Digitale Arbeitsformen - 27. Oktober 2022

Den Spagat schaffen

Moderne Arbeitsplatz - beziehungsweise Arbeitszeitmodelle bieten zwar viele Chancen, stellen die Unternehmen andererseits aber auch vor zahlreiche Herausforderungen.

Die Veränderungen der Arbeitswelt durch Digitalisierung, Globalisierung und gesellschaftliche Entwicklungen werden auch als New Work bezeichnet. Wie ein Katalysator hat die Corona-Pandemie diese Entwicklungen beschleunigt und den Büroalltag weltweit gewandelt. Während manche Arbeitgeberin und mancher Arbeitgeber mittlerweile die Rückkehr in die betrieblichen Räumlichkeiten anstreben, haben viele Beschäftigte die Vorzüge des sogenannten Homeoffice kennengelernt und möchten die neu gewonnene Freiheit beibehalten. Welchen Stellenwert neue Arbeitsmodelle haben können, verdeutlicht auch der Fall des ehemaligen KI-Chefs von Apple, der zu Google gewechselt ist, angeblich nur, weil er bei seinem alten Arbeitgeber nicht mehr uneingeschränkt im Homeoffice arbeiten durfte. Während eine interessengerechte Lösung oft irgendwo in der Mitte liegen dürfte, kann es fatale Konsequenzen haben, wenn Arbeitgeber diesen Wandel kategorisch ablehnen.

Arbeitsformen des Homeoffice

Homeoffice wird umgangssprachlich als Oberbegriff für verschiedene Arbeitsmodelle, wie die Telearbeit, die Teleheimarbeit und die mobile Arbeit, verwendet. Diese Begriffe haben gemeinsam, dass die Arbeit außerhalb des Büros, meist in der Wohnung der Beschäftigten erbracht wird. Sofern von anderen Orten, beispielsweise einem Hotel auf einer Geschäftsreise, ausgearbeitet wird, handelt es sich um mobile Arbeit. Unabhängig vom konkreten Arbeitsmodell soll hier der im allgemeinen Sprachgebrauch geläufige Begriff Homeoffice weiterverwendet werden. In vielen Unternehmen haben sich seit der Corona-Pandemie hybride Arbeitsmodelle etabliert, bei denen die Arbeit an einigen Tagen im Büro und im Übrigen aus dem Homeoffice erbracht wird. Gemein haben dabei alle Modelle, dass sie ein hohes Maß an Vertrauen voraussetzen, da die Arbeit nicht im direkten Einflussbereich des Arbeitgebers erbracht wird.

Recht auf Homeoffice?

Seit der Corona-Pandemie wird auch ein Recht auf Homeoffice in der Politik diskutiert. Vorübergehend war eine entsprechende Homeoffice-Pflicht sogar als Maßnahme zur Pandemie-Eindämmung im Infektionsschutzgesetz verankert worden. Diese war allerdings zu März ausgelaufen und auch wenn zwischendurch Bestrebungen des Arbeitsministers bestehen, diese erneut im Gesetz zu verankern, fanden dahin gehende Vorschläge schwer eine Mehrheit in der Koalition. Ohne eine entsprechende Regelung kann der Arbeitgeber die Tätigkeit im Homeoffice nicht einseitig anordnen. Insbesondere reicht sein Direktionsrecht nicht so weit, seine Arbeitnehmer zur Arbeit im Homeoffice anzuweisen, da er hiermit über deren privaten Bereich verfügen würde. Entsprechend ist die Tätigkeit im Homeoffice in der Regel einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten oder gegebenenfalls mit einem vorhandenen Betriebsrat zu vereinbaren. Jedenfalls nach dem aktuellen Koalitionsvertrag könnten Beschäftigte zukünftig zumindest einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten im Homeoffice erhalten. Arbeitgeber könnten dem Wunsch nach Homeoffice gegebenenfalls nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. Ob und wie ein dahin gehendes Recht tatsächlich konkret realisiert wird, bleibt jedoch abzuwarten.

Herausforderungen für die Arbeitgeber

Die Herausforderungen insbesondere beim Homeoffice liegen auf der Hand. Auch wenn Beschäftigte nicht im Büro arbeiten, bleiben Arbeitgeber für viele Aspekte verantwortlich und müssen gesetzliche Pflichten erfüllen. Gleichzeitig haben sie faktisch wenig Einfluss darauf, wie ihre Beschäftigten arbeiten. So sind weiterhin beispielsweise die datenschutzrechtlichen Anforderungen zu beachten, Gefährdungsbeurteilungen für die Tätigkeit im Homeoffice durchzuführen und das Arbeitszeitgesetz einzuhalten. Handelt es sich bei dem Arbeitsplatz um einen Telearbeitsplatz, ist zudem die Arbeitsstättenverordnung zu beachten. Mithin ist bei der Gestattung des Homeoffice eine Vielzahl gesetzlicher Anforderungen zu berücksichtigen, bei deren Missachtung unter anderem Bußgelder und Haftungsrisiken drohen. Zudem gilt es auch bei einer Remote-Arbeit, vorhandene Geschäftsgeheimnisse effektiv zu schützen.

Erfassung der Arbeitszeit

Arbeitgeber stehen zudem vor der Herausforderung, die Einhaltung der Arbeitszeit zu kontrollieren und zu dokumentieren. Ob Beschäftigte im Homeoffice zu viel oder zu wenig arbeiten, ist für Arbeitgeber oft nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Besonders schwer fällt dies, wenn die Parteien die sogenannte Vertrauensarbeitszeit vereinbart haben und keine vollständige Zeiterfassung erfolgt. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben Arbeitnehmer ohnehin die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten zu erfassen. Dies bestätigte nun auch das Bundesarbeitsgericht am 13. September 2022 und stellte zudem fest, dass Arbeitgeber verpflichtet seien, entsprechende Erfassungssysteme einzuführen. Doch auch mit Blick auf das Arbeitszeitgesetz und die darin enthaltenen Bußgeldtatbestände haben Arbeitgeber ein gesteigertes Interesse an einer umfassenderen Zeiterfassung. Welche Zeiterfassungslösungen zu einem Unternehmen passen und wie hierbei die rechtlichen Anforderungen erfüllt werden können, ist für den Einzelfall zu bewerten. Denn es gilt auch hier, mögliche Bußgelder für Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz und dahin gehend bestehende Dokumentationspflichten zu vermeiden.

Ausgestaltung neuer Arbeitsmodelle

Regelungen zum Homeoffice können individuell im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Alternativ kann hierfür beispielsweise in Richtlinien oder Betriebsvereinbarungen ein genereller Rahmen abgesteckt werden. In jedem Fall empfehlen sich Regelungen dazu, welche Tätigkeiten im Homeoffice (un)zulässig sind. Außerdem können Anforderungen an den Arbeitsplatz und die Arbeitsweise sowie zentrale Sicherheitsmaßnahmen festgelegt werden, die den oben genannten Herausforderungen Rechnung tragen. Dabei sollten Arbeitgeber aktuelle Entwicklungen im Auge behalten, um rechtzeitig auf neue rechtliche Rahmenbedingungen reagieren zu können. Um die Einhaltung der vereinbarten Vorgaben zu überwachen, bietet sich unter anderem ein umfassendes Zutrittsrecht für die Wohnung des Beschäftigten an. Auch Software zur Überwachung des Nutzungsverhaltens vorhandener IT-Ausstattung kann erwogen werden. In beiden Fällen sind jedoch strenge rechtliche Anforderungen zu beachten. Schließlich ist die Unverletzlichkeit der Wohnung im Grundgesetz verankert und gilt mittelbar auch zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten. Ebenso ist die Überwachung der Leistung und des Verhaltens der Beschäftigten nur in engen Grenzen zulässig. Entsprechende Fallstricke gilt es auch hier im Vorfeld zu berücksichtigen sowie Lösungen zu finden, um nicht schon vor der Türschwelle ins Stolpern zu geraten.

Open-Space-Bürokonzepte

Je weniger die Büros des Arbeitgebers durch Beschäftigte genutzt werden, desto interessanter werden moderne Bürokonzepte. Insoweit haben sich Co-Working-Spaces beziehungsweise Open Spaces etabliert. Hierbei handelt es sich um Großräume ohne fest zugeordnete Arbeitsplätze. Die vorhandene Büroausstattung kann je nach Bedarf von allen Beschäftigten genutzt werden. Bei den, auch im Koalitionsvertrag genannten, Co-Working-Spaces werden diese Räumlichkeiten auch Dritten bereitgestellt. Arbeitgeber erhoffen sich hiervon insbesondere Kosteneinsparungen sowie Synergieeffekte bei der Zusammenarbeit. Doch auch bei diesen Konzepten sind rechtliche und tatsächliche Anforderungen zu beachten. Insbesondere der Schutz personenbezogener Daten und der Geschäftsgeheimnisse (Stichwort: Clean Desk Policy) sowie besondere Bedürfnisse einzelner Mitarbeiter sollten bei solchen Konzepten berücksichtigt werden.

Crowdworking

Crowdworking darf bei der Auflistung neuer Arbeitsmodelle ebenfalls nicht fehlen. Crowdworker erhalten ihre Aufträge meist über eine Internetplattform eines Crowdsourcers. Beim Crowdworking handelt es sich daher um eine Art des digitalen Outsourcings, dessen Vorteil insbesondere darin liegt, dass die Arbeit von einer ganzen Gruppe (Crowd) erledigt wird, wodurch Unternehmen im Falle von Personalausfällen flexibler reagieren können. Dabei agieren die Crowdworker oft selbstständig und nicht ortsgebunden. Gleichwohl ist für jeden Crowdworker im Einzelfall zu prüfen, ob dieser rechtlich als Selbstständiger (Freelancer) oder Arbeitnehmer anzusehen ist. Ein wesentliches Kriterium ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ob die jeweiligen Crowdworker – unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und ihre Arbeitszeit bestimmen können.

Jobsharing

Mehr Flexibilität bei der Einteilung der Arbeitszeit soll das sogenannte Jobsharing bieten. Hierbei wird ein Arbeitsplatz durch zwei oder mehrere Arbeitnehmer besetzt. Das Jobsharing ist in § 13 Teilzeit und Befristungsgesetz geregelt. Eine beliebte Variante ist das Jobsplitting, bei dem der Vollzeitarbeitsplatz in zwei oder mehrere Teile aufgespalten und an mehrere Beschäftigte vergeben wird. Während der Arbeitgeber insoweit alle Einzelheiten mit den jeweiligen Beschäftigten separat vertraglich regelt, erfolgt beim Jobpairing lediglich die Auswahl der Teilzeitbeschäftigten durch den Arbeitgeber. Die Lage und Verteilung der Arbeitszeit stimmen die Arbeitnehmer untereinander in einem Vertrag ab. Neben höherem Administrations, Koordinations- und Kostenaufwand pro Vollzeitstelle kann es hier zu Konflikten zwischen den betreffenden Beschäftigten kommen. Dieses Risiko kann in der Praxis durch möglichst konkrete und unmissverständliche Abbildung der gewollten Regelungen in den betreffenden Arbeitsverträgen minimiert werden.

Mehr dazu

DATEV-Fachbuch: Praxisleitfaden Homeoffice und mobiles Arbeiten, www.datev.de/shop/35476

Kompaktwissen Beratungspraxis: Homeoffice und mobiles Arbeiten, www.datev.de/shop/35759

Mandanten-Info-Broschüre: Homeoffice und mobiles Arbeiten, www.datev.de/shop/32472

Zu den Autoren

TM
Timo Meisener

Rechtsanwalt und Senior Manager bei der WTS Group am Standort in Düsseldorf

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JR
Jan Rudolph

Rechtsanwalt und Senior Manager bei der WTS Group am Standort in Düsseldorf

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