RWI Essen, Pressemitteilung vom 12.06.2025
Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erwartet für das Jahr 2025 eine leichte Erholung der deutschen Wirtschaft: Das reale BIP stieg im ersten Quartal kräftig um 0,4 %, hauptsächlich aufgrund von Vorzieheffekten bei den Exporten in die USA, und dürfte im Jahresdurchschnitt um 0,3 % zulegen. Für das Jahr 2026 wird ein Wachstum von 1,5 % prognostiziert, das insbesondere durch verstärkte öffentliche Investitionen getragen wird. Wichtig ist, die beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung zur Belebung des Wachstums jetzt schnell umzusetzen.
Das Wichtigste in Kürze:
- Starkes erstes Quartal, getrieben von Vorzieheffekten: Im Januar bis März wuchs das reale BIP um 0,4 %. Das Wachstum basierte vor allem auf Exporten in die USA, die angesichts angekündigter Zollerhöhungen vorgezogen wurden. Der private Konsum ist im ersten Quartal deutlich gestiegen – trotz anhaltend hoher Unsicherheitsindikatoren und gestiegener Arbeitslosigkeit. Unbeeindruckt dessen hat sich die Konsumentenstimmung in diesem Zeitraum verbessert.
- Dämpfung im zweiten Quartal: Bereits im April sind die Exporte spürbar zurückgegangen, vor allem in die USA, was die Vorzieheffekte im ersten Quartal bestätigt. Hinzu kommen US-Zölle auf Stahl und Aluminium von 50 % seit Anfang Juni. Sie belasten die Ausfuhren dieser Güter nachhaltig. Auch der private Konsum verliert wieder an Schwung – Hinweise darauf liefern die kräftig eingebrochenen realen Einzelhandelsumsätze im April.
- Handelsspannungen bremsen Exporte auch im 2. Halbjahr: In der zweiten Jahreshälfte dürften die konjunkturellen Kräfte leicht zulegen. Unterstellt wird, dass die hohen US-Zölle auf Stahl und Aluminium anhalten, keine weiteren US-Zollbelastungen hinzukommen und die EU auf Gegenmaßnahmen verzichtet. Da auch diese Annahmen erfahrungsgemäß unsicher sind, bleibt die Vorsicht im Handel groß, was die deutschen Exporte wiederum dämpfen könnte. Demgegenüber dürfte eine steigende Nachfrage aus anderen Regionen der Welt die Ausfuhren positiv beeinflussen.
- Hoffnung auf stärkere Binnenwirtschaft: In der zweiten Jahreshälfte werden die innenwirtschaftlichen Impulse voraussichtlich zunehmen. Sie wirken damit den zollbedingten Exportbelastungen entgegen. Die bisher gute Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern verknüpft sich vor allem mit den Erwartungen an die jüngsten Beschlüsse der neuen Bundesregierung. Um jedoch nachhaltig mehr Investitionen und einen deutlich spürbareren Konsum anzustoßen, muss die Regierung allerdings noch weitere Maßnahmen ergreifen. Dazu zählen Reformen der sozialen Sicherungssysteme genauso wie ein konsequenter Bürokratieabbau.
- Mini-Wachstum im Jahr 2025 und Erholung 2026: Niedrigere Zinsen und eine steigende öffentliche Nachfrage dürften die privaten Investitionen im Prognosezeitraum merklich ausweiten. Insgesamt wird die gesamtwirtschaftliche Expansion an Dynamik gewinnen. Für das laufende Jahr wird im Durchschnitt ein BIP-Wachstum von 0,3 % erwartet. Im kommenden Jahr, wenn die Impulse aus den öffentlichen Investitionen stärker greifen, könnte das BIP um 1,5 % wachsen. Bleiben die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft allerdings bestehen, sind die Erholungspotenziale weiter begrenzt.
- Arbeitsmarkt stabil: Im Mai 2025 wurden zwar 197.000 mehr Arbeitslose gezählt als im Mai 2024. Die Arbeitslosenquote nahm für den Zeitraum jedoch leicht ab – von 6,3 % auf 6,2 %. Aktuell gehen wir von einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 6,3 % in diesem Jahr und 6,2 % im Jahr 2026 aus. Einige Indikatoren deuten aktuell darauf hin, dass weniger Unternehmen planen, Stellen abzubauen. Und im nächsten Jahr dürfte die wirtschaftliche Erholung eher für moderate Einstellungen als für Entlassungen sprechen.
- Inflation weiter leicht rückläufig: Sinkende Energiepreise und weniger Preisauftrieb bei den übrigen Waren begrenzen die Inflation. Sie lag im Mai 2025 nach Schätzungen bei 2,1 %. Allerdings dürften die Energiepreise aufgrund steigender CO2-Preise für Brennstoffe wieder zulegen. Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Inflationsrate von 2,2 % in diesem Jahr auf 2,0 % im Jahr 2026 sinken wird. Die rückläufigen Dienstleistungspreise überkompensieren die leicht steigenden Energiepreise.
- Haushaltslage und Schuldenquote: Der Bundestag hat Anfang 2025 mit der neuen Finanzverfassung den Spielraum für höhere Ausgaben geschaffen. Aufgrund von Vorlaufzeiten bei der Planung und Beschaffung wirken die Mehrausgaben jedoch erst ab dem Jahr 2026. Daher schrumpft das Finanzierungsdefizit im Jahr 2025 auf 2,6 % des BIP, steigt jedoch im Jahr 2026 deutlich auf 2,9 %. Folglich klettert auch die Maastricht-Schuldenquote von etwas über 65 % im Jahr 2025 auf rund 66 % zum Ende des nächsten Jahres.
Zur aktuellen wirtschaftlichen Situation sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt:
„Trotz der kurzfristigen Belastungen durch handelspolitische Unsicherheiten zeichnet sich für die zweite Jahreshälfte eine allmähliche Erholung ab. Wichtig ist jetzt, dass den Ankündigungen der Bundesregierung auch Taten folgen. Mögliche Forderungen der Länder, Mindereinnahmen bei den Steuern auf Landesebene zu kompensieren, behindern nur die Rückkehr zu nachhaltigem Wachstum in Deutschland. Verzögerungen können wir uns aufgrund der Vorsprünge anderer Volkswirtschaften nicht mehr leisten. Bund und Länder müssen an einem Strang ziehen.“
Quelle: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung