Steuergerechtigkeit - 2. Juli 2021

Schädlichen Steuerwettbewerb bekämpfen

BMF, Mitteilung vom 01.07.2021

Die OECD hat am 1. Juli 2021 auf Arbeitsebene eine breite Einigung auf faire Verteilrechte und einen einheitlichen Mindeststeuersatz von mindestens 15 Prozent erzielt – eine echte Revolution im internationalen Steuerrecht.

Die Digitalisierung ist integraler Bestandteil von wirtschaftlichem Fortschritt und Wachstum. Sie fördert die Globalisierung von Wirtschaftsaktivitäten und Unternehmensstrukturen. Die Digitalisierung beeinflusst fast jeden Teil unseres Lebens, einschließlich Kommunikation, Produktion und Konsum.

Eine Trennung zwischen der konventionellen und digitalen Wirtschaft ist nahezu unmöglich geworden. Das bedeutet, dass wir Regeln brauchen, die für alle Geschäftsmodelle funktionieren, unabhängig davon, welchen Digitalisierungsgrad diese aufweisen. Dies gilt namentlich für die Regelungen im Steuerrecht, mit denen wir sicherstellen, dass die großen Unternehmen ihren angemessenen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten.

Die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft und die daraus resultierenden veränderten Wertschöpfungsprozesse stellen ohne Zweifel eine der größten Herausforderungen der internationalen Besteuerungsprinzipien dar: Immaterielle Werte und grenzüberschreitende Dienstleistungen erlauben es Unternehmen, ohne physische Präsenz in Staaten tätig zu werden und so Gewinne zu erzielen, die sie nach den bisherigen Besteuerungsprinzipien vor Ort nicht zu besteuern brauchen.

Die Digitalisierung erleichtert zudem aggressive Steuerplanungen, z. B. durch die Verlagerung von Gewinnen aus Hoch- in Niedrigsteuerländer. Dies erschwert die Akzeptanz der geltenden Regelungen, begünstigt aber auch einen exzessiven Steuersenkungswettbewerb („Race-to-the-Bottom“) der Staaten.

Aus diesem Grund hat die OECD im Auftrag der G20 ein sog. Zwei-Säulen-Konzept erarbeitet, um die steuerlichen Herausforderungen der digitalisierten Wirtschaft zu lösen. Daran arbeiten 139 Staaten mit.

Säule 1 – faire internationale Verteilung der Steuern

Unter Säule 1 haben die Staaten ein neuartiges System der Zuordnung internationaler Besteuerungsrechte entwickelt. Durch die Schaffung neuer Anknüpfungspunkte sollen tendenziell die Besteuerungsrechte vom Ort der Produktion dahin gelenkt werden, wo die Produkte vermarktet werden. Dazu soll ein Anteil des Gewinns einer Unternehmensgruppe oder Geschäftssparte den Staaten mittels einer Formel zugeteilt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Unternehmen in dem Staat einen Sitz hat.

Bei der Analyse von Säule 1 ist es wichtig, das übergeordnete Ziel zu sehen: die Stabilität der internationalen Steuerrechtsordnung. Denn sollte es nicht gelingen, eine tragfähige und international abgestimmte Lösung zu Säule 1 zu verabschieden, drohen weitere Staaten eigene Digitalsteuern zu erheben. Dies würde bei allen Beteiligten zu Rechtsunsicherheit führen. Deutschland hat sich daher sehr intensiv für einen Konsens bei Säule 1 eingesetzt.

Säule 2 – globale effektive Mindestbesteuerung

Säule 2 beinhaltet den Vorschlag einer globalen effektiven Mindestbesteuerung. Diesen Vorschlag hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire in die Diskussion eingebracht.

Das Grundprinzip einer globalen effektiven Mindestbesteuerung ist vergleichsweise einfach: Alle Staaten einigen sich auf ein weltweit gültiges Mindestniveau der Besteuerung. Dabei wird keinem Staat vorgeschrieben, welcher Steuersatz in seinem Land gelten soll. Gleichzeitig wird Staaten mit einem höheren Besteuerungsniveau die Möglichkeit gegeben, auf die sehr niedrigen Steuersätze anderer Staaten zu reagieren (z. B. durch Nachversteuerung von ins Ausland verschobenen Gewinnen oder durch Versagung des steuerlichen Betriebsausgabenabzugs). Die Höhe der Besteuerung richtet sich dabei nach der Differenz zwischen der tatsächlichen Besteuerung im anderen Land und dem vereinbarten Mindeststeuersatz. Insgesamt führt dieser Ansatz zu mehr Steuergerechtigkeit auf internationaler Ebene. Zudem begegnet die globale effektive Mindestbesteuerung wirksam den Problemen bei der Besteuerung, die sich aus der Digitalisierung und der Möglichkeit der Verlagerung immaterieller Werte ergeben.

Detaillierte Informationen zu den beiden Säulen finden Sie in unseren FAQ zur globalen Mindestbesteuerung.

Die G20-Finanzminister sowie die G20-Staats- und Regierungschefs haben mehrmals die Notwendigkeit einer internationalen Einigung zu den steuerlichen Herausforderungen der digitalisierten Wirtschaft betont und sich auf den Abschluss der Arbeiten bis Mitte 2021 verständigt.

Die erzielte Einigung zur globalen effektiven Mindestbesteuerung ist ein kolossaler Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit. Wir haben hart verhandelt, um dieses gute Ergebnis für Deutschland zu erreichen. Das sind sehr gute Nachrichten für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wir halten damit ein, was wir den Bürgerinnen und Bürgern versprochen haben: Künftig werden die großen Konzerne ihren fairen Anteil an der Finanzierung unseres Gemeinwohls leisten. Jetzt werden wir auf eine schnelle Umsetzung der Ergebnisse in Europa drängen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz

Auch auf Ebene der Europäischen Union begrüßen die Mitgliedstaaten die bedeutenden Fortschritte, die auf internationaler Ebene erzielt wurden. Auch sie bekräftigen ihr Engagement, hierfür bis spätestens Mitte 2021 eine international abgestimmte Lösung zu finden. Dies wurde während der deutschen Ratspräsidentschaft in Ratsschlussfolgerungen ausdrücklich festgehalten.

Die internationale Einigung zum Zwei-Säulen-Projekt am 1. Juli 2021 stellt einen bedeutenden Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit dar. Die erzielten Ergebnisse sollen nun noch beim Treffen der G20-Finanzminister am 9./10. Juli 2021 in Venedig bestätigt werden. Im Anschluss an die internationale Einigung sollen die Vereinbarungen zeitnah umgesetzt werden. Die Umsetzung der Säule 1 soll voraussichtlich über einen multilateralen völkerrechtlichen Vertrag erfolgen, der anschließend durch die beteiligten Staaten ratifiziert und in nationales Recht überführt werden soll. Für Säule 2 werden die Staaten Empfehlungen zur Umsetzung erarbeiten. Neben dem Implementierungsplan der internationalen Staatengemeinschaft beabsichtigt auch die Europäische Kommission, den Prozess eng zu begleiten, um eine zeitnahe und einheitliche Umsetzung innerhalb der Europäischen Union zu gewährleisten.

Quelle: BMF