Steuerschätzung - 31. Oktober 2022

Steuereinnahmen wachsen 2023 trotz erwarteter Rezession – warum?

DIHK, Mitteilung vom 28.10.2022

Die deutsche Wirtschaft wird 2023 schrumpfen: Unternehmen machen weniger Gewinne, vor allem bedingt durch die hohen Energiekosten. Doch bei den Steuereinnahmen erwarten die Steuerschätzer – anders als bei der Finanzkrise 2009 oder der Corona-Pandemie 2020 – für das kommende Jahr weiter ein Plus. Wie kann das sein?

Wie stark der für 2023 prognostizierte konjunkturelle Einbruch sein wird, darüber gehen die Meinungen noch auseinander. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommt als Vorlage für den Arbeitskreis „Steuerschätzung“ die eher optimistische Annahme, dass das Bruttoinlandsprodukt um lediglich 0,4 Prozent sinken wird.

Die Steuerschätzer haben am 27. Oktober ihre Prognosen zu den Auswirkungen vorgelegt. Demnach wird das Steueraufkommen des Staates in diesem Jahr mit 887,7 Milliarden Euro lediglich um 1,6 Milliarden Euro niedriger ausfallen als im Mai erwartet. Trotz der vorausgesagten Rezession soll das Steueraufkommen im kommenden Jahr sogar stärker steigen als noch im Mai prognostiziert. Im Mai wurde ein Zuwachs von gut 39 Milliarden Euro von 2022 auf 2023 prophezeit, jetzt sagen die Steuerschätzer ein Plus von sogar 49,6 auf 937,3 Milliarden Euro voraus.

Auch für die Jahre nach 2023 wird eine weitere Zunahme der gesamtstaatlichen Steuereinnahmen erwartet – auf den Höchstwert von 1.115 Milliarden Euro im Jahr 2027, dem letzten Jahr des von den Steuerschätzern in den Blick genommenen Zeitraums.

Vor allem die hohe Inflation füllt die Staatskassen

Wieso steigen die Steuereinnahmen trotz der Rezession? Das liegt vor allem an den hohen Inflationsraten. Die auch für 2023 vorausgesagten hohen Inflationsraten sorgen für ein weiter steigendes Umsatzsteueraufkommen – die höheren Preise belasten die Verbraucher, kommen aber dem Fiskus zugute – trotz der vorhergesagten Konsumzurückhaltung.

Auch das Aufkommen der Lohn- und Einkommensteuer steigt angesichts stabiler Beschäftigung und nominaler Gehaltszuwächse. Hier will die Bundesregierung zwar eine Anpassung des Steuertarifs vornehmen, um so die Effekte der sog. kalten Progression abzumildern. Weil das Gesetz aber noch nicht beschlossen ist, werden die daraus resultierenden gesamtstaatlichen Mindereinnahmen in der aktuellen Schätzung noch nicht berücksichtigt. Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung betragen die Mindereinnahmen aus der Anpassung des Einkommensteuertarifs bis 2027 immerhin jedes Jahr 17,8 Milliarden Euro.

Umsatz- und Einkommensteuer machen immerhin gut 60 Prozent des gesamtstaatlichen Steueraufkommens aus. Weil auch bei den Gewinnsteuern der Unternehmen (Körperschaft- und Gewerbesteuer) ein leichtes Plus vorausgesagt wird, ergibt sich unter dem Strich trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage ein Plus bei den gesamten Steuereinnahmen des Staates.

Ende des Immobilienbooms zulasten der Länderkassen

Weniger Einnahmen als zuletzt erwartet wird der Fiskus in diesem und den kommenden Jahren aus der Grunderwerbsteuer erzielen. Hohe Immobilienpreise, gestiegene Zinsen für Baufinanzierungen sowie der Fachkräftemangel führen zunehmend zu Stornierungen von Bauprojekten, auch seitens gewerblicher Kunden. Das belastet die Haushalte der Länder, denn sie sind die Empfänger der Grunderwerbsteuer. Doch zugleich profitieren auch sie von dem stärker steigenden Einkommens- und Umsatzsteueraufkommen. In der Summe wird die Einnahmesituation der Länder in den nächsten Jahren angespannter ausfallen.

Das dürfte sich auch auf die Haushalte der Gemeinden auswirken, deren Mittelausstattung die Länder sicherstellen müssen. Das ist für die Wirtschaft wichtig, wird doch von den Gemeinden ein überwiegender Teil der öffentlichen Investitionen gestemmt. Für die wichtigste eigene Einnahmequelle der Kommunen, die Gewerbesteuer, sagen die Steuerschätzer zwar in den kommenden Jahren ein stetiges Plus voraus. Das wird aber auch nur dann so eintreten, wenn die Unternehmen gut durch die aktuelle Energiekrise kommen werden.

Neue Prioritäten: stabilisieren und investieren

Höchste Priorität hat aktuell die Sicherung der Energieversorgung. Die Bundesregierung hat dafür in Form des reaktivierten Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds ein weiteres Sondervermögen in Höhe von bis zu 200 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Für die entsprechenden Kredite müssen zukünftig Tilgungs- und Zinsleistungen aufgebracht werden. Das gilt gleichermaßen für die im Zuge der Corona-Pandemie aufgenommenen Nettokredite des Bundes.

Umso wichtiger ist es, klare Prioritäten auf der Ausgabenseite öffentlicher Haushalte zu setzen. Schwerpunkte sollten dabei die Beschleunigung der Digitalisierung und des Transformationsprozesses der deutschen Wirtschaft sein. Auch die Stabilisierungshilfen für Unternehmen, die angesichts der stark gestiegenen Energiekosten um ihre Existenz kämpfen, dürfen keinesfalls aus dem Blick geraten.

Quelle: DIHK