BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 2 - S 7124/00010/002/109 vom 31.03.2025
Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die umsatzsteuerliche Behandlung des Direktverbrauchs aus dem Betrieb von Anlagen zur Energieerzeugung Folgendes:
- Grundsätze der BFH-Urteile XI R 18/21, V R 22/21, V R 34/20 und XI R 31/19
- Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlass
- Anwendungsregelung
- Schlussbestimmungen
Grundsätze der BFH-Urteile XI R 18/21, V R 22/21, V R 34/20 und XI R 31/19
Mit den Urteilen vom 29. November 2022, XI R 18/21, und vom 11. Mai 2023, V R 22/21, hat der BFH entschieden, dass die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gemäß § 4 Absatz 3a KWKG 2009 nicht zu einer Lieferung im Sinne von § 3 Absatz 1 UStG führe. Der von einem Anlagenbetreiber erzeugte und dezentral verbrauchte Strom würde daher weder an den Stromnetzbetreiber geliefert noch an den Anlagenbetreiber zurückgeliefert. Der sog. Direktverbrauch bei zuschlagsberechtigten KWK-Anlagen führe im Ergebnis nicht zu einer Lieferung an den Betreiber des Stromnetzes (Netzbetreiber).
Zur Begründung dieser Entscheidungen führt der BFH aus, dass eine steuerbare Lieferung erfordere, dass der Unternehmer die Verfügungsmacht an einem Gegenstand gegen Entgelt verschaffe. Lieferungen seien nach § 3 Absatz 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähige, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Als Lieferung von Gegenständen gelte danach die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Der vom Anlagenbetreiber erzeugte und selbst verbrauchte Strom werde jedoch bereits verwendet und könne somit für eine Lieferung an den Netzbetreiber nicht mehr zur Verfügung stehen. Infolge der fehlenden Einspeisung des Stroms in das allgemeine Stromnetz werde weder Substanz noch Wert oder Ertrag des erzeugten und dezentral verbrauchten Stroms übertragen. Die Netzbetreiber hätten über den dezentral verbrauchten Strom der Anlagenbetreiber keine Verfügungsmacht erlangt. Insoweit würde kein Strom in das Netz des Netzbetreibers eingespeist.
Zum anderen stellte der BFH fest, dass eine Stromlieferung von dem Netzbetreiber an den KWK-Anlagenbetreiber nicht fingiert werden könne. Aus einer bloßen Vergütungsregelung, wie sie in § 4 Absatz 3a KWKG 2009 normiert sei, folge nicht, dass der Zahlende Empfänger einer Leistung sei. Folglich sei die Lieferung des Anlagenbetreibers an den Netzbetreiber auf die tatsächlich in das Netz eingespeiste Menge begrenzt. Eine fiktive Rücklieferung der selbst verbrauchten Menge sei damit hinfällig. Die Verneinung der Lieferung im Anwendungsbereich des § 4 Absatz 3a KWKG 2009 spreche auch dafür, dass es auch im Rahmen der sog. kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung nicht zu einer Lieferung komme. Denn der Anlagenbetreiber „lieferte“ den selbst erzeugten Strom in seinem eigenen Stromnetz (sog. Kundenanlage), ohne bilanziell eine Stromeinspeisung in das Elektrizitätsversorgungsnetz und eine Stromentnahme aus dem Elektrizitätsversorgungsnetz vorzunehmen.
Mit den Urteilen vom 15. März 2022, V R 34/20, und vom 9. November 2022, XI R 31/19, hat der BFH zur Umsatzbesteuerung der Wärmeabgabe aus einem Blockheizkraftwerk bzw. aus einer Biogas-Anlage entschieden, dass der Ansatz des durchschnittlichen Fernwärmepreises anstelle anteiliger Selbstkosten als Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe gegen § 10 Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 UStG verstoße und daher unzulässig sei. Die Bemessungsgrundlage für eine unentgeltliche Wertabgabe von Wärme nach § 3 Absatz 1b Satz 1 Nr. 1 UStG ist nach den Selbstkosten zu bestimmen, wenn ein Einkaufspreis für den entnommenen oder für einen gleichartigen Gegenstand am Markt nicht ermittelt werden kann. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Anlage zur Produktion von Wärme nicht auch an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist.
Außerdem hat die Aufteilung der Selbstkosten nicht nach der „energetischen Methode“ (Aufteilung nach der erzeugten Menge an elektrischer und thermischer Energie (in kWh)), sondern vielmehr anhand der Marktpreismethode zu erfolgen, bei der auf einen tatsächlichen oder ggf. fiktiven Umsatz (Marktwert) abzustellen ist.
Nicht nur natürliche Personen im Sinne des § 15 AO, sondern auch Gesellschaften, an denen der Unternehmer beteiligt ist, können nahestehende Personen sein, wenn zwischen Unternehmer und Gesellschaft enge rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Beziehungen bestehen.
Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 27. März 2025 – III C 3 – S 7359/00050/005/072 (COO.7005.100.4.11595031), BStBl I S. xxx, geändert worden ist, wird (…) geändert.
(…)
Anwendungsregelung
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Es wird jedoch – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn die Beteiligten für vor dem 1. Januar 2026 ausgeführte Umsätze übereinstimmend Abschnitt 2.5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses in der bis zum 31. März 2025 geltenden Fassung anwenden.
Bei vor dem 1. Januar 2026 ausgeführten Lieferungen im Rahmen der Direktvermarktung von KWK-Anlagen, für die ein Anspruch auf einen KWK-Zuschlag besteht, wird es jedoch nicht beanstandet, wenn zwischen Netzbetreiber und Anlagenbetreiber übereinstimmend – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – der nun in Abschnitt 2.5. Absatz 13 Satz 2 UStAE geregelte KWK-Zuschlag als ein steuerbares und steuerpflichtiges Entgelt beurteilt wurde.
Das BMF-Schreiben vom 19. September 2014 – IV D 2 – S 7124/12/10001-02 – BStBl I S. 1287 wird aufgehoben.
Schlussbestimmungen
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Quelle: Bundesministerium der Finanzen