Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 19.09.2023
Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist in den letzten Wochen von einem bereits hohen Niveau aus noch leicht angestiegen. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Für den Zeitraum von September bis Ende November weist der Indikator, der die neuesten verfügbaren Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 74,0 Prozent aus. Anfang August betrug sie für die folgenden drei Monate 71,5 Prozent. Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator zeigt wie in den Vormonaten „rot“, was eine akute Rezessionsgefahr markiert.
„Der deutschen Konjunktur fehlt es weiter an Wachstumsimpulsen, aus fast allen Richtungen kommen nach wie vor Gegenwinde“, sagt IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld über die aktuellen Ergebnisse.
Dass die Rezessionswahrscheinlichkeit bisher nicht zurückgeht, deute einerseits darauf hin, dass sich die erwartete konsumgestützte Erholung der Konjunktur verzögert und wahrscheinlich erst zum Jahresende beginnt. Hintergrund: Zwar konnten die Nominallohnzuwächse im zweiten Quartal 2023 erstmals seit über einem Jahr die Verbraucherpreisinflation ausgleichen. Da die Inflation aber nur langsam zurückgeht, bleibe der Reallohnzuwachs verhalten und eine durchgreifende Erholung des privaten Verbrauchs komme noch nicht in Gang. Dementsprechend wies die Produktion im Dienstleistungssektor nach einer stetigen Aufwärtsentwicklung seit Jahresanfang zuletzt einen leichten Knick auf.
Gleichzeitig leidet die Produktion in den energieintensiven Industrien unter anhaltend hohen Energiepreisen, woran sich ohne eine wirksame wirtschaftspolitische Initiative zur Stabilisierung nichts ändern werde, analysiert Hohlfeld. Die Lage im Baugewerbe dürfte sich nach der weiteren Erhöhung des EZB-Leitzinses und zunehmender Finanzierungskosten der Bauträger weiter verschärfen. Die deutsche Exportwirtschaft ist mit einer lahmenden Auslandsnachfrage konfrontiert, insbesondere aus China und den USA. Unter diesen Umständen ist für die Produktion der Industrie insgesamt derzeit bestenfalls eine Stagnation absehbar.
Zusätzlich zu diesen Negativ-Signalen aus der Realwirtschaft wirken sich im Konjunkturindikator auch noch die weitere Eintrübung der Stimmung im ifo-Geschäftsklimaindex sowie ein nochmaliger Anstieg der Geldmarktzinsen nachteilig aus. Die zuletzt gewachsenen Auftragseingänge des Verarbeitenden Gewerbes aus dem Ausland beeinflussen die Rezessionsprognose dagegen aktuell kaum, weil sie bislang durch Großaufträge geprägt sind, die oftmals einmalige Bestellungen widerspiegeln und somit nur eingeschränkt aussagekräftig für die konjunkturelle Grunddynamik sind.
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung