Für Mandanten in der Krise ist eine Unterstützung durch spezialisierte Berater unabdingbar. Die Experten sollten aber auch sämtliche Verfahrensmöglichkeiten kennen beziehungsweise in Betracht ziehen.
Die Reform der Insolvenzordnung im Bereich der sogenannten Privatinsolvenzen (Verbraucherinsolvenzverfahren) Anfang Juli 2014 hat viele Änderungen und Ergänzungen mit sich gebracht.
Wesentliche Verfahrensmöglichkeiten sind jedoch erhalten geblieben. Die praktische Erfahrung zeigt aber, dass die bestehenden und neuen Möglichkeiten von vielen mit dem Verfahren betrauten Anwälten und Beratern nicht ausreichend genutzt werden.
Häufig kennen die Mandanten diese Möglichkeiten ebenfalls nicht und können daher auch nicht auf eine Umsetzung drängen. Hinzu kommt, dass die Verfahrensmöglichkeiten mit einem höheren Aufwand verbunden sind, deren Durchführung daher letztlich teurer ist. Steht am Ende aber eine Entschuldung ohne Einleitung des Privatinsolvenzverfahrens, so zahlt sich der höhere Preis bei der Durchführung in jedem Fall aus.
Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan
Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan ist die erste Chance, eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen.
Zunächst ist immer zu prüfen, ob ein Privatinsolvenzverfahren, ein sogenanntes IK-Verfahren (IK ist das Aktenkennzeichen beim Insolvenzgericht) oder doch ein reguläres Firmeninsolvenzverfahren, ein sogenanntes IN-Verfahren durchzuführen ist. Auch wenn das Privatinsolvenzverfahren obligatorisch nur die außergerichtliche Schuldenbereinigung vorsieht, kann sich – je nach Schuldenstand, Gläubigerstruktur und -anzahl – auch im regulären Firmeninsolvenzverfahren ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan mit Einbezug aller Gläubiger als sinnvoll erweisen. Häufig wird diese Möglichkeit von Anwälten, die im Insolvenzrecht spezialisiert sind, nicht vorgeschlagen. Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan ist die erste Chance, eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen. Das gilt auch für das Privatinsolvenzverfahren. Dabei müssen alle Gläubiger zustimmen. Eine Lösung mit einem realistischen Vorschlag sollte deshalb von Anfang an angestrebt werden. Von vielen Beratern und Rechtsanwälten wird der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan aber nur als ein vom Gesetzgeber gefordertes lästiges Übel angesehen. Sie schicken allen Gläubigern einen sogenannten Nullvergleich, bieten also keinen Vergleichsbetrag an und provozieren damit eine erste Ablehnung, um danach direkt mit dem Insolvenzantrag weiterzumachen. Das genau aber hat der Gesetzgeber eigentlich nicht bezweckt. Klar – wenn keine nennenswerten Vermögenswerte angeboten werden können, auch nicht von dritter Seite, also aus der Familie oder über Freunde, bleibt häufig nur der schnelle Weg in die Restschuldbefreiung nach drei, fünf oder sechs Jahren. Denn durch den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan müssen alle Gläubiger überzeugt werden, die rein subjektive Ablehnung sollte also einkalkuliert werden. Denn Gläubiger, die schon häufiger vertröstet worden sind, glauben nicht mehr an eine Chance.
Vorsicht ist zudem deshalb geboten, weil einzelne Gläubiger die Zeit der außergerichtlichen Schuldenbereinigung nutzen könnten, um Zwangsvollstreckungen durchzuführen und dadurch vielleicht sogar den außergerichtlichen Plan durchkreuzen.
Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
Sollte die außergerichtliche Schuldenbereinigung scheitern, aber dennoch eine Zustimmung von mehr als 50 Prozent nach Anzahl und Quote erreicht werden, ist bei Privatinsolvenzen das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren sinnvoll. Dabei handelt es sich quasi um den obligatorischen gerichtlichen Insolvenzplan. Dieser Verfahrensmöglichkeit werden fälschlicherweise von nicht wenigen Anwälten und Beratern viel zu wenig Chancen eingeräumt, obwohl es eigentlich genau anders sein müsste. Sofern das zuvor durchgeführte außergerichtliche Verfahren ergeben hat, dass eine Mehrzahl der Gläubiger nach Anzahl und Quote ihrer Forderungen dem Plan zustimmen, wird bei diesem Verfahren von Gerichts wegen nochmals bei allen Gläubigern abgefragt, ob dem Plan zugestimmt werden kann. Sofern sich dann eine Mehrheit von über 50 Prozent herausbildet, die dem Plan zustimmen, kann der Schuldner beziehungsweise sein Anwalt oder auch ein zustimmender Gläubiger den Antrag stellen, die Zustimmung der restlichen Gläubiger durch einen Gerichtsbeschluss ersetzen zu lassen.
Gerichtsbeschluss
Dabei gilt im Unterschied zum außergerichtlichen Verfahren: Meldet sich ein Gläubiger nicht auf das gerichtliche Schreiben, mit dem die Zustimmung erstmals abgefragt wird, so gilt dies als Zustimmung zum Plan. Es müssen also Gläubiger konkret ablehnen. Die große schweigende Masse stimmt also zu – ein Riesenvorteil. Der die Zustimmung ersetzende Gerichtsbeschluss bewirkt, dass der Schuldner sofort von einem Großteil seiner Schulden frei wird: Er schuldet nur noch die Erfüllung aus dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan. Auch wenn er diesen sodann nicht erfüllen würde, könnten die Gläubiger nicht mehr den ursprünglichen Betrag fordern, er hat also die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs. Insoweit ist das Gericht natürlich auch gefordert, die Durchführbarkeit des Plans zu überprüfen. Quoten liegen hierbei häufig zwischen 10 und 25 Prozent und damit weit über den Insolvenzquoten von unter 5 Prozent. Sie können aber theoretisch auch darunter liegen. Manchmal ergibt sich zum Beispiel, dass ein wesentlicher Gläubiger zustimmen würde und somit leicht die Hürde von 50 Prozent der Schulden überschritten wird. Sodann gilt es nur noch, die Hürde von 50 Prozent Zustimmung der Anzahl der Gläubiger nach zu überschreiten.
Übergang zum Insolvenzverfahren
Scheitern beide Schuldenbereinigungsverfahren, so geht das Verfahren direkt in das Insolvenzverfahren über. Ein Insolvenzverwalter wird bestellt, Vermögenswerte werden zusammengetragen, das Verfahren eröffnet. Hier gilt es nun, die besonderen Beendigungsmöglichkeiten zu kennen und auszunutzen. Werden nämlich mindestens die Verfahrenskosten gedeckt, verkürzt sich die Wohlverhaltensperiode bereits auf fünf Jahre. Werden 35 Prozent oder mehr als Quote erreicht, so kann bereits nach drei Jahren die Restschuldbefreiung erteilt werden. Durch das Insolvenzplanverfahren, das erstmalig seit 2014 auch bei Privatinsolvenzverfahren möglich ist, ist eine sofortige Entschuldung ebenfalls möglich. Allerdings hat sich dieses Instrument dort bisher nicht durchgesetzt. Diese neue Regelung in der Insolvenzordnung zeigt, dass auch im bereits laufenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit geprüft werden sollte, durch Einigung mit den Gläubigern das Verfahren vorzeitig zu beenden. Die Gläubiger haben das Verfahren weiterhin in der Hand, ein Vergleich kann jederzeit geschlossen werden. Stimmen sie auch jetzt einer Schuldenbereinigung zu, so müssen nur noch die Kosten des Verfahrens gedeckt werden.
Fazit
Alle diese Verfahrensmöglichkeiten sollten aufgezeigt werden. Häufig ist nämlich noch so viel Vermögen in der Familie beziehungsweise bei dritter Seite vorhanden, um den Weg zur Entschuldung ohne Insolvenz zu beschreiten. Diese Chance sollte genutzt werden. Den Gläubigern ist ebenfalls geholfen, da der Schuldenbereinigungsplan meist ein besseres Ergebnis bringt, als wenn die Insolvenzzeit untätig verstreicht.