Der Betrüger Charles Ponzi - 24. September 2020

Ponzis Masche

Finanzbetrug ist mindestens so alt wie das Geld selbst. Doch was Charles Ponzi zwischen 1919 und 1920 mit dem Geld Bostoner Anleger aufzog, war seinerzeit beispiellos. Er prellte 40.000 Kunden um – nach heutigen Maßstäben – über 150 Millionen US-Dollar. Seine Masche: internationale Antwortscheine.

Ohne Zweifel die spektakulärste Karriere in der Geschichte von Boston“ – so urteilte 1920 eine Zeitung über den Mann, der Tausende Amerikaner in den finanziellen Ruin stürzte. Charles Ponzi war ein Dandy, lullte die Leute mit seiner energiegeladenen Art ein und etablierte von sich das Image eines cleveren Finanzgenies. Doch seine ersten Jahre in Nordamerika entsprachen diesem Mythos nicht einmal annähernd. Als der 21-jährige Ponzi 1903 aus Italien in die USA einwanderte, kam er mit lediglich 2,50 Dollar in New York an – das behauptete er zumindest von sich. Nach Gelegenheitsjobs und kleineren Gaunereien nahm er eine Anstellung in einer kanadischen Bank an, wo er Scheckbetrug beging und im Gefängnis landete. Nach seiner Entlassung wurde er erneut verhaftet – dieses Mal wegen Menschenschmuggels. Es folgten weitere Jahre hinter schwedischen Gardinen. Erst 1918 wurde Ponzi in Boston sesshaft.

Als er ein Jahr später einen Brief aus Spanien mit beigelegtem Antwortschein erhielt, kam er auf eine Idee. 1903 war auf einer internationalen Postkonferenz in Rom beschlossen worden, dass der Absender eines Briefs ins Ausland einen von ihm bereits beglichenen Antwortschein beilegen kann. Der Empfänger konnte somit eine Antwort schicken, ohne selbst das Porto zahlen zu müssen. Da europäische Währungen nach dem Ersten Weltkrieg eine deutliche Abwertung gegenüber dem US-Dollar erfuhren, ergab sich für Ponzi hier Betrugspotenzial. Die Scheine wurden im Land des Einkaufs bewertet, im Empfängerland konnte man sie wieder in Briefmarken wechseln. Ponzi heuerte Mitarbeiter an, die für ihn in Europa günstig Antwortscheine erwarben, die er dann in den USA in heimische Briefmarken und schließlich in Geld umtauschte. So kostete ein Antwortschein in Spanien damals umgerechnet einen Cent, doch ließ er sich in den Staaten in eine Sechs-Cent-Briefmarke umtauschen. Die umgetauschten Briefmarken wiederum in Bares zu verwandeln, war schlicht illegal – was er geflissentlich verschwieg.

Um dieses Tauschgeschäft mit Antwortscheinen im großen Stil durchführen zu können, war Kapital notwendig. Daher gründete Ponzi die Foreign Exchange Company und suchte nach Investoren. Erste Anleger köderte er mit dem Versprechen, ihnen in 45 Tagen ihr Geld plus satten 50 Prozent Zinsen zurückzuzahlen. Die Länge dieser Zeitspanne erklärte er einer Zeitung gegenüber so: Das Geld der Anleger konvertiere er zum Beispiel in italienische Lire, mit denen seine europäischen Mitarbeiter Antwortscheine kauften. Diese würden anschließend durch verschiedene Länder gehandelt werden. Bis ihr Geldwert wieder in den USA sei, dauere es eben 45 Tage. Wie Ponzi konkret Antwortscheine zu Geld machte, galt als Betriebsgeheimnis. Doch tatsächlich bekamen die Anleger eine immense Rendite. Die Menschen waren begeistert, ihr Geld in kurzer Zeit verdoppelt. Zeitungen nannten ihn den „Finanzzauberer“, durch Mundpropaganda baute sich sein Kundenstock quasi von selbst auf. Vor seinem Büro in Boston standen die Menschen Schlange, bereit, ihr gesamtes Erspartes dem charismatischen Italiener zu geben.

Doch recht schnell hatte Ponzi verstanden, dass sein Geschäftsmodell in einem solchen Ausmaß nicht funktionierte. Zum Höhepunkt seiner Machenschaften hätten rund 160 Millionen Antwortscheine zirkulieren müssen, um weiterhin alle seine Anleger auszahlen zu können. Tatsächlich waren es lediglich 27.000. Also begann Ponzi, das Geld der Anleger schlicht von A nach B zu schieben, nicht ohne einen Teil in seine eigene Tasche fließen zu lassen. Er etablierte damit ein bis dahin noch nicht da gewesenes Schneeballsystem. Mit dem Geld der neuen Anleger zahlte er die alten Investoren aus und benötigte somit eine exponentiell steigende Teilnehmerzahl, damit sein System nicht kollabierte. Anders als beim klassischen Pyramidenschema war hier also der Urinvestor bekannt, die Quelle der Gewinnausschüttung aber nicht. Ponzi war somit quasi von Anfang an insolvent, sein Geschäft boomte jedoch.

Ende Juni 1920 behauptete er, an nur einem Tag 500.000 Dollar einzunehmen und 200.000 Dollar auszuzahlen. Einen Teil des Gelds gab er in eine Bank, in die er sich selbst als Direktor einkaufte. Den Rest hortete er bei sich im Büro, um zu verschleiern, dass er so gut wie keine Antwortscheine erwarb. Doch es kam, wie es kommen musste. In der Boston Post erschien ein Artikel, der Zweifel an Ponzis Geschäften äußerte. Daraufhin verlangte ein Kunde erstmals die Auszahlung, doch Ponzi weigerte sich, was sich wie ein Lauffeuer verbreitete. Immer mehr Leute verlangten ihr Geld zurück und vor Ponzis Bürogebäude spielten sich chaotische Szenen ab. Ende Juli 1920 begannen die Behörden, bei ihm nachzuforschen. Den Todesstoß versetzte ihm nicht die Nachricht über seine Insolvenz, sondern ein Artikel über seine vorangegangenen Betrügereien und Haftstrafen. Das Image des „Finanzzauberers“ brach zusammen. 40.000 Kunden hatte er um ihr Geld gebracht. Von den investierten zehn bis 15 Millionen US-Dollar waren lediglich 1,5 Millionen übrig geblieben. Charles Ponzi wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, von der er sich jedoch freikaufte. Nach weiteren Betrugsmaschen und Verurteilungen wurde er schließlich nach Italien abgeschoben. Ponzi starb 1949 völlig verarmt, doch sein Name überlebte: Im Englischen steht er als Synonym für das Schneeballsystem – „Ponzi scheme“.

Zu den Autoren

MF
Magdalena Fürthauer

Neumann & Kamp, Historische Projekte, München

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Neumann & Kamp Historische Projekte

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