Handelspolitik - 10. Oktober 2022

Südamerika im Fokus: Marktchance Mercosur

DIHK, Mitteilung vom 07.10.2022

Seit den 90er-Jahren verhandeln die EU und die Mercosur-Länder Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay über ein umfassendes Handelsabkommen. Zwar wurden die Verhandlungen im Juni 2019 abgeschlossen, jedoch ist die Ratifizierung bisher politisch in der EU blockiert. Dabei könnte das Abkommen gerade jetzt wichtige Wachstumsimpulse für die international eng vernetzte deutsche Wirtschaft bieten. Immerhin hängt ein Viertel der deutschen Arbeitsplätze am Außenhandel, in der Industrie sogar jeder zweite.

Abkommen birgt großes Potenzial

Weltweit macht zunehmender Protektionismus den grenzüberschreitend tätigen Unternehmen zu schaffen. Eine ambitionierte europäische Handelspolitik ist daher Grundvoraussetzung für den internationalen Erfolg deutscher Betriebe.

Das ehrgeizige EU-Mercosur-Abkommen setzt hierfür richtige Akzente: Es kann im Laufe der nächsten Jahre fast alle Zölle zwischen der EU und dem bisher wirtschaftlich protektionistischen Mercosur-Raum abschaffen, den Dienstleistungshandel erleichtern, öffentliche Beschaffungsmärkte öffnen, regulatorische Kooperation vereinfachen und 350 traditionelle europäische Spezialitäten wie schwäbische Spätzle oder bayerisches Bier auch im Mercosur schützen.

Und: Das EU-Abkommen hat ein gezieltes Mittelstandskapitel, damit die Vorteile auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erreichen. 12.500 deutsche Betriebe exportieren in den Mercosur-Raum, 72 Prozent davon sind KMU. Bisher unterliegen 85 Prozent der europäischen Ausfuhren in den Mercosur – einen Markt von über 260 Millionen Konsumenten – einem Zoll. Das verursacht in deutschen und europäischen Betrieben Kosten in Höhe von jährlich vier Milliarden Euro. Entsprechend sieht ein Großteil der Unternehmen in einem – auch in der Wirtschaft intensiv diskutierten – Handelsabkommen Chancen für sich.

Traditionelle Partnerschaften stärken

Eine Ratifizierung würde Europa und seinen Unternehmen einen wichtigen zeitlichen Vorsprung verschaffen, da somit das erste Abkommen zwischen den Mercosur-Staaten und einem bedeutenden Handelspartner in Kraft wäre. Aber auch andere große Wettbewerbsnationen sind in der Region zunehmend aktiv. Daher sollten sich die EU und die Bundesregierung für eine rasche Umsetzung des Abkommens einsetzen.

Europa kann dabei bereits auf intensiven Handelsbeziehungen aufbauen. Allein nach Brasilien exportierten deutsche Unternehmen 2021 Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als 10 Milliarden Euro, der deutsche Investitionsbestand dort lag 2020 bei über 18 Milliarden Euro. Die brasilianische Metropole São Paulo beispielsweise ist einer der größten Standorte der deutschen Industrie weltweit. Das zeigt das Potenzial, welches bei einer Ratifizierung des Abkommens erschlossen werden kann. Marktchancen für deutsche Unternehmen liegen vor allem in den Bereichen Maschinenbau, Automobil und Ernährung, wo die Mercosur-Länder bisher mitunter sehr hohe Zölle erheben.

Kernaspekt Nachhaltigkeit

Alle Beteiligten haben sich im Abkommen auf klare Standards zum Umweltschutz verständigt. Außerdem verpflichten sie sich, das Pariser Klimaschutzabkommen umzusetzen. Daran müssen sich am Ende alle Partner halten. Für die deutsche Wirtschaft steht fest: Je stärker die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Lateinamerika sind, desto besser auch die Chancen, in Umweltfragen gemeinsam voranzukommen.

Hiesige Unternehmen sind – auch mit Unterstützung der deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) – bereits seit über 100 Jahren in den Mercosur-Ländern vertreten. Sie sichern Zehntausende Arbeitsplätze und tragen etwa durch die duale Ausbildung nach deutschem Vorbild vor Ort zur nachhaltigen Entwicklung der Region bei. Das EU-Mercosur-Abkommen bietet nun neue Chancen, dieses Engagement gemeinsam weiter zu stärken.

Signalwirkung für offene Märkte

Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen und protektionistischer Strömungen, sollte die Bundesregierung gerade jetzt auch EU-Verträge mit Indonesien und Indien vorantreiben. Die EU sollte als Weltmeister der Handelsabkommen ihre Führungsrolle für weltweit offene Märkte und einen regelbasierten Handel stärker zum Tragen bringen. Denn moderne Abkommen können verlässliche Rahmenbedingungen zur Diversifizierung von Lieferketten schaffen und neue Absatzmärkte erschließen.

Implementierung ist für Unternehmen entscheidend

Entscheidend für den Erfolg von Handelsabkommen ist ihre Umsetzung. Die Bundesregierung sollte sich hier für Vereinfachungen stark machen, insbesondere durch klare und harmonisierte Regeln für den Warenursprung, ein umfassendes EU-Online-Tool zu Ursprungsregeln und standardisierte Ursprungsnachweise über alle Abkommen hinweg. Die Digitalisierung der Zollprozesse sollte beschleunigt und der EU-Zolltarif vereinfacht werden. Das würde vor allem KMU entlasten und den Handel erleichtern.

Quelle: DIHK