Einkommensteuer - 29. Oktober 2021

Hausnotrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistung

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 28.10.2021 zum Urteil 5 K 2380/19 vom 11.06.2021 (nrkr - BFH-Az.: VI R 14/21)

Das für einen privaten Haushalt eingerichtete Hausnotrufsystem ist eine haushaltsnahe Dienstleistung.

Sachverhalt

Die 1939 geborene Klägerin ist verwitwet und wohnt in ihrem eigenen Haushalt. In den Streitjahren 2016 und 2017 war sie einem Hausnotrufsystem angeschlossen. Die Aufwendungen für das Hausnotrufsystem in Höhe von 477,60 Euro (Streitjahr 2016) und 502,00 Euro (Streitjahr 2017) machte sie als haushaltsnahe Dienstleistung im Rahmen der Begünstigung des § 35a Einkommensteuergesetz (EStG) geltend. Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen mit der Begründung ab, diese seien nach § 35a EStG nur dann begünstigt, wenn sie innerhalb eines „Betreuten Wohnens“ in einer Senioreneinrichtung anfielen. Aufwendungen außerhalb des sog. „Betreuten Wohnens“ seien nicht begünstigt. Zur Begründung verwies der Beklagte auf das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF-Schreiben) vom 09.11.2016, BStBl I 2016 S. 1213, Tz. 11). Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Das FA habe die geltend gemachten Aufwendungen für den Hausnotruf in den Streitjahren zu Unrecht nicht nach § 35a Abs. 2 EStG zum Abzug zugelassen.

Räumlich-funktionaler Haushaltsbegriff

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei unter dem Begriff des Haushalts die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Das Wirtschaften im Haushalt umfasse Tätigkeiten, die für die Haushaltung oder die Haushaltsmitglieder erbracht würden. „Haushaltsnahe Dienstleistungen“ seien solche, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung hätten bzw. damit im Zusammenhang stünden. Dazu gehörten Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt würden und in regelmäßigen Abständen anfielen. „In“ einem Haushalt werde die haushaltsnahe Dienstleistung erbracht, wenn sie im räumlichen Bereich des vorhandenen Haushalts geleistet werde. Der Begriff des Haushalts sei insoweit räumlich-funktional auszulegen.

Notrufsystem der Klägerin als haushaltsnahe Dienstleistung

Das von der alleinstehenden Klägerin gebuchte Notrufsystem stelle eine haushaltsnahe Dienstleistung in diesem Sinne dar. Durch das Notrufsystem werde sichergestellt, dass die Klägerin in Notsituationen (Sturz, Übelkeit etc.) rasch Hilfe durch den automatisch informierten Notdienst erhalte. Die Herbeiholung eines Rettungsdienstes erfolge sonst typischerweise im Familienverbund, womit insbesondere die notärztliche Versorgung sichergestellt sei. Die Leistung werde auch im räumlichen Bereich des Haushalts erbracht, da der Leistungserfolg in der Wohnung des Steuerpflichtigen eintrete. Im Hinblick auf die zunehmende Gebrechlichkeit im Alter könne auch von einer Auslösung des Notrufes in regelmäßigen Abständen ausgegangen werden.

Notrufsysteme sind nicht nur bei Einsatz innerhalb des betreuten Wohnens steuerlich anzuerkennen

Dass die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung eines Notrufsystems nur im Rahmen des betreuten Wohnens in einer Seniorenresidenz Anwendung finde, könne dem BFH-Urteil vom 03.09.2015 VI R 18/14, BStBI II 2016 S. 272, BFHE 251, 435 nicht entnommen werden. Eine Differenzierung der Abzugsfähigkeit nach Nebenleistung zu begünstigter Hauptleistung (dann abzugsfähig) bzw. eigenständige Leistung (dann nicht abzugsfähig) würde den insoweit vergleichbaren Lebensumständen nicht gerecht werden.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 3/2021