IMK Inflationsmonitor - 21. Mai 2025

Inflation für 8 von 9 Haushaltstypen unter oder bei Zielrate der EZB

Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 20.05.2025

Die Inflationsrate in Deutschland ist im April gegenüber März von 2,2 auf 2,1 Prozent gesunken und liegt damit fast am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Von neun verschiedenen Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, haben acht eine haushaltsspezifische Teuerungsrate unter oder genau beim Inflationsziel. Insgesamt reichte die Spannweite im April von 1,4 bis 2,2 Prozent, der Unterschied lag also bei 0,8 Prozentpunkten, zeigt der neue Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Inflationswelle im Herbst 2022 betrug die Spanne 3,1 Prozentpunkte. Während Haushalte mit niedrigen Einkommen, insbesondere Familien, während des akuten Teuerungsschubs der Jahre 2022 und 2023 eine deutlich höhere Inflation schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im April 2025 wie in den Vormonaten moderat: Der Warenkorb von Paaren mit Kindern und niedrigen Einkommen verteuerte sich um 1,4 Prozent. Auf 1,8 Prozent Inflationsrate kamen Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, in deren Warenkorb sich – mangels Auto – die gegenüber März deutlich gesunkenen Energie- und Kraftstoffpreise weniger stark auswirkten als bei den meisten Familien. Alleinerziehende sowie Paarfamilien mit jeweils mittlerem Einkommen wiesen mit 1,6 bzw. 1,7 Prozent ebenfalls relativ niedrige Teuerungsraten auf.

Als einziger Haushaltstyp hatten im April Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 2,2 Prozent eine Inflation leicht über der EZB-Zielrate. Es folgten Paare mit Kindern und hohen Einkommen (2,0 Prozent) sowie Paare ohne Kinder mit mittleren Einkommen (1,9 Prozent). Ein wichtiger Faktor dafür ist, dass diese drei Haushaltstypen am stärksten Pauschal- und Flugreisen nachfragen. Deren Preise zogen im April kräftig an, was entscheidend dazu beitrug, dass die Kerninflation, also die Teuerungsrate ohne die schwankungsanfälligen Posten Nahrungsmittel (im weiten Sinne) und Energie, gegenüber März stieg. Der Hintergrund ist allerdings undramatisch, betont Dr. Silke Tober, Autorin des monatlichen Inflationsmonitors: Anders als 2024 fiel Ostern in diesem Jahr auf den April. „Dass die Preise für Reisen steigen, ist eine normale Nachfragereaktion in der Ferienzeit“, sagt die IMK-Expertin für Geldpolitik. Alleinlebende mit mittleren bzw. höheren Einkommen verzeichneten im April Inflationsraten von je 1,8 Prozent.

Im Jahresverlauf 2025 dürfte sich die Inflationsrate weiter normalisieren und um den Wert von zwei Prozent schwanken, so die Prognose des IMK. Allerdings steigt durch den von US-Präsident Donald Trump provozierten Zollkonflikt das Risiko, dass sie sogar unter die Zielinflation fällt, warnt Tober. Denn auch wenn sich die handelspolitische Auseinandersetzung zeitweilig etwas beruhigt hat, treibt sie die Gefahr einer weltweiten Rezession hoch, die die Preisentwicklung zusätzlich dämpfen würde.

Tober hält weitere Zinssenkungen durch die EZB für erforderlich, denn bereits vor den Erschütterungen durch die erratische Politik der US-Regierung sei die Geldpolitik im Euroraum zu restriktiv für die schwache wirtschaftliche Dynamik gewesen. Die Zinssenkungen der vergangenen Monate hätten zwar für Entlastung gesorgt. Diese reiche aber noch nicht aus, zumal zuletzt der US-Dollar deutlich gegenüber dem Euro abgewertet hat, was die ohnehin verhaltenen Exportaussichten der Europäer bremse. Eine weitere „Lockerungen der geldpolitischen Zügel“ würde auch die Wirkung der von der neuen Bundesregierung vorgesehenen Investitionsoffensive in Deutschland angemessen flankieren, betont die Ökonomin. „In der aktuellen Situation sollten Geld- und Fiskalpolitik gemeinsam ein günstiges Umfeld für staatliche und private Investitionen schaffen, um durch eine starke Binnennachfrage die dämpfenden außenwirtschaftlichen Einflüsse abzufedern.“

Langfristiger Vergleich: Lebensmittel rund 40 Prozent teurer als 2019

Das IMK berechnet seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und zur Methode unten). In einer Datenbank liefert der Inflationsmonitor zudem ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen.

Die längerfristige Betrachtung illustriert, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen von der starken Teuerung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine besonders stark betroffen waren, weil Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Energie in ihrem Budget eine größere Rolle spielen als bei Haushalten mit hohen Einkommen. Diese wirkten lange als die stärksten Preistreiber, zeigt ein längerfristiger Vergleich, den Tober in ihrem neuen Bericht ebenfalls anstellt: Die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke lagen im April 2025 um 40,1 Prozent höher als im April 2019, also vor Pandemie und Ukrainekrieg. Damit war die Teuerung für diese unverzichtbaren Basisprodukte mehr als dreimal so stark wie mit der EZB-Zielinflation von kumuliert 12,6 Prozent in diesem Zeitraum vereinbar. Energie war trotz der Preisrückgänge in letzter Zeit um 35,7 Prozent teurer als im April 2019.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung