Wohl denen, die leichten Herzens Verantwortung und Besitz in jüngere Hände übergeben, wenn die Zeit dafür gekommen ist – für alle anderen gewiss eine der schwersten Übungen, die das Leben bereithält.
Nüchtern betrachtet, handelt es sich um eines der selbstverständlichsten Erfordernisse, die sich denken lassen: Als sterbliche Wesen sollten wir nichts, das uns seiner Natur nach überdauert, so untrennbar mit unserer eigenen Existenz verknüpfen, dass unser Ableben mit in den Untergang reißt, was uns an Werken und Mitwelt umgibt. Zwar gibt es auch dafür Beispiele: Firmenliquidierungen aus Eigensinn, aus Trotz oder wegen familiärer Zerwürfnisse etwa – aber zum Glück geht es heute nirgends mehr zu wie in der Shang- Dynastie (China, 1766 bis 1080 v. Chr.): Deren über Jahrhunderte geltendes Pietätsverständnis gebot es, dass Teile des Hofstaats den jeweiligen Herrscher gleich mit ins Grab begleiten mussten. Generell tut der Mensch sich schwer mit der Einsicht in die Unausweichlichkeit des eigenen Endes, aus der ja alles Loslassen- und Weitergebenmüssen erst erwächst. Das Bedürfnis, Bleibendes zu schaffen, fortzuwirken und damit die Spur der eigenen Existenz über den Tod hinaus zu verlängern, lässt sich so als ein Anstemmen gegen jene als Kränkung empfundene Tatsache interpretieren, dass uns hienieden keine Dauer beschieden ist. Leichter wird es, wenn uns ein maßgeblicher Einfluss zuerkannt wird, wie es denn weitergehen solle, wenn unsere Zeit abläuft. Wenn darum Menschen unseres Vertrauens, vorzugsweise Kinder oder enge Verwandte, weiterführen, was wir selbst begonnen haben, verbürgt dies zwar keine Kontinuität, stellt eine solche aber doch immerhin in Aussicht und vermag die Hoffnung zu vermitteln, dass es im eigenen Sinne weitergeht.
Auch Imperien gehen von Hand zu Hand
Diese Sicht ist kulturell tief verwurzelt und reicht, zu formalem Anspruch geronnen, auch institutionell in Gestalt eines differenzierten Erb- und Schenkungsrechts zurück bis ins altrömische Eigentumsverständnis und in dessen besonderen Schutz durch Brauchtum und Gesetz: Es sichert dem Erblasser bei der Weitergabe seiner Güter einen großen Gestaltungsspielraum zu. Doch schon in der Antike musste man natürlich hin und wieder die Erfahrung machen, dass auch ein Tüchtiger zuweilen nur komplette Taugenichtse zu zeugen vermochte, der leibliche Nachwuchs darum nicht immer die naturgemäß beste Nachfolge im Amt repräsentierte. Für immerhin rund 80 Jahre (98 bis 180 n. Chr.) hielt sich darum eine Institution, die man als historisches Experiment betrachten kann: jene Periode der Römischen Kaiserzeit, in der die Herrschaftsnachfolge nicht durch biologische Abkunft, sondern durch Adoption bestimmt wurde. Der amtierende Kaiser nahm – unabhängig von seinen eigenen familiären Verhältnissen – einen jungen Mann an Sohnes statt an, der dann unter den kritischen Augen der Großen des Reichs in seine künftige Rolle hineinwuchs. Man mag dies als eine extreme Form der Günstlingswirtschaft kritisieren, aber immerhin qualifizierte so nicht der blinde Zufall der Geburt jemanden zum Herrn des Imperiums, und die Regierungszeiten der Adoptivkaiser Trajan, Hadrian, Antoninus Pius und Mark Aurel gelten unbestritten als eine Glanzperiode des Reichs. Dynastischen Ambitionen war so ein Riegel vorgeschoben und trotzdem war gesichert, dass der Amtsträger entscheidenden Einfluss auf seine Nachfolge und damit auf die Zukunft des Reichs nehmen konnte.
Ein Zeugnis von beachtlicher charakterlicher Größe in Fragen der Nachfolge lieferte rund 800 Jahre später Konrad I., von 911 bis 918 König des Ostfrankenreichs und nach dem Zerfall des Karolingerreichs jener Herrscher, mit dessen Regierung das beginnt, was wir als deutsche Geschichte bezeichnen. Glücklos, in zermürbende Konflikte und Fehden mit den Landesfürsten verstrickt, ließ er vom Sterbebett aus nicht etwa, wie erwartet, seinem Bruder Eberhard die Reichsinsignien überbringen, sondern just seinem erbittertsten, aber auch fähigsten und mächtigsten Gegner: Krone, Zepter und das mit deren Besitz verknüpfte Königsheil gingen so an denjenigen über, der als Heinrich I. (919 bis 936) eine weit glücklichere Hand bei der Einigung des Reichs hatte als sein Vorgänger. Das Ganze war weit mehr als eine Geste, es war ein auch heute noch Respekt gebietender Akt von Entsagung und Verzicht zugunsten eines anderen, des sächsischen Geschlechts und einer glücklicheren Zukunft, an der das eigene Haus keinen Anteil mehr haben würde.
Fingerspitzengefühl gefragt
Nun mag ein solches Verhalten eines Königs würdig sein – wir heutigen Mitglieder einer bürgerlichen Zivilgesellschaft und vom Gottesgnadentum ebenso weit entfernt wie vom imperialen Adoptionswesen finden uns in kleineren Wirkungsradien wieder – und doch bleibt den Selbstständigen unter uns die Frage nicht erspart: Was soll einmal aus meiner Firma werden? Mit den Planungen hierfür, den erforderlichen Schritten und Vorkehrungen, den rechtlichen Fragen und den Aufgaben, die auf die steuerliche Beraterin oder den steuerlichen Berater hierbei zukommen, befasst sich diese Ausgabe ausführlich. Dass das Thema damit dennoch nicht erschöpft ist, zeigt die schier unüberschaubare Menge an Literatur, die sich damit beschäftigt, wie das Loslassen und Weitergeben beizeiten schmerzlindernd eingeübt werden können. Die Arbeit des psychotherapeutischen Berufsstands besteht zu einem Gutteil aus der Begleitung von Ab-, Loslösungs- und existenziellen Veränderungsprozessen. Nicht viel anders eine befasste Kanzlei auf ihrem Felde: Sie kann unversehens in die Rolle eines Moderators zwischen den Generationen hineingeraten, eine Vermittlerrolle, die viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit den jeweiligen Empfindlichkeiten erfordert.
Das Kreuz mit der eigenen Entbehrlichkeit
Denn ist es keine Infragestellung des eigenen, über Jahrzehnte zurückgelegten Wegs ebenso wie der eigenen Erfahrung und Könnerschaft, wenn der Nachwuchs die Führung eines Familienunternehmens übernimmt und – vielleicht sogar mit demütigend großem Erfolg – vieles ganz anders macht als die Gründergeneration? Gerade in Branchen wie beispielsweise dem Weinbau, in dem nach dem Selbstverständnis der Älteren oftmals Tradition und Beständigkeit als identitätsstiftendes Momentum den Markenkern eines Betriebs repräsentieren, können solche Situationen zu Vertrauenskrisen bis hin zu – siehe oben – familiären Zerwürfnissen und dem Untergang alteingesessener Güter führen. Jedoch gibt es zahlreiche positive Beispiele generationenübergreifender Familienbetriebe, die mit kreativen Ideen sehr erfolgreich sind. In manchen Konstellationen fällt der Rückzug besonders schwer, denn die bereits genannte Einsicht in die eigene Endlichkeit schließt ja auch diejenige in die eigene Entbehrlichkeit mit ein und schmälert damit nicht nur das Selbstbild eigener Meisterschaft im ausgeübten Metier, sondern berührt womöglich eine noch tiefere Schicht: unsere zwar selten artikulierte, doch latent stets vorhandene Vorstellung, als Individuum einzig und darum letztlich unersetzbar zu sein. Vielleicht unsere größte Lebenslüge? Da kann man nur mit den Worten Hermann Hesses schließen: „… Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“