FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 15.10.2020 zum Urteil 1 K 2492/19 vom 04.06.2020 (nrkr - BFH-Az.: XI R 19/20)
Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) entschied mit Urteil vom 4. Juni 2020 im zweiten Rechtsgang (Az. 1 K 2492/19), dass der Kläger die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug darzulegen habe. Habe das Gericht Zweifel daran, dass die Lieferungen tatsächlich vom Rechnungsaussteller an den Kläger ausgeführt worden sind, sei insoweit ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Außerdem hätte der Kläger erkennen können, dass er in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden gewesen sei. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. XI R 19/20 anhängig.
Der Kläger hatte zunächst einen Großhandel mit Schmuck, Textilien und Kosmetik neben seiner Angestelltentätigkeit in der Goldbranche und ab 1. November 2010 einen Großhandel mit Schmuck im Haupterwerb angemeldet. Er gab an, Altgold von vier Großlieferanten bezogen zu haben und machte aus den Gutschriften im Streitjahr 2010 Vorsteuern geltend. Bis August 2010 hatte der Kläger wöchentlich 30 bis 40 Kilogramm Altgold an die Scheideanstalt S-AG geliefert und an die Bank verkauft, die an der S-AG beteiligt war. Sodann veränderten sich die Geschäftsbeziehungen. Auf Nachfrage des Klägers riet ihm die Creditreform von Geschäften mit einigen Partnern ab. Der Kläger führte diese dennoch fort, erhielt nach seinen Angaben eine Gewinnmarge von ca. 0,5 % des für die Transaktionen erzielten Preises und die ihm in Rechnung gestellten Scheidekosten von seinen Lieferanten. Er habe kein Risiko gesehen, da ihm das Altgold in seine betrieblichen Räume geliefert und von ihm verarbeitet worden sei. Die Bank erstattete im August 2010 eine Geldwäscheverdachtsanzeige an das Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Ein Strafverfahren gegen den Kläger wurde eingeleitet und zwischenzeitlich eingestellt. Die Steuerfahndung gelangte zu dem Ergebnis, die vom Kläger erklärten Vorsteuerbeträge seien nicht abziehbar. Dieser sei insoweit kein Unternehmer und zudem nur „Schein-Eigentümer“ der angelieferten Waren gewesen. Die in den Gutschriften genannten Leistenden seien nicht die tatsächlichen Lieferer. Es fehle insoweit an einem Leistungsaustausch. Rechnungen bzw. Gutschriften seien formell mangelhaft. Daraufhin kürzte das beklagte Finanzamt die Vorsteuerbeträge und setzte unberechtigt ausgewiesene Steuerbeträge nach § 14c Umsatzsteuergesetz (UStG) fest.
Die vom Kläger erhobene Klage (Az. 1 K 2497/14) ruhte zunächst wegen anderer anhängiger Verfahren und wurde mit Urteil vom 31. Dezember 2019 (Az. 1 K 2037/18) überwiegend abgewiesen. Nach Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 3. Juli 2019 (Az. XI B 17/19) die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Sie erhielt das Az. 1 K 2492/19.
Das FG wies mit Urteil vom 4. Juni 2020 die Klage im Wesentlichen erneut ab. Es ließ offen, ob der Kläger alle Edelmetalllieferungen tatsächlich ausgeführt hat. Entweder schulde dieser die Umsatzsteuer als der die Lieferung ausführende Unternehmer oder weil er Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen habe.
Das FG war davon überzeugt, dass der Kläger im Streitjahr Unternehmer gewesen sei und (teilweise) Umsätze tatsächlich ausgeführt habe. Die vom Finanzamt angesetzten Umsätze seien jedoch nicht nachvollziehbar. Infolgedessen berechnete das Gericht die Bemessungsgrundlage neu.
Das FG gewährte jedoch nicht den vom Kläger begehrten Vorsteuerabzug. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass alle abgerechneten Lieferungen von den genannten Firmen tatsächlich ausgeführt worden waren. Es hatte bei einer Vielzahl der Lieferungen Zweifel daran, dass Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind. Eine Identität sei jedoch Voraussetzung für einen Vorsteuerabzug. Obliege dem Kläger hierfür die objektive Beweislast (Feststellungslast), trage er die steuerlichen Nachteile, wenn ihm der Nachweis nicht gelinge. Hinzu komme, dass einige Rechnungen formelle Mängel aufwiesen und schon deshalb ein Vorsteuerabzug ausscheide. So sei zum Teil nicht der vollständige Name des Leistenden angegeben worden und der Kläger habe auch keine weiteren Informationen, z.B. Vertragsunterlagen, vorgelegt, aus denen sich dieser ergeben könnte.
Das Gericht führte ergänzend aus, dass selbst dann, wenn tatsächlich Lieferungen an den Kläger erfolgt seien, Vorsteuerbeträge nicht zu gewähren seien. Der Kläger hätte nach den Gesamtumständen wissen müssen, dass die betreffenden Umsätze in einen Mehrwertsteuerbetrug eingebunden gewesen seien. Der Kläger habe die gebotene Sorgfalt eines Unternehmers in grobem Ausmaß außer Acht gelassen. Er habe die erheblichen Umsatzsteigerungen, die große Entfernung der Betriebsstätten sowie die Auskünfte der Creditreform ignoriert. Diese hätten Anlass für weitere Erkundigungen gegenüber den (angeblichen) Vorlieferanten über die Herkunft der Edelmetalle gegeben. Hinzu komme, dass ein angeblicher Vorlieferant nach seinem Geschäftszweck nicht einmal im Edelmetallgeschäft tätig gewesen sei, Edelmetallmengen ohne jegliche Sicherheiten angeliefert worden seien und nur der Kläger – ohne Vertragsunterlagen seiner Geschäftspartner – die Scheideanstalt aufgesucht und Zahlungen über die Bank veranlasst habe. Dennoch habe der Kläger keine weiteren Auskünfte eingeholt, sondern auch noch gegenüber der Bank unrichtige Angaben gemacht.
Quelle: FG Baden-Württemberg