German Venture Capital Barometer - 11. Mai 2022

Venture Capital-Geschäftsklima bricht ein – hohe Unsicherheit durch Zinswende und Krieg

KfW/KfW Reseach, Pressemitteilung vom 10.05.2022

  • Beurteilung der aktuellen Geschäftslage bleibt trotz Einbruch knapp im grünen Bereich, Geschäftserwartungen nur noch durchschnittlich
  • Konjunkturklima stürzt ab, Beurteilungen von Fundraisingklima und Zinsniveau mit starken Rückgängen
  • Beurteilung der Einstiegsbewertungen steigt zweistellig

Zwei Jahre nach dem Corona-Schock knickt das Geschäftsklima auf dem deutschen Venture Capital-Markt im 1. Quartal 2022 erneut ein. Das German Venture Capital Barometer fällt um 35 Zähler auf 7,2 Saldenpunkte. Die Hauptgründe dafür dürften die sich inflationsbedingt verschärfende Zinswende sowie die kriegsbedingt gestiegene wirtschaftliche Unsicherheit sein. Der Indikator für die Geschäftslage sinkt auf 12,8 Saldenpunkte (-33,0), der Indikator für die Geschäftserwartung verliert 37 Zähler auf 1,7 Saldenpunkte. Die aktuelle Entwicklung unterscheidet sich allerdings vom coronabedingten Rückgang des Geschäftsklimas 2020 in zwei wesentlichen Punkten: Erstens erfolgt der Rückgang von einem rekordhohen Niveau und zweitens ist der Einbruch nur etwa halb so hoch wie damals.

Im ersten Quartal am stärksten eingebrochen sind die Beurteilungen von Konjunktur, Zinsniveau, Fundraisingklima und Wertberichtigungsdruck. Das Konjunkturklima ist angesichts des eskalierten Krieges in der Ukraine förmlich abgestürzt – sogar deutlich stärker als beim Corona-Schock zwei Jahre zuvor. Wie damals dürfte die konjunkturelle Abkühlung die meisten Startups aber weniger betreffen.

Stärkere Effekte sind von der Zinswende der internationalen Notenbanken zu erwarten, die sich kriegsbedingt beschleunigt hat. Das führt zu niedrigeren Kursen bei Technologieaktien, was sich auch auf die privaten Märkte auswirkt und den Wertberichtigungsdruck erhöht. Aus Investorensicht ist allerdings positiv, dass auch die Einstiegsbewertungen bei neuen Investitionen sinken. Der entsprechende Indikator hat sich deutlich verbessert und ist der einzige mit einem deutlichen Zugewinn. Steigende Zinsen führen auch dazu, dass die Assetklasse VC tendenziell Anlegergelder verliert, was auf lange Sicht das Fundraising erschwert.

Kaum verändert haben sich die Indikatoren für die Höhe des Dealflows, die Investitionsbereitschaft sowie die Exitmöglichkeiten. Der Klimaeinbruch könnte somit wie bei der Pandemie zuvorderst den Schock über die Ereignisse widerspiegeln und kurzfristig ohne Auswirkung auf die tatsächliche Investitionstätigkeit bleiben.

„Das VC-Geschäftsklima ist im ersten Quartal 2022 regelrecht eingebrochen. Das hat sicher mit den hohen Inflationsraten und der verschärften Zinswende der internationalen Notenbanken zu tun. Hinzu kommen die geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten durch den eskalierten Krieg in der Ukraine“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Allerdings kommen wir von einem sehr hohen Niveau und der Einbruch ist kleiner als wir ihn beim Ausbruch der Corona-Pandemie im ersten Quartal 2020 gesehen haben. Es handelt sich um einen Schock über die Ereignisse, der sich bisher in der breiten Investitionstätigkeit nicht zeigt. So wurden in den ersten drei Monaten bereits rund 3 Mrd. Euro Venture Capital in deutsche Startups investiert, also mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Und ohne Megadeals, die mal mehr und mal weniger häufig vorkommen, liegen wir nur knapp unter dem Volumen des vorherigen Ausnahmequartals. Es ist zu erwarten, dass die Investitionstätigkeit auf dem VC-Markt weiter stabil bleibt, auch weil die Investoren noch auf viel Kapital sitzen. Dazu kommt, dass die Kriegsauswirkungen auf die Energieversorgung das Interesse an Clean- und Climate-Tech-Startups sogar verstärken könnten.“

Die Stimmung in der Wirtschaft und auf dem Kapitalmarkt ist geprägt vom Krieg in der Ukraine sowie einer hohen Inflationsrate und der eingeläuteten Zinswende. Dem kann sich auch der deutsche Venture Capital-Markt nicht entziehen“, ergänzt Ulrike Hinrichs, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des BVK. „Es bleibt abzuwarten wie sich die Situation weiter entwickelt. Sollte die Zinswende mehr Fahrt aufnehmen und auch Europa nachziehen, dürfte dies weiteren Druck auf die Bewertungen von börsennotierten Tech-Unternehmen und damit auch nicht-notierte Startups haben. Die Entspannung bei den bisher sehr kritisch bewerteten Einstiegsbewertungen und der weiterhin positiv bewertete Dealflow sind erfreulich, jedoch bei Betrachtung der Gesamtsituation ein schwacher Trost.“

Die KfW berechnet das German Venture Capital Barometer zusammen mit dem Bundesverband deutscher Kapitalgesellschaften e.V. (BVK) exklusiv für das Handelsblatt. Ausführliche Analysen mit Datentabellen und Grafiken zur Entwicklung des Geschäftsklimas im Venture Capital- und Later Stage-Segments sind unter www.kfw.de/gpeb abrufbar.

Quelle: KfW