Digitalisierung - 27. Oktober 2022

Beim Metaverse ist die deutsche Wirtschaft gespalten

Bitkom, Pressemitteilung vom 26.10.2022

  • 26 Prozent stehen dem Thema interessiert gegenüber, 29 Prozent ablehnend
  • 4 von 10 erwarten, dass Wettbewerber Angebote im Metaverse machen
  • Knapp jedes zweite Unternehmen plant innerhalb der nächsten fünf Jahre Investitionen ins Metaverse

Beim Metaverse zeigt sich die deutsche Wirtschaft gespalten, Skepsis und Aufgeschlossenheit halten sich die Waage. Rund jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) steht dem Thema generell interessiert und aufgeschlossen gegenüber, ähnlich viele (29 Prozent) aber kritisch und ablehnend. 34 Prozent sind noch unentschieden. Jedes Vierte (26 Prozent) sieht im Metaverse eine Chance für das eigene Unternehmen, jedes Fünfte (20 Prozent) ein Risiko. Ein Drittel (33 Prozent) geht davon aus, dass das Metaverse keinen Einfluss auf das eigene Unternehmen hat, 21 Prozent trauen sich noch keine Einschätzung zu. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 604 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Eine knappe Mehrheit (58 Prozent) ist allerdings der Meinung, das Metaverse werde das Internet deutlich verändern und biete eine Vielzahl neuer Geschäftsmöglichkeiten. 42 Prozent halten es aber für einen kurzfristigen Hype, der die Erwartungen nicht erfüllen und bald wieder verschwinden werde. „Das Metaverse setzt auf einer Vielzahl vergleichsweise junger Technologien auf, wie etwa der Blockchain oder auch Virtual Reality. In der Tech-Szene erwarten so Manche eine regelrechte Revolution des Internets. Ob sich dies bewahrheitet, ist derzeit völlig offen“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Wichtig ist, dass die deutschen Unternehmen dieser Technologie offen gegenüberstehen und sehr aufmerksam beobachten, wie sie sich entwickelt und was sie ihnen bieten kann.“

Das Metaverse ist keine virtuelle Parallelwelt, sondern sowohl eine 3D-Erweiterung des Internets als auch eine virtuelle Erweiterung der realen Welt. Dabei existieren zahlreiche Verbindungen zwischen realer und virtueller Welt: mit echtem Geld werden virtuelle Güter gekauft, digitale Zwillinge und Avatare bilden reale Maschinen und Personen ab, digitale Informationen werden per Augmented Reality in unserem Sichtfeld angezeigt. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen dabei vom virtuellen Besuch von Konzerten oder den Einkaufsbummel durch rein digitale Shopping-Malls bis zu virtuellen Meetings von über Kontinenten verteilten Teams und zum digitalen Zwilling realer Fabriken, in dem Änderungen am Produktionsprozess getestet werden können. Bis zum Jahr 2030 prognostizieren verschiedene Beratungsunternehmen ein weltweites Marktvolumen von mehreren Hundert Milliarden Euro für Angebote rund um das Metaverse.

Die deutschen Unternehmen sehen eine Reihe von Vorteilen, die eine Nutzung des Metaverses bringen kann. Jedes Zweite (49 Prozent) hält eine bessere Zusammenarbeit innerhalb von Unternehmen für möglich, etwa über virtuelle Konferenzen. Mehr als jedes Dritte (37 Prozent) sagt, das Metaverse ermögliche, völlig neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Jeweils ein Fünftel erwartet einen Zugang zu völlig neuen Kundengruppen (22 Prozent) und völlig neue Arten, mit Kunden zu interagieren (21 Prozent). 15 Prozent gehen davon aus, dass sich bestehende Produkte und Dienstleistungen für das Metaverse anpassen lassen, und 11 Prozent nehmen an, dass das Metaverse Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil ermögliche. „Das Metaverse lässt sich unternehmensintern ebenso nutzen wie als Ort, um Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Vieles hängt davon ab, ob es den Anbietern von Metaverse-Lösungen gelingt, eine hohe Anzahl gewerblicher Nutzer von den Chancen zu überzeugen“, so Rohleder.

Für das eigene Unternehmen können sich die Befragten vor allem virtuelle Meetings zur unternehmensinternen Zusammenarbeit, virtuelle Unternehmensrepräsentanzen und Schulungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Metaverse (jeweils 44 Prozent) vorstellen. Aber auch Teambuilding-Events (41 Prozent), Produktpräsentationen (39 Prozent) und Produktverkäufe (35 Prozent) gelten als interessant. Mit etwas Abstand folgen die Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (28 Prozent), die Bereitstellung von Dienstleistungen (24 Prozent) und Marketing (22 Prozent). Kaum ein Unternehmen (2 Prozent) hält direkte Investitionen ins Metaverse wie etwa mit virtuellen Landkäufen für interessant. 4 von 10 Unternehmen (40 Prozent) können sich derzeit ganz grundsätzlich keine lohnende Aktivität im Metaverse vorstellen.

Allgemein gehen zwei Drittel (68 Prozent) der Unternehmen davon aus, dass das Metaverse noch weit entfernte Zukunftsmusik ist. Allerdings sagen auch 14 Prozent, dass das Metaverse das bisherige Geschäftsmodell bedroht. Und fast jedes vierte Unternehmen (23 Prozent) sieht sogar die Existenz des gesamten Unternehmens durch das Metaverse bedroht. Und 4 von 10 (44 Prozent) rechnen damit, dass Wettbewerber das Metaverse nutzen werden. Ähnlich viele (40 Prozent) halten dies aber für ausgeschlossen.

In der deutschen Wirtschaft wird das Metaverse aktuell vor allem für die Freizeit- und Gaming-Branche als interessant eingeschätzt (65 Prozent). Eine Mehrheit hält es zudem jeweils für digitale Plattformen (56 Prozent), Endverbraucher (56 Prozent), die Aus- und Weiterbildung (54 Prozent), den Tourismus (52 Prozent) sowie die Mode-Branche (51 Prozent) für relevant. Dahinter folgen die Musikbranche (48 Prozent), Unternehmen, die sich direkt an Endverbraucher wenden (48 Prozent), das Gesundheitswesen (46 Prozent) sowie Unternehmen, die sich an Geschäftskunden richten (45 Prozent). 3 von 10 (31 Prozent) der Unternehmen sehen im Metaverse zudem eine Chance für die öffentliche Verwaltung. „Es gibt eigentlich keinen Bereich, in dem man sich die Nutzung von Metaverse-Anwendungen nicht vorstellen“, so Rohleder. „Dabei geht es längst nicht nur um Entertainment. Eine Fortbildung kann in der virtuellen Realität ebenso effektiv sein wie etwa die Konsultation eines Arztes.“

Die Unternehmen sehen eine Vielzahl von Herausforderungen rund um das Metaverse. So wird beklagt, dass die Technologie noch nicht ausgereift ist (76 Prozent) und es an Standardisierung von Metaverse-Anwendungen fehlt (48 Prozent). Aber auch der Nutzen wird allgemein noch in Frage gestellt. So fehlt es zwei Dritteln (66 Prozent) an praktischen Anwendungen, ähnlich viele (63 Prozent) wollen erst mal abwarten, was andere mit dem Metaverse machen. 39 Prozent sehen für das eigene Unternehmen grundsätzlich keinen Nutzen, und 16 Prozent haben ihre Investitionen in anderen Trendthemen gebunden. Aber auch die Regulierung in Deutschland blockiert den Weg ins Metaverse. 62 Prozent beklagen die Anforderungen an den Datenschutz, 46 Prozent sehen rechtliche Unsicherheiten im Metaverse, und 29 Prozent sorgen sich um Anforderungen an die IT-Sicherheit. Unternehmensinterne Hemmschuhe sind derzeit fehlendes Know-how (62 Prozent) und fehlendes qualifiziertes Personal (35 Prozent), aber auch unzureichende Budgets (23 Prozent). 15 Prozent fehlt es an der Zeit, sich mit dem Metaverse zu beschäftigen. „Damit das Metaverse ein Erfolg wird, braucht es dringend Standards und Interoperabilität. Die wenigsten Unternehmen werden Zeit und Geld in die Hand nehmen, um bei einer Metaverse-Lösung dabei zu sein, wenn sie Gefahr laufen, auf das falsche Pferd zu setzen“, sagt Rohleder.

Die aktuelle Unsicherheit hat Folgen: 47 Prozent haben sich inhaltlich noch nicht tiefer mit dem Metaverse beschäftigt und haben das auch nicht vor. Ein Viertel (27 Prozent) hat sich zwar noch nicht damit beschäftigt, kann sich das aber zumindest für die Zukunft vorstellen, und 12 Prozent haben es sogar fest vor. Erst 4 Prozent der Unternehmen haben sich weniger, 2 Prozent sehr intensiv mit dem Metaverse auseinandergesetzt. „Einfach irgendwie im Metaverse dabei sein zu wollen, ist sicher keine geeignete Strategie. Im Moment geht es vor allem darum, die kommenden Entwicklungen sehr aufmerksam zu verfolgen und frühzeitig fürs eigene Unternehmen nutzbar zu machen“, so Rohleder.

Rund die Hälfte der Unternehmen (45 Prozent) plant Investitionen rund um das Metaverse. 2 Prozent wollen noch in diesem Jahr investieren, 8 Prozent haben das für das kommende Jahr vorgesehen. Und 41 Prozent sind überzeugt, 2024 oder in den nächsten fünf Jahren entsprechende Investitionen zu tätigen.

Den Weg ins Metaverse erleichtern würden der deutschen Wirtschaft vor allem bessere Informationen über marktfähige Metaverse-Anwendungen (66 Prozent). Aber auch die finanzielle Förderung von Metaverse-Projekten in Unternehmen (52 Prozent) und Hilfestellung bei der rechtlichen Beurteilung des Einsatzes (48 Prozent) stehen auf der Wunschliste. Jeweils 45 Prozent würde eine bessere Verfügbarkeit von Fachkräften und der Ausbau von Forschungsaktivitäten an Hochschulen helfen, 43 Prozent haben Interesse an Roadshows und Konferenzen, die konkrete Anwendungen zeigen, 41 Prozent am Austausch mit Unternehmen, die beim Thema bereits weiter sind. Jeweils einem Viertel würden der Austausch mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen (27 Prozent) sowie eine externe Bewertung der Qualität von Metaverse-Anwendungen (26 Prozent) helfen.

Aktuell droht Deutschland nach Einschätzung der Unternehmen beim noch jungen Thema Metaverse international abgehängt zu werden. Praktisch kein Unternehmen hält Deutschland beim Metaverse für weltweit führend (0 Prozent) oder in der Spitzengruppe (0 Prozent). Nur 4 Prozent verorten Deutschland im Mittelfeld, aber 30 Prozent unter den Nachzüglern, und 56 Prozent halten Deutschland bereits für abgeschlagen. 11 Prozent trauen sich keine Einschätzung zu. Rohleder: „Das Metaverse kann sich zu einem technologischen Megatrend entwickeln. Wir dürfen hier nicht an der Seitenlinie stehen und zuschauen, was unsere Wettbewerber tun. Gerade in dieser Frühphase ist der Gestaltungsspielraum besonders groß. Ihn müssen wir nutzen.“

Bitkom hat das Metaverse Forum gestartet, um Akteure des Metaverse zusammenzubringen, aktuelle Entwicklungen rund um das Thema zu diskutieren und das Metaverse gemeinsam voranzutreiben und zu gestalten. (…)

Quelle: Bitkom