Einkommensteuer - 22. Dezember 2020

Steuerpflichtiger Arbeitslohn durch Arbeitgeberbeiträge zur Schweizer Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (FAR)

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 22.12.2020 zum Urteil 14 K 2144/17 vom 25.09.2020 (rkr)

Die Arbeitgeberbeiträge an die Schweizer Stiftung FAR sind als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren. Für die Annahme der Einkommensteuerfreiheit dieser Beiträge besteht bei rechtsvergleichender Betrachtung keine gesetzliche Grundlage im deutschen Einkommensteuerrecht.

Sachverhalt

Der Kläger ist Bauwerker und hatte in den Streitjahren 2014 und 2015 seinen Wohnsitz in Deutschland. In dieser Zeit war er Grenzgänger im Sinne von Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Schweiz). Sein Schweizer Arbeitgeber führte für ihn neben Beiträgen zur staatlichen Vorsorge (erste Säule) Beiträge zur beruflichen Vorsorge (zweite Säule) ab. Darunter waren auch Arbeitgeberbeiträge zur Schweizer Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (FAR). Bei der Stiftung FAR handelt es sich um eine nichtregistrierte, ausschließlich in der freiwilligen beruflichen Vorsorge tätige Personalfürsorgestiftung. Im Register für die berufliche Vorsorge des Kantons Zürich ist die Stiftung FAR nicht eingetragen; laut der „Liste der beaufsichtigten nur überobligatorisch tätigen Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz im Kanton Zürich“ unterliegt die Stiftung FAR der Stiftungsaufsicht. Ziel der Stiftung FAR ist es, „der körperlichen Belastung der Arbeitnehmer im Bauhauptgewerbe Rechnung zu tragen und die damit verbundenen Beschwerden im Alter zu lindern“ und „dem Baustellenpersonal eine finanziell tragbare Frühpensionierung zu ermöglichen“. Rechtsgrundlage ist der Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR), der auch in den Streitjahren durch den Schweizer Bundesrat für allgemein verbindlich erklärt worden war. Das beklagte Finanzamt (FA) behandelte die für den Kläger an die Stiftung FAR gezahlten Arbeitgeberbeiträge als in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht entschied, dass die für den Kläger in den Streitjahren an die Stiftung FAR entrichteten Arbeitgeberbeiträge in Höhe von 2.076 Euro im Jahr 2014 und 2.960 Euro im Jahr 2015 als Arbeitslohn zu qualifizieren seien. Der Arbeitslohn unterliege in Deutschland als Ansässigkeitsstaat der Einkommensteuer. Der Kläger sei in den Streitjahren ein Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA Schweiz, der nach dem Arbeitsende regelmäßig aus der Schweiz an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt sei.

Die für den Kläger an die FAR-Stiftung entrichteten Beiträge sind steuerbarer Arbeitslohn

Die von der Arbeitgeberin für den Kläger an die FAR-Stiftung entrichteten Beiträge seien nach deutschem Recht steuerbarer Arbeitslohn, der dem Kläger in den Streitjahren in Höhe von 2.075,42 Euro (2014) bzw. 2.959,28 Euro (2015) zugeflossen ist.

Zum Arbeitslohn könnten auch Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers gehören. Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hänge davon ab, ob sich der Vorgang – wirtschaftlich betrachtet – so darstelle, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet habe. Davon sei auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet habe, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zustehe. Demgegenüber stelle die Entrichtung des gesetzlich geschuldeten Arbeitgeberanteils zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung eines Arbeitnehmers keinen gegenwärtig zufließenden Arbeitslohn dar, da der einzelne pflichtversicherte Arbeitnehmer durch die Zahlung weder einen individuellen Mitgliedschaftsvorteil oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs erfahre.

Gemäß Art. 9 Abs. 1 GAV FAR schulde der Arbeitgeber der Stiftung FAR die gesamten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge. Aufgrund dieser Beiträge habe der Kläger in den Streitjahren eine Anwartschaft erlangt, d.h. eine rechtlich gesicherte, grundsätzlich unentziehbare Erwerbsaussicht auf zukünftige Leistungen der Stiftung gemäß Art. 12 ff. GAV FAR, deren Voraussetzungen in den Streitjahren noch nicht erfüllt waren (vgl. Art. 11 ff. Reglement FAR). Sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerbeiträge würden im Interesse des Klägers an die Stiftung FAR geleistet. Für eine Differenzierung zwischen den Beiträgen der Arbeitgeberin und des Arbeitnehmers zur Stiftung FAR bestehe im Hinblick auf die Qualifizierung als Arbeitslohn keine Rechtfertigung. Ob und in welcher Höhe der Kläger später tatsächlich Versicherungsleistung erlangen werde, sei für die Arbeitslohnqualifizierung in den Streitjahren unerheblich. Hinreichend und vorliegend gegeben sei ein durch die Teilnahme am kollektiven Finanzierungssystem begründetes Anwartschaftsrecht auf zukünftige Versorgung.

Die Arbeitgeberbeiträge zur Stiftung FAR sind steuerpflichtig

Die als steuerbarer Arbeitslohn zu qualifizierenden Arbeitgeberbeiträge zur Stiftung FAR seien in den Streitjahren auch einkommensteuerpflichtig. Für eine Steuerbefreiung fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, insbesondere bestehe keine Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 28, Nr. 56 oder Nr. 62 EStG.

Keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 28 EStG

Die im Fall des Klägers zu beurteilenden Arbeitgeberbeiträge zur Stiftung FAR seien weder mit Aufstockungsleistungen an Arbeitnehmer mit Teilzeitvereinbarung (erste und zweite Variante des § 3 Nr. 28 EStG) noch mit Arbeitgeberbeiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung bei vorzeitigem Altersrentenbezug des Arbeitnehmers (dritte Variante) vergleichbar. Die noch am ehesten in Betracht kommende dritte Variante scheitere daran, dass die vorliegend fraglichen Arbeitgeberbeiträge an die Stiftung FAR nicht in der Phase eines bereits begonnenen vorzeitigen Rentenbezugs gezahlt würden, sondern vor einem solchen Renteneintritt im Hinblick auf den eventuellen späteren Rentenbezug in Gestalt der Überbrückungsrenten nach dem GAV FAR.

Keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 56 EStG

Die Steuerfreistellung gemäß § 3 Nr. 56 EStG scheitere schon daran, dass das FAR-System des flexiblen Altersrücktritts nach deutschem Systemverständnis nicht als eine betriebliche Altersversorgung verstanden werden könne, die mit einer solchen nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz – BetrAVG) vergleichbar ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterfielen bloße Überbrückungsleistungen nicht dem Schutzbereich des BetrAVG; solche Leistungen seien vielmehr selbst dann nicht als betriebliche Altersversorgung zu qualifizieren, wenn sie als Ruhegeld bezeichnet und erst ab der Vollendung des 60. Lebensjahres ausbezahlt würden.

Keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 EStG

Schließlich folgte aus § 3 Nr. 62 EStG keine Steuerfreiheit der Arbeitgeberbeiträge zur Stiftung FAR. § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG sei nicht nur im reinen Inlandsfall anwendbar, sondern auch, wenn sich die Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers betreffenden Beitragsleistung aus ausländischen sozialversicherungs-rechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder aus einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden ausländischen Bestimmung ergebe. Die Vorschrift des § 3 Nr. 62 EStG umfasse hiernach schon gemäß ihrem Wortlaut nicht nur die auf sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften beruhenden Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers (§ 3 Nr. 62 Satz 1 1. Alternative EStG), sondern auch die diesen explizit gleichgestellten Leistungen. Letztere würden indes nur erfasst, sofern sie wirtschaftlich den steuerfreien Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung vergleichbar seien. Voraussetzung für die Steuerfreiheit sei, dass das zu beurteilende ausländische System nach seiner Struktur und den von ihm im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Qualifizierung mit der Absicherung über die inländische Sozialversicherung vergleichbar sei.

Vergleichbarkeitsprüfung

Die für das FAR-System in der Schweiz vorzunehmende Vergleichbarkeitsprüfung führe zu einem für das Begehren des Klägers negativen Ergebnis.

Bei der Stiftung FAR handele es sich aus der Perspektive des schweizerischen Rechts um eine „ausschließlich in der freiwilligen beruflichen Vorsorge tätige Personalfürsorgestiftung“. Sie sei nicht im Register für die berufliche Vorsorge des zuständigen Kantons, sondern lediglich in der „Liste der beaufsichtigten nur überobligatorisch tätigen Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz im Kanton Zürich“ geführt. Im Hinblick auf die Struktur des FAR-Systems fehle es an einer vergleichbaren inländischen Institution. Ungeachtet der Frage ihrer Vergleichbarkeit und der resultierenden Rechtsfolgen erschienen insbesondere die Sozialkassen der Bauwirtschaft (SOKA-BAU) und die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) nach ihrer Struktur nicht mit der Stiftung FAR vergleichbar; dies gelte erst recht unter Berücksichtigung der im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen.

Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG könne auch unter diesem Aspekt, Allgemeinverbindlicherklärung des GAV FAR, nicht begründet werden, weil diese in der Sache den überobligatorischen Charakter der FAR-Leistungen unberührt lasse. Die Allgemeinverbindlicherklärung bewirke somit im konkreten Streitfall zwar die „formelle Gesetzesgleichheit“, nicht dagegen die kumulativ erforderliche „materielle Sozialversicherungsgleichheit“.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 4/2020