltungen, Art.-Nr. 32172

Zum Autor

Dieter Höhne

Steuerberater in eigener Kanzlei in Hennef

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