Klimaschutz - 29. November 2019

CO2-Steuer an der Grenze – was heißt das für die Wirtschaft?

DIHK, Mitteilung vom 28.11.2019

Die EU soll nach dem Willen der EU-Kommission bis 2050 die erste klimaneutrale Volkswirtschaft werden. Als wichtiges Instrument hierfür ist derzeit ein CO2-Grenzausgleich im Gespräch, damit strenge EU-Klimaschutzvorgaben nicht zum Wettbewerbsnachteil für europäische Unternehmen werden. Da ein solcher Mechanismus ein Novum wäre, wirft die Diskussion für die Wirtschaft wichtige Fragen auf: zu technischen und rechtlichen Herausforderungen wie auch zur Wirksamkeit.

Statt komplexem Alleingang Klimaschutz weltweit denken

Freier Handel und Klimaschutz sind kein Widerspruch. Gute Klimapolitik bietet für deutsche Unternehmen wirtschaftliche Chancen. So trägt die deutsche Wirtschaft durch den Export von Umwelttechnologien global zum Klimaschutz bei. Eine Vorbildfunktion der EU bei diesem Thema ist daher durchaus im Interesse der Betriebe. Die neue EU-Kommission plant nun, die europäischen Ziele für die Reduktion der Treibhausgasemissionen weiter zu verschärfen. Die Kosten pro emittierter Tonne CO2 würden auch für die Unternehmen signifikant steigen. Andere große Volkswirtschaften sind – jedenfalls aus heutiger Sicht – weit von einem ähnlich ambitionierten Kurs entfernt. Ein Alleingang birgt deshalb die Gefahr, dass energieintensive Unternehmen ihre Produktion in Länder außerhalb der EU verlagern könnten, in denen weniger strenge Auflagen gelten. Um dieses sog. Carbon Leakage zu verhindern, schlägt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine CO2-Grenzsteuer vor. Ein Modell wäre, Importe mit Zöllen zu belegen, um im Produktionsland anfallende und im Vergleich zur EU geringere CO2-Kosten auszugleichen. Europäische Exporteure, die in Drittländer liefern, würden dementsprechend höhere CO2-Kosten erstattet bekommen.

Gründliche Prüfung nötig

Bei solch einer grundlegenden Entscheidung ist es wichtig, dass die EU-Kommission frühzeitig und schon zu Beginn der Überlegungen detaillierte Folgenabschätzungen und umfassende Stakeholder-Konsultationen vorsieht. Bei der Bewertung der Optionen sollten bestehende Maßnahmen zum Schutz vor Carbon Leakage berücksichtigt werden. Im Emissionshandel der EU werden die Emissionsrechte zum Teil kostenlos an die energie- und handelsintensive Industrie verteilt. Solch wirksame Instrumente dürfen, wenn überhaupt, erst dann in Frage gestellt werden, wenn Alternativen effektiv und rechtssicher wirken. Denn es ist kaum vorstellbar, dass Grenzausgleich und kostenlose Zuteilung parallel zur Anwendung kommen.

Völkerrecht achten, Handelsverhandlungen nutzen

Für die internationalisierte deutsche Wirtschaft ist es von großer Bedeutung, dass neue Regelungen zu Carbon Leakage den globalen Handel nicht einschränken und in Zeiten zunehmender Handelskonflikte nicht zum Einfallstor für mehr Protektionismus werden. Ein Grenzausgleich müsste daher so ausgestaltet werden, dass er mit dem Recht der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar ist. Experten halten dies für möglich, jedoch scheint ein Konsens unter den 164 WTO-Mitgliedern für eine rechtliche Absicherung per „Klima-Waiver“ derzeit in weiter Ferne. Ein solcher Waiver würde es den Mitgliedern erlauben, von den üblichen Verpflichtungen der WTO abzuweichen, wenn dies für den Klimaschutz notwendig ist. Erforderlich wäre in jedem Fall ein feingliedriges und somit komplexes System, das für Unternehmen erheblichen Verwaltungsaufwand und hohe zusätzliche Kosten schaffen würde. Für jedes importierte Produkt müssten die Betriebe die angefallenen CO2-Emissionen treffsicher bestimmen und Informationen über die gezahlten CO2-Kosten bereitstellen. Dies wäre insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen kaum handhabbar.

Alternativen stärker in den Blick nehmen

Unter dem Strich wäre die EU gut beraten, mögliche Alternativen intensiv zu beleuchten. Einen greifbaren handelspolitischen Beitrag zum Klimaschutz würde das WTO-Umweltgüterabkommen leisten, indem der Handel mit für Klima- und Umweltschutz notwendigen Technologien erleichtert würde. Dessen Abschluss sollte Europa vorantreiben, um durch den Zollabbau weltweit erneuerbare Energien zu stärken. In den bilateralen Handelsabkommen kann die EU mit ehrgeizigen Energie- und Nachhaltigkeitskapiteln eine Vorreiterrolle spielen. Dem Klimaschutz gedient wäre auch, wenn Europa sich noch stärker als bisher für die globale Bepreisung von CO2 in besonders emissions- und handelsintensiven Branchen einsetzte.