Finanzgerichtsordnung - 12. April 2021

Ordnungsgeld bei unentschuldigtem Ausbleiben eines Beteiligten zu einem Erörterungstermin

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 12.04.2021 zum Beschluss 1 K 1891/20 vom 17.12.2020 (rkr)

Hat das Finanzgericht das persönliche Erscheinen zu einem Erörterungstermin angeordnet, zu dem der Kläger schuldhaft nicht erscheint, kann gegen ihn auch bei einem Streitwert von 200 Euro ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro festgesetzt werden.

Sachverhalt

Der Kläger hatte gegen die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 200 Euro zur Erzwingung der Abgabe seiner Umsatzsteuererklärung Klage erhoben. Nachdem der Kläger seine Klage trotz Erinnerung nicht begründet hatte, verfügte der Berichterstatter einen Erörterungstermin auf den 12. Oktober 2020 und ordnete das persönliche Erscheinen des Klägers an. Der Erörterungstermin wurde nach einem Anruf des Klägers aufgehoben, in dem er den Berichterstatter über angebliche Gespräche mit dem Finanzamt informierte und zusagte, später zum Verfahren Stellung zu nehmen. Nachdem diese Zusage nicht eingehalten wurde und der Kläger auf eine erneute Anfrage des Gerichts nicht reagierte, terminierte der Berichterstatter einen weiteren Erörterungstermin für den 4. Dezember 2020 und drohte ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro an.

Eine halbe Stunde vor dem Termin ging eine E-Mail des Klägers beim Finanzgericht ein. Dieser machte geltend, dass er die Androhung eines Zwangsgeldes durch das Finanzamt (FA) nicht erhalten habe. Daher sei die angefochtene Zwangsgeldfestsetzung des FA rechtswidrig; der Erörterungstermin habe sich daher erledigt. Der Berichterstatter antwortete dem Kläger umgehend mit einer E-Mail, in der er dem Kläger mitteilte, dass sich der Erörterungstermin nicht erledigt habe, eine Erörterung der Sach- und Rechtslage notwendig und ein Ordnungsgeld angedroht worden sei. Zu dem Erörterungstermin erschien der Kläger nicht, schickte kurz danach eine weitere E-Mail, in der er unter Berufung auf die Corona-Lage mitteilte, am Termin „aus gesundheitlichen Gründen“ nicht teilnehmen zu können.

Aus den Gründen

Der 1. Senat des Finanzgerichts setzte gegen den Kläger nach § 80 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) ein Ordnungsgeld von 500 Euro fest, weil er trotz der Anordnung seines persönlichen Erscheinens zum Erörterungstermin am 4. Dezember 2020 schuldhaft nicht erschienen war.

Verletzung der Mitwirkungspflicht

Der Kläger sei seiner Verpflichtung zur Mitwirkung an der Aufklärung des der Klage zugrundeliegenden Sachverhalts nicht nachgekommen. Er sei mehrfach und vergeblich aufgefordert worden, seine Klage zu begründen. Um ein persönliches Erscheinen zu dem ersten Erörterungstermin am 12. Oktober 2020 zu vermeiden, habe der Kläger sogar den unzutreffenden Eindruck erweckt, dass er „in Gesprächen“ mit dem Beklagten sei. Auf dieser Grundlage sei der Termin das letzte verbliebende Mittel gewesen, den Kläger persönlich zu den Tatumständen zu befragen, um die Hintergründe der Nichtabgabe seiner Umsatzsteuererklärung für 2015 zu ermitteln und die Festsetzung des Zwangsgeldes durch den Beklagten als Ermessensentscheidung gerichtlich überprüfen zu können. Dieser Verpflichtung habe der Kläger auch nicht dadurch genügen können, dass er weniger als eine halbe Stunde vor dem anberaumten Erörterungstermin behauptete, die Androhung des Zwangsgeldes nicht erhalten zu haben. Für den Erörterungstermin und damit letztendlich für die Vorbereitung der für den 17. Dezember 2020 geplanten mündlichen Verhandlung wären beispielsweise die persönlichen Erklärungen des Klägers zum Sachverhalt von Bedeutung gewesen.

Schuldhaftes Fernbleiben

Der Kläger habe keine Entschuldigungsgründe dargetan, die sein Fernbleiben rechtfertigen könnten. Er habe lediglich mitgeteilt, dass er davon ausgehe, nun nicht mehr erscheinen zu müssen. Diese Einschätzung habe aber nicht er, sondern das Gericht zu treffen. Erst als der Berichterstatter ihm antwortete, dass sich der Erörterungstermin nicht erledigt habe, führte der Kläger aus, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht habe kommen können. Weitere Ausführungen und die Vorlage von Nachweisen oder einer ärztlichen Bescheinigung habe er unterlassen.

Überdies habe sich der Kläger bereits einem angeordneten persönlichen Erscheinen zu einem auf den 12. Oktober 2020 bestimmten Erörterungstermin schuldhaft entzogen. Er habe wahrheitswidrig behauptet, „in Gesprächen“ mit dem Beklagten zu sein und „noch fehlende Unterlagen“, d. h. die Umsatzsteuererklärung für 2015, bis 16. Oktober 2020 einzureichen. Zudem hatte er weder dargetan noch glaubhaft gemacht, ob er tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht zu diesem (früheren) Erörterungstermin am 12. Oktober 2020 hätte erscheinen können.

Kein glaubhaft gemachter Verlegungsgrund

Soweit in dem Vorbringen des Klägers ein Antrag auf Terminverlegung zu sehen sein sollte, war diesem nicht stattzugeben, da der Kläger nicht verhindert gewesen sei. Die behauptete Verhinderung sei von ihm nicht glaubhaft gemacht worden. Gegenüber sachkundigen Beteiligten – so wie vorliegend dem Kläger, der sich selbst als Berufsträger vertritt – müsse das Gericht nicht darauf hinweisen, dass die tatsächlichen Behauptungen auf die ein kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellter Terminverlegungsantrag gestützt wird, ohne weitere Aufforderung des Gerichts glaubhaft gemacht werden müssen.

Das unentschuldigte Ausbleiben des Klägers führte zu einer Verfahrensverzögerung

Zweck des § 80 FGO sei vor allem die verbesserte Sachverhaltsaufklärung durch die Ergänzung und Klärung des Sachvortrags. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes verliere dagegen ihre Berechtigung, wenn sich das Ausbleiben des Beteiligten nicht verfahrensverzögernd ausgewirkt habe, weil auch ohne seine Mitwirkung das Verfahren abgeschlossen werden kann.

Vorliegend sei eine Verfahrensverzögerung dadurch eingetreten, dass die für den 17. Dezember 2020 vorgesehene mündliche Verhandlung, die mithilfe des Erörterungstermins am 4. Dezember 2020 vorbereitet werden sollte, aufgrund des schuldhaften Nichterscheinens des Klägers nicht durchgeführt werden konnte.

Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes

Innerhalb des Ordnungsgeldrahmens von 5 Euro (Mindestmaß) und 1.000 Euro (Höchstmaß) bestimme das Gericht die Höhe des Ordnungsgeldes nach pflichtgemäßem Ermessen. Maßgebend seien dabei insbesondere die Bedeutung der Rechtssache, ferner die Schwere der Pflichtverletzung, die wirtschaftlichen Verhältnisse und das Ausmaß des durch das Ausbleiben des Klägers verursachten zusätzlichen Zeitaufwands. Das rechtfertige im vorliegenden Fall ein Ordnungsgeld von 500 Euro.

Aufgrund des Ausbleibens des Klägers habe die mündliche Verhandlung nicht ordnungsgemäß vorbereitet werden können. Der bereits auf den 17. Dezember 2020 bestimmte Termin sei aufgehoben worden. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers wiege außerdem umso schwerer, weil der Berichterstatter im Vorfeld des Erörterungstermins zahlreiche Versuche unternommen habe, um den Kläger die Möglichkeit der Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts zu eröffnen, die von ihm nicht genutzt worden sei.

Verhältnismäßigkeit des Ordnungsgeldes

Das Ordnungsgeld i. H. von 500 Euro sei auch nicht unverhältnismäßig. Der Streitwert der Klage habe zwar nur 200 Euro betragen. In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit dürfe aber der Streitwert nicht unter 1.500 Euro angenommen werden. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Zwangsgeld Mittel zur Durchsetzung der umsatzsteuerlichen Erklärungspflicht des Klägers für das Jahr 2015 ist, welcher er seit fast fünf Jahren aus unerklärlichen Gründen nicht nachgekommen sei. Dem Gericht sei durch das Verhalten des Klägers zudem ein erheblicher Zeitaufwand entstanden. Auch wenn der Kläger behaupte, der Sachverhalt könne „ohne unnötig viel Aufwand geklärt werden“, spreche schon der zwischenzeitliche Umfang der Gerichtsakte ganz offenkundig für das Gegenteil.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2021