Im Falle einer beabsichtigten Kündigung sind künftig verschärfte Regelungen zu beachten, soweit Schwerbehinderte oder gleichgestellte Mitarbeiter betroffen sind.
Ziemlich versteckt kam sie daher: die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen durch den Arbeitgeber, die aufgrund des Bundesteilhabegesetzes eingeführt wurde. Dieses Gesetz, das zum größten Teil erst am 1. Januar 2018 in Kraft treten wird, bringt einige Neuerungen mit sich, die aber bereits mit Wirkung seit 30. Dezember 2016 gelten. Mit dem Gesetz wurden mehrere Maßnahmen zur Änderung des Rechts der Schwerbehindertenvertretung verabschiedet. So ist zum Beispiel die Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen nun auf Wunsch bereits ab 100 Arbeitnehmern – bisher lag der Schwellenwert bei 200 Arbeitnehmern – von ihrer Arbeitspflicht freizustellen. Außerdem kann die Vertrauensperson pro 100 schwerbehinderten Beschäftigten jeweils einen Stellvertreter heranziehen. Die Schwerbehindertenvertretung erhält nun auch einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Unterstützung durch eine Bürokraft in erforderlichem Umfang. Des Weiteren stehen der ersten Stellvertretung jetzt dieselben Fortbildungsmöglichkeiten wie der Vertrauensperson zu. Für den Alltag der Schwerbehindertenvertretung sind das zwar praktische Maßnahmen, sie sind jedoch nicht bahnbrechend.
Kündigungsschutz
Von weit größerer Bedeutung für das Schwerbehindertenrecht ist die neu eingeführte Regelung in § 95 II 3 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX). Wird die Schwerbehindertenvertretung bei der Kündigung eines schwerbehinderten beziehungsweise gleichgestellten Mitarbeiters nicht oder nicht ordnungsgemäß beteiligt, ist die Kündigung schlicht unwirksam. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber dem Beteiligungsanspruch der Schwerbehindertenvertretung mehr Gewicht geben. Zwar ist der Arbeitgeber bisher bereits auch verpflichtet gewesen, die Schwerbehindertenvertretung bei allen Maßnahmen, die einen schwerbehinderten Arbeitnehmer betrafen – folglich auch bei einer bevorstehenden Kündigung des Arbeitsverhältnisses – zu beteiligen. Geschah dies nicht oder nicht ordnungsgemäß, blieb das jedoch ohne Folgen. Die Wirksamkeit der Kündigung wurde durch die unterlassene Beteiligung nicht tangiert. Das ist nun anders. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist seit 30. Dezember 2016 unwirksam, wenn sie ohne vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erfolgte. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass die Schwerbehindertenvertretung bei jeder Kündigung zu beteiligen ist, also auch dann, wenn diese nach § 90 SGB IX nicht der Zustimmung des Integrationsamts bedarf.
Die Neuregelung hat daher in der täglichen Praxis vor allem Auswirkungen für Arbeitnehmer, die sich noch in der sechsmonatigen Wartezeit des § 90 SGB IX befinden – und folglich noch keinen Sonderkündigungsschutz genießen. Um der gesetzlichen Pflicht nachzukommen, muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich und umfassend über die Kündigungsabsicht unterrichten und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Eine Anhörung, die nach Inhalt und Umfang der Anhörungspflicht gegenüber dem Betriebsrat genügt, entspricht auch den Anforderungen der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung.
Beteiligungserfordernis entbehrlich
Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen das Beteiligungserfordernis entfällt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Schwerbehinderung nicht kannte, diese nicht offensichtlich war und der Arbeitnehmer ihm die Schwerbehinderung auch nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt hat. Ebenso entfällt die Beteiligungspflicht, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter nach Ablauf von sechs Monaten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit nach § 90 SGB IX) gefragt hat, ob der Arbeitnehmer schwerbehindert ist, und dieser die Frage wahrheitswidrig verneinte. Liegt zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch kein Anerkennungs- oder Gleichstellungsbescheid vor, bedarf es der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ebenfalls nicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft offensichtlich war oder der Arbeitnehmer wenigstens drei Wochen vor Zugang der Kündigung einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat, dem später rückwirkend entsprochen wird.
Durchführung des Anhörungsverfahrens
Der Arbeitgeber hat das Anhörungsverfahren nach § 95 II SGB IX vor Einreichung des Zustimmungsantrags beim Integrationsamt durchzuführen. Stellt der Arbeitgeber den Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamt, ohne dass eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung erfolgt ist, hat das Integrationsamt den Antrag zurückzuweisen. Existiert ein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber auch dessen Beteiligungsrechte beachten. Die Reihenfolge dabei ist beliebig. Der Arbeitgeber kann Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung nacheinander anhören, eine Rangordnung gibt es nicht. Er kann beide jedoch auch parallel zueinander anhören.
Fristen bleiben unklar
Die Neuregelung klärt leider nicht, welche Fristen für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu beachten sind.
Die Neuregelung klärt leider nicht, welche Fristen für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu beachten sind. Der Gesetzgeber hat diese Frage offengelassen. Daher ist in Analogie zur Anhörungspflicht nach § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vorzugehen. Das Anhörungsrecht der Schwerbehindertenvertretung bei einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung endet damit innerhalb einer Woche nach Zugang der Unterrichtung. Plant der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung, so hat die Schwerbehindertenvertretung sich unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen zu äußern.
Ausblick
Im Ergebnis sieht das angepasste Schwerbehindertenrecht jetzt mehr Rechte für die Schwerbehindertenvertretung sowie neue Vorgaben für die Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Mitarbeiters vor, was insgesamt zu begrüßen ist.
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