EU-Steuern - 27. Januar 2022

Nationale Regelung, nach der spanische Steueransässige dazu verpflichtet sind, ihre Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland zu erklären, verstößt gegen Unionsrecht

EuGH, Pressemitteilung vom 27.01.2022 zum Urteil C-788/19 vom 27.01.2022

Die nationale Regelung, nach der die spanischen Steueransässigen dazu verpflichtet sind, ihre Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland zu erklären, verstößt gegen das Unionsrecht.

Die Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs, die sie auferlegt, sind unverhältnismäßig.

Am 15. Februar 2017 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie die Unvereinbarkeit bestimmter Aspekte der Pflicht spanischer Steueransässiger, die im Ausland belegenen Vermögensgegenstände und Rechte1 mit einem „Formblatt 720“ zu erklären, mit dem Unionsrecht feststellte. Nach Auffassung der Kommission standen die mit der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung verbundenen Folgen außer Verhältnis zu dem mit den spanischen Rechtsvorschriften verfolgten Ziel, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten und Steuerhinterziehung und -umgehung zu bekämpfen.

Nach den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften müssen in Spanien ansässige Personen, die ihre Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland nicht erklären oder unvollständig oder verspätet erklären, mit der Nacherhebung der geschuldeten Steuer auf die Beträge rechnen, die dem Wert dieser Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechen, auch wenn diese in einem bereits verjährten Zeitraum erworben wurden, sowie mit der Verhängung einer proportionalen und bestimmter pauschaler Geldbußen.

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass Spanien gegen seine sich aus dem Grundsatz des freien Kapitalverkehrs ergebenden Verpflichtungen verstoßen hat. Die Verpflichtung zur Einreichung des „Formblatts 720“ und die mit der Missachtung oder der unvollständigen oder verspäteten Erfüllung dieser Verpflichtung verbundenen Sanktionen, die bei in Spanien belegenen Vermögensgegenständen oder Rechten nicht bestehen, führen zu einer unterschiedlichen Behandlung der in Spanien ansässigen Personen je nachdem, wo sich ihre Vermögenswerte befinden. Da diese Verpflichtung geeignet ist, die Gebietsansässigen dieses Mitgliedstaats davon abzuhalten, in anderen Mitgliedstaaten zu investieren, sie daran zu hindern oder ihre Möglichkeiten dazu einzuschränken, stellt sie eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.

Der Gerichtshof führt aus, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften durch die Verwirklichung der oben genannten Ziele gerechtfertigt sein könnten, da die Mitgliedstaaten in Bezug auf die im Ausland belegenen Vermögenswerte ihrer Steueransässigen trotz der bestehenden Mechanismen des Informationsaustauschs oder der Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten im Allgemeinen über weniger Informationen verfügen als über Vermögenswerte, die sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden. Die Prüfung durch den Gerichtshof zeigt jedoch, dass diese Rechtsvorschriften über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, und zwar unter drei Aspekten.

Erstens ist er der Auffassung, dass Spanien dadurch gegen seine sich aus dem Grundsatz des freien Kapitalverkehrs ergebenden Verpflichtungen verstoßen hat, dass es vorgesehen hat, dass die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland die Besteuerung nicht erklärter Einkünfte, die dem Wert dieser Vermögenswerte entsprechen, als „ungerechtfertigte Vermögenszuwächse“ nach sich ziehen, ohne dass in der Praxis die Verjährung geltend gemacht werden kann.

Dem Gerichtshof zufolge erscheint die vom spanischen Gesetzgeber aufgestellte Vermutung „nicht gerechtfertigter Vermögenszuwächse“ insbesondere deshalb, weil der Steuerpflichtige sie widerlegen kann, nicht außer Verhältnis zu den Zielen der Gewährleistung der Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung zu stehen. Dagegen sind die im Bereich der Verjährung getroffenen Entscheidungen im Hinblick auf diese Ziele unverhältnismäßig, weil sie es der Steuerverwaltung ermöglichen, die geschuldete Steuer für Beträge, die dem Wert der im Ausland belegenen, nicht oder unvollständig oder verspätet mit dem „Formblatt 720“ erklärten Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechen, zeitlich unbegrenzt nachzufordern.

Die vom spanischen Gesetzgeber erlassene Regelung hat also nicht nur eine Unverjährbarkeitswirkung, sondern ermöglicht es der Steuerverwaltung auch, eine bereits zugunsten des Steuerpflichtigen eingetretene Verjährung wieder in Frage zu stellen, was gegen das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit verstößt. Dadurch, dass an die Verletzung einer Erklärungspflicht so schwerwiegende Folgen geknüpft werden, geht der spanische Gesetzgeber über das hinaus, was erforderlich ist, um die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten und Steuerhinterziehung und -umgehung zu bekämpfen.

Zweitens ist der Gerichtshof der Ansicht, dass Spanien gegen seine sich aus dem Grundsatz des freien Kapitalverkehrs ergebenden Verpflichtungen auch dadurch verstoßen hat, dass es die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland mit einer proportionalen Geldbuße von 150 % der auf die dem Wert dieser Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechenden Beträge berechneten Steuer belegt hat. Diese Geldbuße kann mit pauschalen Geldbußen kumuliert werden, die für jede unvollständige, unrichtige oder falsche Angabe oder Reihe von Angaben gelten, die im „Formblatt 720“ hätte enthalten sein müssen.

Die Verhängung dieser Geldbuße steht, wie der Gerichtshof feststellt, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verletzung von Erklärungspflichten, weil sie nur gegen Steuerpflichtige festgesetzt wird, die der Informationspflicht nicht nachgekommen sind. Dieses Pflichtversäumnis reicht für die Feststellung eines Steuerdelikts aus, das als sehr schwerwiegend angesehen und mit der Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 150 % des Betrags der hinterzogenen Steuer bestraft wird, wobei dieser Satz nicht als Höchstsatz formuliert ist. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass der sehr hohe Prozentsatz dieser Geldbuße ihr einen äußerst repressiven Charakter verleiht und dass ihre Kumulierung mit den darüber hinaus vorgesehenen pauschalen Geldbußen in vielen Fällen dazu führen kann, den Gesamtbetrag der Beträge, die der Steuerpflichtige schuldet, auf mehr als 100 % des Wertes seiner Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland anzuheben. Dies stellt eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs dar.

Drittens entscheidet der Gerichtshof, dass Spanien auch dadurch gegen seine sich aus dem Grundsatz des freien Kapitalverkehrs ergebenden Verpflichtungen verstoßen hat, dass es die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland mit pauschalen Geldbußen belegt hat, deren Höhe außer Verhältnis zu den Sanktionen steht, die in einem rein innerstaatlichen Kontext für vergleichbare Verstöße vorgesehen sind, und deren Gesamtbetrag nach oben nicht begrenzt ist. Diese Geldbuße beläuft sich auf 5.000 Euro für jede fehlende, unvollständige, unrichtige oder falsche Angabe oder Reihe von Angaben, wobei die Mindestgeldbuße 10.000 Euro beträgt, und 100 Euro für jede Angabe oder Reihe von Angaben, die nicht fristgerecht oder nicht mit elektronischen Mitteln, sofern dies vorgeschrieben war, erklärt worden ist, wobei die Mindestgeldbuße 1.500 Euro beträgt.

Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass das spanische Gesetz die Verletzung bloßer Erklärungspflichten oder rein formeller Verpflichtungen mit der Verhängung sehr hoher pauschaler Geldbußen belegt, da sie für jede einzelne betroffene Angabe oder Reihe von Angaben gelten, da sie je nach Fall mit einem Mindestbetrag von 1.500 oder 10.000 Euro einhergehen und da ihr Gesamtbetrag nach oben nicht begrenzt ist. Er berücksichtigt auch, dass diese pauschalen Geldbußen mit der proportionalen Geldbuße von 150 % kumuliert werden, und weist darauf hin, dass ihre Höhe außer Verhältnis zu der Höhe der Geldbußen steht, mit denen die Missachtung ähnlicher Verpflichtungen in einem rein innerstaatlichen Kontext in Spanien geahndet werden. Folglich stellen diese pauschalen Geldbußen eine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs auf.

Fußnote

1 Darunter Immobilien, Bankkonten, Wertpapiere, Guthaben, Anteile oder Rechte am Gesellschaftskapital, Eigenmittel oder Vermögen jeder Art von Unternehmen oder auch Lebens- und Invaliditätsversicherungen, über die sie außerhalb des spanischen Hoheitsgebiets verfügen.

Quelle: EuGH