Abgabenordnung - 3. April 2023

Rechtswidrigkeit eines Feststellungsbescheids nach § 251 Abs. 3 AO

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 31.03.2023 zum Urteil 4 K 111/20 vom 25.11.2022 (rkr)

Zum Wiederaufleben einer Forderung wegen Rückgewähr des Erlangten durch den Empfänger einer anfechtbaren Leistung – Absicherung einer Steuerforderung durch ein Arrestpfandrecht – Fehlen einer anfechtbaren Rechtshandlung bei Freigabeerklärung von untergeordneter Bedeutung

Schließt die Finanzbehörde einen Vergleich mit dem Insolvenzverwalter über die Rückgewähr des aus einer angefochtenen Rechtshandlung des Steuerschuldners Erlangten, tritt ohne die Mitwirkung des Steuerschuldners keine Bindungswirkung zu seinen Lasten ein. Die zwischenzeitlich getilgte Steuerforderung des Finanzamts lebt infolge der Rückgewähr an den Insolvenzverwalter nur dann gemäß § 144 Abs. 1 Insolvenzordnung wieder auf, wenn die Anfechtung des Insolvenzverwalters begründet war. Die Anfechtungsvoraussetzungen sind im finanzgerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides gemäß § 251 Abs. 3 Abgabenordnung vollumfänglich zu überprüfen.

Sind die Steueransprüche durch ein im Steuerstrafverfahren gemäß den §§ 111b, 111d, 111f Abs. 1 Strafprozessordnung in Verbindung mit den §§ 928, 930 Zivilprozessordnung erwirktes staatliches Arrestpfandrecht abgesichert, begründet die spätere Freigabeerklärung des Steuerschuldners am gemäß § 930 Abs. 2 Zivilprozessordnung hinterlegten Pfand keine anfechtbare Rechtshandlung gemäß § 133 Abs. 1 Insolvenzordnung, sofern das Arrestpfandrecht selbst insolvenzrechtlich unanfechtbar entstanden ist. Leistet der Steuerschuldner auf die vollziehbar festgesetzte Steuerforderung durch Freigabe aus der Hinterlegung, tritt die Freigabeerklärung hinter der rechtmäßigen, durch ein Pfandrecht abgesicherten Einziehung der titulierten Steueransprüche zurück.

Die bloße Behauptung von Dritteigentum am Pfandgegenstand lässt das Arrestpfandrecht nicht entfallen. Zugunsten des Pfandgläubigers streitet die Eigentumsvermutung gemäß § 1006 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Unabhängig davon entfaltet das Arrestpfandrecht bis zu seiner erfolgreichen Anfechtung durch den Schuldner und/oder eine drittberechtigte Person volle Wirksamkeit.

In dem Urteilsfall, den der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 25. November 2022 entschieden hat, stand eine Gemengelage zwischen Strafprozessrecht (Vermögensabschöpfung), Insolvenzrecht und Steuerverfahrensrecht zur Beurteilung. Im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens wegen hinterzogener Gastronomieumsätze arrestierte die Steuerfahndung aufgrund gerichtlicher Anordnung das in einem Schließfach des Steuerpflichtigen vorgefundene Bargeld nach den §§ 111b ff. Strafprozessordnung. Nach abschließender Steuerfestsetzung einigten sich die Beteiligten auf eine Verrechnung des im Zuge seiner Arrestierung hinterlegten Bargeldes mit offenen Umsatzsteuerschulden. Einige Monate später geriet der Steuerpflichtige in Insolvenz. Der Insolvenzverwalter focht die Zustimmung des Steuerpflichtigen zur Verrechnung des im Zuge des Arrestes gemäß § 930 Abs. 2 Zivilprozessordnung hinterlegten Bargeldes als insolvenzrechtlich anfechtbare Rechtshandlung (Gläubigerbenachteiligung) an, woraufhin das Finanzamt einen Teil der Verrechnungssumme in Vollzug eines Vergleichs an den Insolvenzverwalter zurückgewährte. Im Anschluss daran stritten die Beteiligten im Feststellungsverfahren gemäß § 251 Abs. 3 Abgabenordnung über das Wiederaufleben der Steuerforderung gemäß § 144 Abs. 1 Insolvenzordnung und die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Tabellenanmeldung des Finanzamts.

Der 4. Senat gab der Klage statt, da er zu der Auffassung gelangte, dass die Anfechtung des Insolvenzverwalters nicht begründet gewesen sei und der Vergleich nicht zulasten des unbeteiligten Steuerpflichtigen wirke. Bereits mit der ersten Beschlagnahme des Bargeldes sei ein unanfechtbares staatliches Arrestpfandrecht entstanden, welches auch die Ansprüche des geschädigten Steuerfiskus abgesichert habe. Zugunsten des Finanzamts wirke zudem gemäß § 1006 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Vermutung, dass der Schließfachinhalt Eigentum des Schließfachinhabers gewesen sei.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Newsletter I/2023