Die EU-Erbrechtsverordnung beabsichtigt nicht, gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklauseln zu regeln. Gleichwohl aber kann sie in bestimmten Konstellationen ungewollte Folgewirkungen auslösen.
Die Rechtsfolgen hinsichtlich der Anteile verstorbener Gesellschafter ergeben sich üblicherweise aus der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Lit. g EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) werden derartige Rechtsfolgen nicht von der Verordnung geregelt (siehe Döbereiner, MittBayNot, 2013, S. 358, 360; siehe ausführlich zu diesem Themenbereich Leitzen, ZEV, 2012, S. 520 ff.). Daraus lässt sich lediglich entnehmen, dass die EuErbVO nicht selbst in gesellschaftsvertragliche Regelungsmechanismen eingreifen möchte. Gleichwohl stellt sich die Frage, inwieweit die Verordnung mittelbare Auswirkungen auf die Vererbung von Gesellschaftsanteilen hat.
Sicher ist, dass das sogenannte Gesellschaftsstatut sich nicht durch die EuErbVO ändert. Die Auswirkungen und das Zusammenspiel von Erbrecht, EuErbVO und Gesellschaftsrecht werden deutlich an den nachfolgenden Beispielen.
Ausgangsfall
Der Gesellschafter G ist deutscher Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich. Er ist an einer deutschen Kommanditgesellschaft als Kommanditist beteiligt. Wert des Gesellschaftsanteils sind zehn Millionen Euro. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist der Gesellschaftsanteil nicht vererblich (sogenannte Fortsetzungsklausel). Bis die EuErbVO ihre vollständigen Wirkungen entfaltet, unterliegt der Erbfall noch deutschem Recht, danach französischem Erbrecht. Die Gesellschaft selbst unterliegt dem deutschen Gesellschaftsrecht (Gesellschaftsstatut). Das Gesellschaftsrecht gibt vor, ob ein Gesellschaftsanteil vererblich ist oder nicht. Da der Anteil hier laut Gesellschaftsvertrag nicht vererblich ist, fällt er auch nicht in den Nachlass. Erbrechtliche Folgefragen stellen sich also nicht.
Fallvariante 1
Es sei unterstellt, dass G für seinen Todesfall ausschließlich nachfolgeberechtigte Abkömmlinge zu Erben einsetzt. Der Gesellschaftsanteil fällt dann grundsätzlich in den Nachlass und kann vererbt werden.
Laut Gesellschaftsvertrag ist der Gesellschaftsanteil a) frei vererblich (einfache Nachfolgeklausel) und b) nur zugunsten von Abkömmlingen vererblich (qualifizierte Nachfolgeklausel). In den Varianten a) und b) – einfache und qualifizierte Nachfolgeklausel – ist der Gesellschaftsanteil vererblich. Nach aktueller Rechtslage ist noch deutsches Erbrecht maßgeblich, ab 17. August 2015 französisches Erbrecht. Die Art und Weise des Erwerbs richtet sich also nach nationalem Erbrecht.
Dabei gibt das deutsche Gesellschaftsrecht vor, dass eine deutsche Erbengemeinschaft nicht Gesellschafterin einer KG sein kann. Daher teilt sich der Gesellschaftsanteil an der KG im Todesfall im Wege der automatisch wirkenden Erbauseinandersetzung zwischen mehreren Erben. Für deutsches Erbrecht ist das bereits entschieden.
Sobald die EuErbVO ihre vollständige Wirkung entfaltet, stellt sich die Frage, ob es auch einer französischen Erbengemeinschaft untersagt wäre, einen Gesellschaftsanteil zu erwerben. Insoweit wird dann zu
klären sein, ob es auch einen zwingenden Konflikt zwischen der jeweiligen ausländischen Erbengemeinschaft und dem deutschen Gesellschaftsrecht gibt. Hierfür ist bisher keine Rechtsprechung ersichtlich. Diese Frage ist für das jeweilige ausländische Erbrecht je nach Ausgestaltung der Erbengemeinschaft zu beurteilen.
Erhält ein Erbe durch die qualifizierte Nachfolgeklausel mehr, als ihm erbrechtlich zusteht, so muss er eine Ausgleichszahlung an seine Miterben leisten (BGH vom 10.02.1977, II ZR 120/75, BGHZ 68, 225, 238; Landsittel in Beck‘sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl., 2014, § 9, Rz. 77). Auslöser hierfür ist die gesellschaftsvertragliche Klausel, der Rechtsgrund jedoch liegt im deutschen Recht der Erbengemeinschaft. In Zukunft wird diese Frage dann nach französischem Erbrecht zu klären sein.
Fallvariante 2
Wie wäre der Fall zu behandeln, wenn es sich um eine GmbH oder Aktiengesellschaft (AG) handeln würde? Sofern es sich um eine GmbH beziehungsweise um Aktien einer AG handelt, sind die oben skizzierten Probleme nicht so gravierend, weil der GmbH-Geschäftsanteil und die Aktie stets vererblich sind und in die Erbengemeinschaft fallen.
Anschließend kann lediglich ein Zwangsabtretungs- oder Einziehungsverfahren durchgeführt werden, das sich stets nach dem Gesellschaftsstatut, also bei einer deutschen GmbH oder AG nach deutschem Gesellschaftsrecht, richtet.
Fazit
Die voranstehenden Sachverhaltskonstellationen zeigen, dass die EU-Erbrechtsverordnung, obwohl sie gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklauseln nicht erfassen möchte, gleichwohl Folgewirkungen haben wird. Je nach ausländischem anwendbaren Erbrecht kann es zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, die hinsichtlich ihrer rechtlichen Konsequenzen heute noch nicht abschließend sicher beurteilt werden können.