Die Deutschen lieben ihr Bargeld – keine hohle Phrase, denn tatsächlich: Während der Geldverkehr durch Apple Pay, Kryptowährungen, Kreditkarte und Co. weltweit zunimmt, greifen die Menschen hierzulande lieber zu Scheinen und Münzen. Für sie stellt Geld etwas Handfestes dar, etwas Materielles. Doch warum haben wir überhaupt Geld aus Papier und Metall?
Bevor es etwas Vergleichbares wie Geld gab, tauschten die Menschen Ware gegen Ware. Das war nicht immer praktisch. Es war zum Beispiel schlecht möglich, ein Rind gerecht gegen ein Huhn einzutauschen. Beständigere und vor allem besser zu bewertende Tauschobjekte wurden gefunden, wie Perlen, Steine, Schneckengehäuse oder Kakaobohnen. Der Vorteil dieses Naturalgelds: Es ließ sich zählen, lagern und gut transportieren.
Unabhängig voneinander entstand schließlich im Vorderen Orient sowie in China das Münzwesen. Diese Regionen waren Zentren früher Hochkulturen, die jeweils ausgefeilte Gewichts- und Rechensysteme für die Wertvalidierung und Gewichtung von Edelmetallen kannten. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Münzwesens, denn um einem Stück Metall einen Wert zu geben, musste man es möglichst präzise wiegen.
Bestimmte Metalle hatten sich in manchen Regionen als gängiges Tauschmittel etabliert. Im Vorderen Orient entwickelte sich seit der Bronzezeit ein reger Handel, bei dem standardisierte Gold- und Silberbarren in Umlauf waren. Ein Schritt auf dem Weg zur Münze waren die sogenannten Phthoides. Das waren kleine bohnenförmige Brocken aus Silber und Gold, die mit Markierungen versehen waren, die den Eigentümer und die Wertigkeit der Klümpchen verifizierten und damit den Handel erleichtern sollten.
Kleine, bohnenförmige Brocken aus Silber und Gold waren der erste Schritt auf dem Weg zur Münze.
Im antiken Königreich Lydien, in der heutigen Westtürkei, entstand dann vermutlich ab dem zweiten Viertel des 7. Jahrhunderts vor Christus das erste geschlagene Münzgeld. Es handelte sich um Scheibenoder viereckige Plättchen unterschiedlicher Dicke aus Elektron, einer natürlich vorkommenden Legierung aus Gold und Silber, die aus dem Fluss Pactolus gewaschen wurde. Die Lydier nutzten sie wohl nicht nur für den Handel, sondern auch für kulturelle wie religiöse Zwecke. Diese frühen Münzen wurden stetig verbessert, bis sie genau gewichtet und mit immer kunstvolleren Zeichen versehen werden konnten, die ihren jeweiligen Wert anzeigten und sie validierten.
In der lydischen Hauptstadt Sardes entstand unter König Alyattes II. (regierte circa 605–556 vor Christus) die erste staatliche Münzprägung. Viele griechische Städte gründeten in der Folge ebenfalls ihre eigenen Prägestätten und griffen die Idee der gestempelten und normierten Münze auf. Das neue Münzsystem verbreitete sich so ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. in der gesamten griechischen Welt. Unter König Krösus (regierte circa 555–541 v. Chr.), dem letzten Herrscher Lydiens, dessen Reichtum sprichwörtlich geworden ist, wurde schließlich zum ersten Mal ein bimetallisches Währungssystem mit reinen Gold- und Silbermünzen eingeführt, während sich bei den Griechen nur Letztere etablierte.
Vieles bei diesen frühen Münzen hatte einen religiösen Ursprung. Beim griechischen Münzsystem waren zum Beispiel die meisten Münzen von einer religiösen Symbolik, etwa Gottheiten und deren Attribute, geprägt. Die Silbermünze war damit ein sakral aufgeladener Gegenstand, der die Sicherheit gab, die Münze auch wieder angemessen eintauschen zu können, obwohl die von etlichen Stadtstaaten geprägten Münzen weder einen einheitlichen Silbergehalt noch ein einheitliches Gewicht besaßen. Das Münzbild wandelte sich später hin zu Zeichen, die die Ursprungsstätten der Münzen hervorhoben. Sie fungierten auch als Abgrenzung zum verfeindeten Perserreich. Denn der persische Großkönig Darius I. ließ als Erster sein eigenes Abbild auf Münzen prägen, womit er zum Trendsetter für unzählige Herrscher nach ihm wurde. Ironischerweise führte die Eroberung des Perserreiches durch Alexander den Großen zur Übernahme eben jener persischen Praktik, von der sich die Griechen so lange distanziert hatten. Zu seiner Zeit war das Münzgeld vom Mittelmeerraum über die Schwarzmeerregion bis nach Indien verbreitet.
In China hatten sich bereits früher Münzgeld und Münzprototypen entwickelt, die aber nur aus billigeren Metallen und Legierungen geschlagen wurden. Diese Münzen waren massenweise in Umlauf, wodurch ihre Rolle auf den Kleinhandel beschränkt blieb, ähnlich wie bei unseren heutigen Münzen. Ihre weitere Entwicklung war dadurch, im Gegensatz zu den griechisch-lydischen Münzen, begrenzt. So kam es, dass im Reich der Mitte erst 1890 die erste Münzwährung aus wertvollem Edelmetall geschlagen wurde. Die Chinesen hatten einen anderen Weg beschritten: Anstatt das Münzwesen für größere Beträge weiterzuentwickeln, haben sie die Banknote erfunden – circa 500 Jahre, bevor es im 15. Jahrhundert in Europa Ähnliches gab.
Im Abendland blieben Münzen lange Zeit vorherrschend, ehe in der frühen Neuzeit der Siegeszug des Papiergelds begann, das sich nach und nach als Hauptzahlungsmittel durchsetzte. Münzen wurden zu dem, was sie gegenwärtig im Allgemeinen sind: zu Kleingeld. Heutzutage droht nun dem Papiergeld durch das unsichtbare Geld dasselbe Schicksal wie einst der Münze.
Mehr dazu
Glyn Davies: A History of Money. From Ancient Times to the Present Day, Cardiff 2002.
Klaus Vondrovec: Beginn und Ausbreitung der Münzprägung, in: Sabine Haag und Nicole Kurmann (Hgg.): Götter, Menschen und das Geld der Griechen, Bad Vöslau 2011, S. 13 – 26.
Ute Wartenberg: Die Geburt der Münze. Elektron als Geldmittel. Neue Wege der Forschung, in: Mitteilungen der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft, Bd. 56 (Nr. 1), 2016, S. 30 – 49.
Bernhard Weisser: Goldprägung in der Antike, in: Bernd Kluge und Michael Alram (Hgg.): Goldgiganten. Das große Gold in der Münze und Medaille, Berlin 2010, S. 21 – 26.