Steuern als Kontrollinstrument - 20. November 2018

Kostspieliger Genuss

In der Frühen Neu­zeit, also etwa in der Zeit zwi­schen der Ent­deckung Ame­ri­kas durch Kolumbus und der Fran­zö­sischen Re­vo­lu­tion, ließen sich die Herr­scher Europas Vie­ler­lei ein­fallen, um die no­to­risch leeren Staats­kassen zu füllen. Einige dieser aus heutiger Sicht ku­riosen Steuern sollten nicht nur Ein­nah­men gene­rieren, sondern auch ein be­stimmtes Ve­rhalten bei den Unter­tanen sank­tio­nieren.

Die Steuer ist fast so alt wie das menschliche Zusammenleben selbst. Aus der Finanznot heraus entstand die Idee der Besteuerung schon in den Großreichen des Altertums. Steuern im heutigen Sinne wurden erst durch die Einführung der Geldwirtschaft, in Deutschland etwa seit dem Hochmittelalter, möglich. Sie brachten aber nicht nur Einnahmen, sondern stellten und stellen zugleich ein geeignetes Kontrollinstrument dar.
So führte Zar Peter I. im Jahr 1699 eine Art Aussehenssteuer ein. Da der Zar die westlichen Lebensformen in Russland imitieren beziehungsweise etablieren wollte, stieß er sich an dem religiösen Brauch der Männer, lange Bärte zu tragen. Er ließ also eine Bartsteuer erheben – nachdem er anfangs noch eigenhändig den Herren die Bärte abgeschnitten hatte. Von nun an war jeder Untertan, der einen Bart tragen wollte, dazu verpflichtet, diese Steuer zu zahlen. Die Höhe des Betrags richtete sich dabei nicht nach der Länge des Barts, sondern nach der jeweiligen sozialen Schicht des Bartträgers. Die oberste Volksschicht musste für das Tragen eines Barts jährlich 100 Rubel entrichten, Kaufleute, Höflinge und Beamte waren mit 60 Rubel dabei, alle anderen Stadtbewohner mit 30 Rubel. Bartträger waren darüber hinaus verpflichtet, ihre Steuermarke ständig bei sich zu tragen und gegebenenfalls vorzuzeigen. Wer einen Bart trug und sich nicht ausweisen konnte oder sich gar weigerte, die Steuer zu bezahlen, dem drohte die öffentliche Rasur.
Ein paar Jahrzehnte nach dem Zaren versuchte Friedrich II., König von Preußen, mit einer Kaffeesteuer auf das Konsumverhalten seiner Untertanen Einfluss zu nehmen. Das koffeinhaltige Getränk hatte ab 1683 von Wien aus einen Siegeszug angetreten. Über den damit einhergehenden Anstieg des Kaffeekonsums in der Bevölkerung waren die Landesherren allerdings nicht erfreut, da er als unfein galt. Und so sollte die Kaffeesteuer dem maßlosen Kaffeegenuss Einhalt gebieten. In seiner „Declaration“ von 1781 ordnete Friedrich II. daher an, dass Kaffee nur in öffentlichen Brandhäusern zu „brennen sei. Darüber hinaus schrieb er einen festen Verkaufspreis für Kaffee vor. Ein gesonderter Brennschein konnte gegen Bezahlung erworben werden und bevollmächtigte dessen Besitzer zum Kaffeerösten in seinen eigenen vier Wänden. Um sicherzustellen, dass auch wirklich nur Personen mit Berechtigung Kaffee rösteten, entsandte der König Kontrollbeamte, die von der Bevölkerung meist Kaffeeschnüffler genannt wurden. Denn diese mussten sich zuweilen ganz auf ihre Nase verlassen. Den heimlichen Kaffeetrinkern kamen sie etwa auf die Schliche, indem sie verdächtigen Gerüchen folgten. Zunächst waren 200 solcher Beamten im Einsatz. Zwei Jahre nach Einführung der Anordnung hatte sich die Zahl der Kaffeeschnüffler verdoppelt. Kaffee unterliegt zwar heute nach wie vor einer Besteuerung, vor umherschnuppernden Kontrollbeamten muss man sich jedoch nicht mehr fürchten.
Eine weitere Steuer, die das Konsumverhalten der Bürger lenken sollte und heute noch gültig ist, ist die Tabaksteuer. Ihr Ursprung liegt im 17. Jahrhundert. Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618–1648) begann sich der Tabakkonsum, die „Sauferei des Nebels“, in Deutschland auszubreiten. Dazu trugen die durchs Land ziehenden (rauchenden und schnupfenden) englischen, holländischen und spanischen Truppen bei. Der Bedarf stieg dementsprechend, weswegen sich Anfang des 17. Jahrhunderts auch der Tabakanbau vom Elsass aus bis nach Brandenburg ausbreitete. Der Tabakkonsum wurde allerdings bald in einigen deutschen Territorien verboten. Die Hintergründe für das Verbot waren nicht die gesundheitlichen Bedenken der weltlichen und geistlichen Regierungen. Vielmehr wurde das Rauchen als Laster erkannt. Doch das anfangs radikale Verbot verschwand, als die Regierenden den Tabak als ideales Verbrauchsgut zur Besteuerung entdeckten, zumal das Verbot nur mäßigen Erfolg zeigte. Im Jahr 1669 führte Kurbayern erstmals eine Tabaksteuer ein. Heute ist die Tabaksteuer nach der Energiesteuer die ertragreichste Verbrauchersteuer in Deutschland. In der heutigen Zeit verfolgen Steuern wie die Tabaksteuer vordergründig ein gesundheitspolitisches Ziel, auch wenn sie gleichzeitig der Staatsfinanzierung dienen. Nicht umsonst wurden alle Erhöhungen der Tabaksteuer seit 1977 mit der Finanzierung neuer Staatsaufgaben begründet. So blieben bis heute sogenannte Lenkungsteuern lukrative Finanzierungsmittel des Staats. Vielleicht wird die Tabaksteuer unseren Nachfahren in 300 Jahren ähnlich absurd erscheinen wie uns die Bartsteuer heute.

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Hacke, Constanze: Der Zehnte. Ein Streifzug durch die Steuergeschichte, in: Informationen zur politischen Bildung Nr. 288/2012, Steuern und Finanzen, München 2012, S. 1–11.

Fichte, Damian: Problematische Legitimation von Tabak- und Alkoholsteuern, in: Wirtschaftsdienst, 94. Jahrgang, 2014, Heft 1, S. 62–68.

Fetzer, Thomas/Arndt, Hans-Wolfgang: Einführung in das Steuerrecht, Heidelberg 2012.

Nadler, Michael: Der besteuerte Genuss. Tabak- und Finanzpolitik in Bayern 1669–1802, München 2008.

Sahm, Reiner: Von der Aufruhrsteuer bis zum Zehnten: Fiskalische Raffinessen aus 5000 Jahren, Wiesbaden 2018.

Sahm, Reiner: Zum Teufel mit der Steuer! 5000 Jahre Steuern. Ein langer Leidensweg der Menschheit, Wiesbaden 2018.

Wippersberg, Walter: Der Krieg gegen die Raucher. Kleine Kulturgeschichte der Rauchverbote, Wien 2010.

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Miriam Pullnig

Neumann & Kamp, Historische Projekte

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Tobias Birken

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