Abgabenordnung - 28. März 2022

Vorläufige Steuerfestsetzung im Hinblick auf anhängige Musterverfahren (§ 165 Abs. 1 Satz 2 AO) – Aussetzung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 3 - S-0338 / 19 / 10006 :001 vom 28.03.2022

Verfassungsmäßigkeit des Abzugs einer zumutbaren Belastung bei der Berücksichtigung von Krankheits- und Pflegekosten als außergewöhnliche Belastungen

Die Anweisung zur vorläufigen Festsetzung der Einkommensteuer wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Abzugs einer zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Krankheits- und Pflegekosten als außergewöhnliche Belastungen wird durch das BMF-Schreiben vom 28. März 2022 aufgehoben.

„Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (u. a. BFH-Entscheidungen vom 2. September 2015, VI R 32/13, BStBl 2016 II S. 151; vom 29. September 2016, III R 62/13, BStBl 2017 II S. 259; vom 25. April 2017, VIII R 52/13, BStBl II S. 949 und vom 19. Januar 2017, VI R 75/14, BStBl II S. 684) ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, bei Krankheitskosten generell auf den Ansatz einer zumutbaren Belastung zu verzichten.

Auch Aufwendungen für Krankheit und Pflege sind nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich nur als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, soweit sie den Betrag der zumutbaren Belastung nach § 33 Absatz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) überschreiten. Der Wortlaut der Regelung sei eindeutig und differenziere bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung nicht zwischen Aufwendungen für Krankheit und Pflege und anderen als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Aufwendungen. Die gegen die vorgenannten Entscheidungen erhobenen Verfassungsbeschwerden wurden vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Nichtannahmebeschlüsse vom 23. November 2016, 2 BvR 180/16, vom 6. Juni 2018, 2 BvR 1936/17, vom 17. September 2018, 2 BvR 1205/17, und vom 18. September 2018, 2 BvR 221/17).

Die zuletzt u. a. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Abzugs einer zumutbaren Belastung nach § 33 Absatz 3 EStG bei der Berücksichtigung von Krankheits- und Pflegekosten als außergewöhnliche Belastungen geführten Revisionsverfahren sind mittlerweile ebenfalls beendet. Der Bundesfinanzhof hat mit Beschlüssen vom 1. September 2021, VI R 18/19, BFH/NV 2022 S. 13, und vom 4. November 2021, VI R 48/18, BFH/NV 2022 S. 120, seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Damit ist der Grund für eine vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer insoweit entfallen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher Folgendes:

In der Anlage zum BMF-Schreiben vom 15. Januar 2018, BStBl I S. 2, die zuletzt durch BMF-Schreiben vom 31. Januar 2022, BStBl I S. 131, neugefasst worden ist, wird die bisherige Nummer

„2. Abzug einer zumutbaren Belastung (§ 33 Absatz 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung“

mit sofortiger Wirkung gestrichen. Ein Ruhenlassen außergerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren kommt insoweit nicht mehr in Betracht.“

Die Anlage zum BMF-Schreiben vom 15. Januar 2018 (Abschnitte A und B), a. a. O., wird mit sofortiger Wirkung neu gefasst.

(…)

Quelle: BMF