Gewerbesteuer - 7. April 2021

Tonnagebesteuerung: Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Änderung des § 7 Satz 3 GewStG

FG Hamburg, Mitteilung vom 07.04.2021 zum Urteil 6 K 306/19 vom 10.12.2020 (nrkr - BFH-Az.: IV R 1/21)

  1. Im Fall des Übergangs von der pauschalen Gewinnermittlung nach § 5a EStG zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ergibt sich die AfA-Bemessungsgrundlage für das Handelsschiff für Wirtschaftsjahre, die bis zum 31. Dezember 2018 beginnen, aus dem gemäß § 5a Abs. 6 EStG anzusetzenden Teilwert abzüglich des Schrottwertes.
  2. Der Begriff des Ausscheidens in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG umfasst jeden Verlust der Mitunternehmerstellung unabhängig davon, ob der Gesellschafter unentgeltlich oder entgeltlich, im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge ausscheidet.
  3. § 7 Abs. 3 GewStG i. d. F. des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl I 2019, 2451) steht der Kürzung des Gewinns aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nach § 9 Nr. 3 GewStG entgegen.
  4. Die in § 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG angeordnete rückwirkende Geltung dieser Gesetzesänderung ist verfassungsgemäß. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf, dass hinzugerechnete Unterschiedsbeträge nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen wären, konnte sich im Streitjahr 2013 nicht entwickeln.

In dem Klageverfahren einer Einschiffsgesellschaft ging es gleich um ein Bündel von Streitfragen, und zwar darum, ob nach dem Rückwechsel von der Tonnagebesteuerung zur Besteuerung durch Vermögensvergleich AfA auf den Teilwert des Schiffes zu berücksichtigen ist, ob Unterschiedsbeträge hinzuzurechnen sind, die auf ausgeschiedene Gesellschafter (Tod oder Schenkung) entfallen und schließlich ob der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG zu kürzen ist, soweit er auf der Hinzurechnung von Unterschiedsbeträgen beruht.

In formeller Hinsicht war überdies streitig, ob das als Untätigkeitsklage erhobene Begehren zulässig war; insoweit hatte das Finanzamt keine Einspruchsentscheidung erlassen, weil es auf einen Nichtanwendungserlass für das BFH-Urteil IV R 35/16 warten wollte. Dies hat das Gericht nicht akzeptiert und die Untätigkeitsklage als zulässig angesehen. Die Klägerin hatte der Anordnung der Verfahrensruhe widersprochen und die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Seither waren bis zur mündlichen Verhandlung 13 Monate verstrichen.

In der Sache hat der Senat die AfA nach Maßgabe des BFH-Urteils vom 25. Oktober 2018, IV R 35/16, nach § 5a Abs. 6 EStG abzüglich des Schrottwertes angesetzt. Die mit JStG 2019 eingeführte Änderung war für das Streitjahr 2013 noch nicht anwendbar (§ 52 Abs. 10 Satz 5 EStG). Für die Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge für ausgeschiedene Gesellschafter hat das Gericht ebenfalls nach Maßgabe der Rechtsprechung des FG Hamburg (Az. 2 K 277/16; 2 K 247/16) und des BFH (Az. IV R 28/19; IV R 17/19) entschieden, dass Ausscheiden i. S. von § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG jedwedes Ausscheiden bedeutet, unabhängig davon, ob es entgeltlich oder unentgeltlich, im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge erfolgt. Auch im letzten Streitpunkt ging es um ein Eingreifen des Gesetzgebers zur Korrektur unerwünschter Rechtsprechung. Der BFH hatte mit Urteilen vom 25. Oktober 2018 (Az. IV R 35/16 und IV R 40/16) judiziert, dass der Gewinn aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrages nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nrn. 1 bis 3 EStG nicht der Fiktion des Gewerbeertrages gem. § 7 Satz 3 GewStG unterfalle und daher grundsätzlich um 80 % (§ 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG) gekürzt werden könne. Dies ist nunmehr durch die Neufassung von § 7 Satz 3 GewStG mit der ausdrücklichen Nennung von § 5a Abs. 3 EStG nicht mehr möglich. Der Gesetzgeber hat hier die rückwirkende Anwendung auf Erhebungsräume vor 2019 angeordnet (§ 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG). Dies begegnet aus Sicht des 6. Senats keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln. Zwar handele es sich um einen Fall der sog. echten Rückwirkung; dies sei aber ausnahmsweise zulässig, weil sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf die mit den Urteilen vom 25. Oktober 2018 geänderte rechtliche Beurteilung habe bilden können. Wegen dieser verfassungsrechtlichen Frage ist die Revision zugelassen worden.

Quelle: FG Hamburg, Newsletter 1/2021