Körperschaftsteuer - 30. März 2022

Verfassungsmäßigkeit der Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG auf dem Prüfstand

DStV, Mitteilung vom 29.03.2022

Erneut steht eine Regelung des § 8c KStG auf der Kippe. Diesmal betrifft es den vollständigen Verlustuntergang bei einer Anteilsübertragung von über 50 %. Der DStV kommt in seiner Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass auch § 8c Satz 2 KStG a. F. gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist erneut zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der körperschaftsteuerlichen Verlustvestärrechnung gefragt. Es bat u. a. den Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV) um seine Einschätzung. In seiner Stellungnahme S 04/22 zum Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Hamburg (Az. 2 K 245/17) hat er die Norm des § 8c Satz 2 KStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (im Folgenden: § 8c Satz 2 KStG a. F.) unter die Lupe genommen.

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG

Der DStV kommt zu dem Ergebnis, dass die Regelung des § 8c Satz 2 KStG a. F. gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Kapitalgesellschaften mit und ohne schädlichem Anteilseignerwechsel werden ungleich behandelt und das Trennungsprinzip wird durchbrochen. Dem gegenüber stehen keine hinreichenden Rechtfertigungsgründe:

Ziel der Missbrauchsbekämpfung kein Rechtfertigungsgrund

Die Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung, um Missbrauch zu bekämpfen, ist aus Sicht des DStV kein sachgerechter Grund für die Differenzierung. Unter die Regelung zum Verlustabzug fallen nicht ausschließlich typische Missbrauchsfälle wie der „Mantelkauf“. Wie auch das BVerfG in einer früheren Entscheidung festgestellt hat (vgl. Beschl. v. 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11), werden vielmehr viele Fälle von Anteilsübertragungen ohne missbräuchliche Gestaltung durch § 8c Satz 2 KStG a. F. erfasst. Daher erachtet der DStV die dem Gesetzgeber grundsätzlich zustehende Berechtigung zur Typisierung als überschritten.

Keine generalisierende Änderung der wirtschaftlichen Identität

Grundsätzlich gilt im Steuerrecht, dass das Steuersubjekt, das den Verlust erlitten hat, den Verlustabzug nutzen darf. Die wirtschaftliche Identität einer Kapitalgesellschaft ist hier von Bedeutung. Der DStV führt in seiner Stellungnahme S 04/22 aus, dass eine Änderung der wirtschaftlichen Identität der Gesellschaft nicht regelmäßig angenommen werden kann, wenn ein Anteilseignerwechsel stattfindet. Vielmehr prägen auch Unternehmensgegenstand und Betriebsvermögen die wirtschaftliche Identität. Auch bei Wechsel des Mehrheitsanteilseigners kann nicht generalisierend davon ausgegangen werden, dass sich die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft ändert. Daher sieht der DStV die Rechtsfolge des vollständigen Verlustuntergangs bei einer Anteilsübertragung von mehr als 50 % als nicht gerechtfertigt.

Kein Verstoß gegen den Art. 14 GG

Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG kann nach Auffassung des DStV hingegen nicht angenommen werden. Zwar sind die Altgesellschafter vom Untergang der Verlustvorträge betroffen, da deren Beteiligung möglicherweise an Wert verliert. Die Altgesellschafter sind jedoch nicht Adressat der Regelung des § 8c KStG a. F., sodass diese Vorschrift nicht direkt in die Vermögenssphäre der Gesellschafter eingreift. Vielmehr ist aufgrund des Trennungsprinzips das Vermögen der Kapitalgesellschaft gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbstständig.

Verfassungsmäßigkeit ab 01.01.2016

Der DStV spricht sich dafür aus, dass die Regelung des § 8c KStG in den ab 01.01.2016 geltenden Fassungen noch als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen werden kann. Hintergrund ist die Einführung des § 8d KStG zum fortführungsgebundenen Verlustvortrag. Durch die Möglichkeit der Verlustnutzung bei Fortführung des Geschäftsbetriebs wird die Regelung des § 8c KStG deutlich entschärft.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V. – www.dstv.de