WPK, Mitteilung vom 14.06.2022
In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte war umstritten, wie vor Insolvenzeröffnung erbrachte Leistungen des noch von den Organen der Insolvenzschuldnerin bestellten Abschlussprüfers zu vergüten sind, wenn der betreffende Prüfungsauftrag zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgeschlossen war.
- Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil vom 28. April 2021 – 4 U 72/20, „Neu auf WPK.de“ vom 3. August 2021, WPK Magazin 3/2021, Seite 66) sind Vergütungsansprüche des noch von der Insolvenzschuldnerin bestellten Abschlussprüfers, die sich auf vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Tätigkeiten beziehen, keine Masseverbindlichkeiten, sondern stellen Insolvenzforderungen dar.
- Das OLG Düsseldorf hatte demgegenüber mit Urteil vom 25. März 2021 – 5 U 91/20 („Neu auf WPK.de“ vom 19. November 2021, WPK Magazin 1/2022, Seite 46) entschieden, dass die Vergütungsforderung des Abschlussprüfers auch hinsichtlich der vor Insolvenzeröffnung erbrachten Teilleistungen eine Masseverbindlichkeit darstellt.
Gegen beide Urteile wurde Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt.
Die Entscheidung des BGH über die gegen das Urteil des OLG Düsseldorf eingelegte Revision (BGH, Urteil vom 28. April 2022 – IX ZR 68/21) wurde mittlerweile auf der Internetseite des BGH veröffentlicht. Der BGH bestätigt darin die Rechtsauffassung des OLG Frankfurt, wonach der Honoraranspruch des Abschlussprüfers sich als bloße Insolvenzforderung gemäß §§ 38, 87 InsO darstellt, soweit er auf Leistungen beruht, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden. Nur die nach diesem Zeitpunkt erbrachte Tätigkeit und die daran anknüpfende Vergütungsforderung begründen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO eine Masseverbindlichkeit.
Rechtsgedanke des § 105 Satz 1 InsO – Gläubigergleichbehandlung
Nach den Entscheidungsgründen entspricht ein solcher Ansatz dem in § 105 Satz 1 InsO enthaltenen Rechtsgedanken, wonach der Vergütungsanspruch gegen den Schuldner nur Insolvenzforderung ist, soweit er auf zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung von dem anderen Teil bereits erbrachte Teilleistungen entfällt. Dahinter steht, dass der teilweise vorleistende Vertragspartner des Schuldners hinsichtlich seines auf die Zeit vor der Eröffnung entfallenden Zahlungsanspruchs nicht bessergestellt werden soll als der Vertragspartner, der zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig geleistet hat und daher insgesamt nur Insolvenzgläubiger ist. Neben der Gläubigergleichbehandlung sollen hierdurch auch der Schutz der Masse und die Sanierungschancen des Schuldners sichergestellt werden (Rn. 25 des Urteils).
Für den hier einschlägigen Fall des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO (Sonderregelung zur Abschlussprüfung) gilt Entsprechendes. Auch der Abschlussprüfer, der nur einen Teil seiner Tätigkeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat, kann nicht besser stehen als derjenige, der seine Prüfung zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig abgeschlossen hat und damit nur Insolvenzgläubiger gemäß §§ 38, 87 InsO ist (Rn. 26).
Weiter Begriff der Teilbarkeit
Für die Teilbarkeit der Gesamtleistung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 105 InsO kommt es nicht darauf an, dass sich der wirtschaftliche Wert der Tätigkeit des Abschlussprüfers letztendlich erst mit deren Abschluss, also vor allem der Erteilung des Testats gemäß § 322 HGB, sichtbar im Vermögen des Schuldners niederschlägt. Maßgeblich ist ein weiterer Begriff der Teilbarkeit, für den allein entscheidend ist, ob sich die vor und nach Eröffnung erbrachten Leistungen des anderen Teils hinreichend voneinander abgrenzen und bewerten lassen. Dies ist auch bei Abschlussprüfungen der Fall. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zu sonstigen werkvertraglichen Leistungen (Rn. 27 ff.).
Der Teilbarkeit der Leistungen eines Abschlussprüfers steht auch nicht entgegen, dass es sich um eine höchstpersönliche Leistung handelt. Auch die vor und nach Insolvenzeröffnung erbrachten Leistungen eines Abschlussprüfers lassen sich ihrem Wert nach objektiv bestimmen und voneinander abgrenzen. Damit ist es auch hier möglich, hinsichtlich des Vergütungsanspruchs zwischen einem Teil, der Insolvenzforderung ist, und einem Teil, der Masseverbindlichkeit ist, zu unterscheiden. Auch bei dem im Fall vereinbarten Pauschalhonorar ist es möglich, die vor und nach Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen und somit auch den darauf jeweils entfallenden Vergütungsanteil zu ermitteln (Rn. 35 ff.).
Schutz des Abschlussprüfers durch Vorschuss- oder Abschlagszahlungen
Der BGH weist noch darauf hin, dass sich der Abschlussprüfer wie andere Gläubiger auch vor den Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf seinen Vergütungsanspruch für bereits erbrachte Leistungen dadurch schützen könne, dass er Vorschuss- oder Abschlagszahlungen vereinbart (Rn. 26).
Hierzu sei auf Folgendes hingewiesen: Die in den allermeisten Fällen mit dem Prüfungsmandanten vereinbarten Allgemeinen Auftragsbedingungen des IDW (IDW-AAB) sehen unter Punkt 13 Abs. 1 das vertragliche Recht des Wirtschaftsprüfers vor, angemessene Vorschüsse auf seine Vergütung und den Auslagenersatz verlangen zu können. Sollten die IDW-AAB im Ausnahmefall nicht vereinbart oder wirksam einbezogen worden sein, bliebe der gesetzliche Vorschussanspruch nach § 669 BGB. Die Vorschrift ist gemäß § 675 Abs. 1 BGB auf Abschlussprüfungsverträge als Werkverträge mit Geschäftsbesorgungscharakter (diese Einordnung hat der BGH in Rn. 10 seines Urteils ausdrücklich bestätigt) anwendbar.
Abschlagszahlungen für bereits erbrachte Teilleistungen kann der Abschlussprüfer auch ohne vertragliche Vereinbarung – die IDW-AAB enthalten keine Regelung hierzu – unmittelbar auf der Grundlage des BGB-Werkvertragsrechts (§ 632a BGB) einfordern.
Um das Risiko einer erfolgreichen Anfechtung durch den späteren Insolvenzverwalter zu minimieren, sollten Vorschüsse und Abschlagszahlungen im Vorfeld einer Insolvenz nach den Regelungen für Bargeschäfte (§ 142 InsO) eingefordert und geleistet werden.
Quelle: WPK