Das Super­ver­mächtnis - 24. November 2016

Anders vererben

Trotz zum Teil kritischer An­mer­kungen ist ein spe­zielles erb­recht­liches Ge­stal­tungs­modell bestens ge­eig­net, den De­fi­zi­ten des Berliner Testa­ments wirkungs­voll zu begegnen.

Seit Langem ist es für Eheleute mit gemeinsamen Kindern ein Anliegen, im Todesfall den überlebenden Ehegatten testamentarisch abzusichern. Das geschieht regelmäßig in der Weise, dass sich die Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, dem sogenannten Berliner Testament. Die Beliebtheit dieser Testamentsform ist ungebrochen. Allerdings hat diese Gestaltungsvariante zwei Schwachstellen. Zum einen können Pflichtteilsansprüche die geplante Absicherung des überlebenden Ehegatten bedrohen. Zum anderen bleiben bei der Erbschaftsteuer bestehende Freibeträge ungenutzt.

Pflichtteilsansprüche und steuerliche Freibeträge

Kinder, die enterbt sind, können vom überlebenden Ehegatten ihren Pflichtteil verlangen. Er besteht in einem Geldanspruch, der sich gegen den überlebenden Elternteil richtet. Der Betrag orientiert sich am Wert des gesetzlichen Erbteils. Davon kann das enterbte Kind die Hälfte verlangen – und zwar sofort. Ist es dem überlebenden Ehegatten nicht möglich, den Abkömmling auszuzahlen, müssen gegebenenfalls Nachlassgegenstände verwertet werden, nicht selten sogar das selbst bewohnte Familienheim. Damit ist die Absicherung des überlebenden Ehegatten zumindest gefährdet, wenn nicht sogar gescheitert.
Jedem Abkömmling steht nach dem Tod eines Elternteils ein Freibetrag von derzeit 400.000 Euro zu. Wird der überlebende Ehegatte Alleinerbe, verfallen diese Freibeträge. Das kann zu steuer­lichen Nachteilen führen, wenn der Nachlass mehr wert ist als der steuerliche Freibetrag des überlebenden Ehegatten (derzeit 500.000 Euro). In diesem Fall würde Erbschaftsteuer anfallen, die man bei besserer Aufteilung hätte vermeiden können. Zudem wird das Vermögen des erst­ver­ster­benden Elternteils zwei Mal versteuert. Zunächst beim Erwerb des überlebenden Ehegatten und – nach dessen Tod – beim Erwerb durch die Abkömmlinge. Und beim zweiten Erbgang enthält der Nach­lass des Letzt­ver­ster­ben­den auch das Vermögen des vorverstorbenen Ehegatten. Auch deshalb könnte es zu einer Überschreitung des Freibetrags kommen.

Problemlösung

Den voranstehend skizzierten Nachteilen kann man mit einem Instrument begegnen, das viel zu selten genutzt wird: dem sogenannten Supervermächtnis. Es ist geeignet, Kinder von der Gel­tend­machung des Pflichtteils abzuhalten sowie Freibeträge auszuschöpfen, die sonst ungenutzt verfallen würden. Zwar muss der Erblasser im Testament grundsätzlich selbst bestimmen, wer wann was aus dem Nachlass erhält. Er kann diese Auswahl nicht Dritten, etwa dem überlebenden Ehegatten, überlassen (§ 2065 Abs. 2 BGB). Dieser Zwang kann überfordern und zu einer ungerechten Verteilung führen, speziell dann, wenn nicht vorherzusehen ist, wer sich um den Nachlass verdient macht, welcher Abkömmling sich beispielsweise um die Eltern kümmert, sie pflegt oder im Betrieb beziehungsweise in der Gesellschaft mitarbeitet. Beim Vermächtnis lockert das Gesetz das Prinzip, für den Erbfall höchstpersönlich den Begünstigten bestimmen zu müssen, erheblich. Sind mehrere Kinder vorhanden, kann es dem überlebenden Elternteil überlassen werden,

  • wer überhaupt etwas erhält (§ 2151 Abs. 1 BGB),
  • welchen Anteil er von einem bestimmten Gegenstand, zum Beispiel einem Grundstück, erhält (§ 2153 Abs. 1 BGB),
  • wer welchen Gegenstand aus dem Nachlass erhält (§ 2154 Abs. 1 BGB) und
  • wann das Vermächtnis erfüllt wird (§ 2181 BGB).

Der Erblasser kann sich darauf beschränken, lediglich den Zweck des Vermächtnisses (zum Beispiel Studium, Ausbildung, Belohnung für Pflege und Versorgung) anzugeben und damit Auswahl und Höhe nach billigem Ermessen dem überlebenden Ehegatten zu überlassen.

Formulierungsvorschlag 1

Nimmt der überlebende Ehegatte die Erbschaft an und wird er zum Alleinerben, so erhalten die gemeinschaftlichen Kinder, ersatzweise deren Abkömmlinge, vom erstversterbenden Ehegatten ein Vermächtnis im Sinne von § 2156 BGB zum Zwecke der ganzen oder teilweisen Ausnutzung ihrer Erbschaftsteuerfreibeträge. Der überlebende Ehegatte kann dabei bestimmen:

  1.  den Gegenstand, die Bedingungen und den Zeitpunkt der Leistungen, § 2156 BGB,
  2.  dies im Rahmen von §§ 2156 Satz 2, 315 BGB, insbesondere auch unter Berücksichtigung seines eigenen Versorgungsinteresses,
  3.  die Zeit der Erfüllung, § 2181 BGB,
  4.  diejenigen, die aus dem Kreis der Obengenannten das Vermächtnis erhalten sollen, § 2151 BGB, sowie
  5.  deren Anteile am Vermächtnis, § 2153 BGB.

Pflichtteilsvorsorge

Ist das Vermächtnis so gestaltet, dass ein Abkömmling die realistische Möglichkeit sieht, deutlich mehr als den Pflichtteil zu erhalten, ist das Supervermächtnis die geeignete Gestaltung, das Kind davon abzuhalten, den Pflichtteil zu verlangen. Das Supervermächtnis wirkt auch weniger einschneidend als die Pflichtteilsstrafklausel. Die Einzelheiten richten sich nach den persönlichen Verhältnissen, auf die das Testament zugeschnitten sein muss.

Nutzung der Freibeträge

Das Vermächtnis stellt einen Erwerb vom Erblasser, also dem erstversterbenden Elternteil, dar. Anders als beim Berliner Testament erhalten die Kinder etwas aus dem Nachlass des zunächst versterbenden Elternteils. Damit kann der Freibetrag genutzt werden. Durch die Gestaltung des Supervermächtnisses hat es der überlebende Ehegatte sogar in der Hand, wann und in welcher Höhe der Freibetrag genutzt wird. Das Vermächtnis kann dabei helfen, die steuerliche Situation optimal zu gestalten, und verhindert den Anfall einer vermeidbaren Steuerbelastung.

Flexible Reaktion auf künftige Entwicklungen

Schließlich hilft das Supervermächtnis dabei, angemessen auf künftige Entwicklungen reagieren zu können. Der überlebende Elternteil kann seine Entscheidung, wer wann was bekommt, von diesen Entwicklungen abhängig machen. Zu denken ist etwa an die Behebung einer finanziellen Notlage, in die ein Abkömmling unverschuldet geraten ist. Das Zweckvermächtnis kann allerdings auch Ansporn zu Wohlverhalten sein, um sich das Vermächtnis zu verdienen. Mit dem Ge­stal­tungs­modell des Supervermächtnisses kann der überlebende Ehegatte also auf Situationen, Notwendigkeiten und Entwicklungen reagieren, die bei der Testamentserrichtung noch nicht vorhersehbar waren.

Dogmatische Einordnung

Das auf Schmidt (BWNotZ 1998, S. 97, 101) zurückgehende Gestaltungsmodell des sogenannten Supervermächtnisses basiert unter anderem darauf, dass der überlebende Ehegatte zugleich als Bestimmungsberechtigter und als Beschwerter des Vermächtnisses eingesetzt wird (jeweils mit Formulierungsbeispiel: Nieder/Kössinger, Hdb. der Testamentsgestaltung, 3. Aufl., 2008, § 3 Rn. 56 und § 6 Rn. 209; S. Schmidt, BWNotZ 1998, S. 97, 101; Langenfeld, JuS 2002, S. 351, 353; Kössinger, in: Brambring/Mutter, Beck’sches Formularhandbuch Erbrecht, 2. Aufl., 2009, C V 10; jurisPK/ Reymann, BGB, 4. Aufl., 2008, § 2151 Rn. 25). Da der überlebende Ehegatte nicht nur Gegenstand, Höhe, Bedingungen sowie Leistungszeitpunkt der an die Kinder zu erbringenden Leistungen festlegen, sondern auch die jeweiligen Vermächtnisnehmer aus dem Kreis der Abkömmlinge auswählen kann, handelt es sich bei einem Supervermächtnis dogmatisch regelmäßig um eine Kombination des § 2156 BGB mit anderen Drittbestimmungsmöglichkeiten, wie etwa derjenigen nach § 2151 BGB (instruktiv mit tabellarischer Darstellung: AnwK/J. Mayer, BGB, 2. Aufl., 2007, § 2156 Rn. 4). Diese von der herrschenden Meinung getragene Ge­stal­tungs­variante wird letzt­endlich auch – zumindest in einem Obiter Dictum – vom BGH (NJW 1983, 277) bestätigt, in dem dort als Zweck für ein solches Vermächtnis die „Abfindung vom elterlichen Vermögen“ als „hinreichend bestimmt“ akzeptiert wird. Schmidt als Erfinder des Supervermächtnisses hält darüber hinaus auch die Zweckbestimmung (zur Ausnutzung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge) für ausreichend bestimmt.

Formulierungsvorschlag 2

Wer im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit des Vermächtniszwecks (§ 2156 BGB) noch sicherheitsbewusst nachlegen möchte, dem sei noch der nachfolgende Formulierungsvorschlag empfohlen: Zweck des Vermächtnisses (§ 2156 BGB) ist es (auf der Grundlage von Wälzholz, 3. Jahresarbeitstagung des Notariats, 2005, DAI-Skript, S. 390 f., dieser wiederum nach Vorschlag Kornexl.), a) allen oder einzelnen Vermächtnisnehmern eine Abfindung dafür zu gewähren, dass sie beim ersten Erbfall lediglich Ersatzerben sind, b) eine möglichst gerechte und wirtschaftlich sinnvolle Vermögensverteilung zu erreichen und c) dem Längerlebenden und den Bedachten das Ausnutzen der erbschaftsteuerlichen Freibeträge zu ermöglichen.

Kritische Stimmen und Anmerkungen

Teilweise wird in der Literatur (Kanzleiter in FS für Brambring, 2011, S. 225, 226) vertreten, dass solche Vermächtniszwecke dem Erben, der mit dem Ver­mächt­nis belastet ist, einen zu großen Spielraum im Rahmen des billigen Ermessens einräumen. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber über die Größe eines solchen Spielraums gerade keine konkreten Vorgaben macht. Für eine zu enge Auslegung des Gesetzes besteht nach hier ver­tre­te­ner Ansicht keine Veranlassung. Der Ver­mächt­nis­nehmer ist nach der gesetzlichen Struktur auch hinreichend geschützt. Denn regel­mäßig sind es die Ab­kömm­linge des erst­ver­ster­ben­den Ehegatten, deren erb­schaft­steuer­liche Freibeträge durch die Ver­mächt­nis­an­ord­nung genutzt werden sollen. Denen bleibt es jedoch un­be­nommen, das für sie im Rahmen billigen Ermessens definierte Vermächtnis gemäß § 2307 BGB auszuschlagen und ihren Pflicht­teil zu ver­lan­gen. Ohne einen wirksam vereinbarten Pflichtteilsverzicht wäre die Pflicht­teils­gel­tend­machung beim klassischen Berliner Testament ohnehin nicht vermeidbar. Teilweise wird ein­ge­wendet, das Supervermächtnis ermögliche es sogar, einem Abkömmling gar nichts zu geben. Das ist zutreffend. Die Ursache hierfür ist aber nicht die zu vage Zweckangabe im Sinne des § 2156 BGB, sondern die zulässige Kombination mit einem Bestimmungsvermächtnis nach § 2151 BGB (vgl. Keim, ZEV 2016, S. 6). Aber selbst wenn man ein Supervermächtnis tatsächlich für unwirksam erachten würde, wäre es erbschaftsteuerlich gleichwohl beachtlich, sofern es entsprechend seiner Anordnung tatsächlich erfüllt wird (BFH vom 22.09.2010, Az. II R 46/09; BFH vom 28.03.2007, Az. II R 25/05).
Allerdings kann, worauf Keim (ZEV 2016, S. 6) zutreffend hinweist, jeder Beteiligte dem Be­stim­mungs­be­rech­tig­ten gemäß § 2151 Abs. 3 BGB eine Frist zur Abgabe seiner Be­stim­mungs­er­klä­rung setzen. Wird die Erklärung nicht innerhalb dieser Frist vorgenommen, werden die Bedachten Gesamtgläubiger. Das beeinträchtigt natürlich das Ziel des Super­ver­mächt­nisses, dem über­leben­den Ehepartner gegenüber seinen Kindern einen möglichst großen, auch zeitlichen Spiel­raum zu geben, um seine Entscheidung über das Vermächtnis und seine Erfüllung herbeizuführen.

Um die Position des bestimmungsberechtigten Beschwerten zu stärken, kommen zwei zusätzliche Anordnungen in Betracht:

  1. Eine gerichtliche Festsetzung ist nicht zulässig, solange eine etwaige vom Erblasser selbst gesetzte Frist zur Bestimmung des Bedachten nicht abgelaufen ist, sodass eine solche Bestimmung im Testament denkbar ist.
  2. Außerdem wird empfohlen, die Beteiligten von der Antragstellung dadurch abzuschrecken, dass derjenige vom Vermächtnis ausgeschlossen wird, der einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellt.

Fazit

Das Supervermächtnis ist eine sinnvolle Ergänzung des Berliner Testaments und zudem geeignet, die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer zu nutzen. Ehegatten sind gut beraten, dieses Steuer­ge­stal­tungs­modell zu verwenden, da es die Nachteile relativiert, die mit dem starren Ehe­gat­ten­testa­ment verbunden sind. Nach hier vertretener Ansicht stehen diesem Ge­stal­tungs­ins­tru­ment keine tragenden Gründe entgegen.

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Die Nachfolgeregelungen ge­stalten und die Konse­quen­zen be­rück­sich­ti­gen, dabei unter­stützt Sie DATEV ERBEX-Ver­mö­gens­nach­folge­ge­stal­tung, Art.-Nr. 94603. Be­son­ders zum Ber­liner Testa­ment und mög­lichen Alter­na­tiven. Das Pro­gramm ent­hält einen Praxis­fall mit Fall­be­schrei­bung, den man sich als Muster­fall im Pro­gramm ein­spielen kann, um die ein­zel­nen Pro­gramm­schritte nach­voll­ziehen zu können.

Siehe Demo: Simulation steuer­licher Aus­wir­kun­gen bei der Schen­kung eines Be­triebes und Info-Daten­bank-Dokument ERBEX: Mit Praxis­fällen und Ge­stal­tungs­mög­lich­keiten arbeiten (Dok.-Nr. 1071094) oder:

Erste Schritte im Programm ERBEX Ver­mö­gens­nach­folge­ge­stal­tung (Dok.-Nr. 0904127).

Zu den Autoren

Holger Siebert

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht sowie Fachanwalt für Steuerrecht in Alsfeld

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Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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