Umsatzsteuer - 4. Oktober 2022

Zum Begriff des ausübenden Künstlers i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2022 zum Urteil 4 K 153/20 vom 17.05.2022 (nrkr - BFH-Az.: V R 11/22)

Mit Urteil vom 17. Mai 2022 (Aktenzeichen 4 K 153/20) hat der 4. Senat des Finanzgerichts entschieden, dass am üblichen Brauchtum orientierte Trauerreden regelmäßig nicht als künstlerische Darbietungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zu qualifizieren sind. Die nach der Rechtsprechung des BFH erforderliche schöpferische Gestaltungshöhe werde nicht bereits durch einen niveauvollen Redetext erreicht. Für die Abgrenzung einer künstlerischen von einer herkömmlichen unternehmerischen Betätigung komme es nicht auf die subjektive Einschätzung des Leistungserbringers, sondern auf die allgemeine Verkehrsanschauung bzw. die Perspektive des Verbrauchers an. Handele es sich bei der Trauerrede um ein Auftragswerk, das auf der Grundlage eines herkömmlichen, von der typischen Erwartungshaltung des Bestellers geprägten Redegerüsts erstellt werde, dann trete eine mögliche künstlerische Ausschmückung der Rede und/oder ein subjektiv als Kunst empfundenes Tätigwerden hinter dem Gebrauchswert des Werks zurück.

In dem Rechtsstreit ging es um die Abgrenzung einer künstlerischen von einer herkömmlichen unternehmerischen Betätigung. Der Kläger, ein Diplom-Theologe mit absolvierter Ausbildung zum evangelischen Pastor, begehrte für seine Umsätze als Trauerredner den ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG (Darbietungen ausübender Künstler). Der BFH hatte zuvor mit Urteil vom 3. Dezember 2015 (Aktenzeichen V R 61/14) entschieden, dass ein Trauer- oder Hochzeitsredner ausübender Künstler ist, wenn seine Leistungen eine „schöpferische Gestaltungshöhe“ erreichen. Demgegenüber spreche gegen die Einordnung einer Redetätigkeit als Kunst, wenn sie sich im Wesentlichen auf „eine schablonenartige Wiederholung anhand eines Redegerüstes“ beschränke.

Der Kläger betonte die besondere Qualität und Individualität seiner Reden, welche stets in ein künstlerisches Arrangement eingebunden seien und wie eine Theaterkulisse wirkten. Dem trat das Finanzamt entgegen. Die vorgelegten Texte über Trauerreden seien zwar von Empathie und sprachlicher Geschicklichkeit geprägt. Sie höben sich jedoch nicht aus der Masse der zu solchen Anlässen gehaltenen Reden heraus. Es fehle deshalb die erforderliche individuelle schöpferische Gestaltungshöhe.

Der 4. Senat des Finanzgerichts hatte in Auseinandersetzung mit dem verfassungs- und steuerrechtlichen Kunstbegriff versucht, die vom BFH vorgegebenen Abgrenzungskriterien näher zu operationalisieren und den verbleibenden Wertungsspielraum anhand objektivierbarer Kriterien auszufüllen. Er hat deshalb bei der Würdigung der Reden ergänzend auf die Verkehrsanschauung und die Verbraucherperspektive abgestellt.

Aufgrund der funktionalen Einbindung der Reden in vom Brauchtum geprägte Trauerfeiern und mit Blick auf den üblichen Erwartungshorizont der Auftraggeber gelangte der 4. Senat zu der Überzeugung, dass die Leistungen des Klägers trotz hohen sprachlichen Niveaus nicht als künstlerische Darbietung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zu qualifizieren sind.

Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden, das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen V R 11/22 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Newsletter III/2022