Gewerbesteuer - 7. April 2022

Gleich lautende Erlasse zu den Folgen der Rechtsprechung zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen sowie dem Vorliegen fiktiven Anlagevermögens

FinMin Baden-Württemberg, Erlass (gleichlautender Ländererlass) FM3 - G-422-2 / 114 vom 06.04.2022

Der BFH hat in einer Reihe von jüngeren Urteilen zu Fragen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung, insbesondere zur Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen bei unterjähriger Veräußerung von hergestelltem Umlaufvermögen sowie zum Vorliegen von fiktivem Anlagevermögen, Stellung genommen.

Nach dem Ergebnis der Erörterung der obersten Finanzbehörden der Länder werden die gleich lautenden Erlasse zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nummer 1 GewStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912, BStBl I S. 630) vom 2. Juli 2012 (BStBl I S. 654) wie folgt geändert:

In Rdnr. 2 wird der bisherige Satz 2 durch folgende Sätze ersetzt:

„Demnach unterbleibt eine Hinzurechnung von Aufwendungen, die am Bilanzstichtag als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlage- oder Umlaufvermögens aktiviert wurden. Losgelöst hiervon unterbleibt in Fällen bereits unterjährig ausgeschiedener Wirtschaftsgüter eine Hinzurechnung für solche Aufwendungen, die als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 2020, III R 24/18, BStBl 2022 II S. … und BFH-Urteil vom 12. November 2020, III R 38/17, BStBl 2022 II S. …); zu Bauzeit- und Erbbauzinsen vgl. Rdnr. 13. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Herstellung eines selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens stehen, sind aufgrund des Aktivierungsverbots in § 5 Abs. 2 EStG stets hinzuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 2020, III R 38/17, a.a.O.).“

In Rdnr. 13 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:

„Wegen bereits unterjährig ausgeschiedener Wirtschaftsgüter vgl. Rdnr. 2.“

Rdnr. 29b wird wie folgt gefasst:

„Rdnr. 29b Miet- und Pachtzinsen werden dann für die Benutzung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gezahlt, wenn die Wirtschaftsgüter für den Fall, dass sie im Eigentum des Mieters oder Pächters stünden, dessen Anlagevermögen zuzurechnen wären. Diese Fiktion muss sich jedoch soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren (vgl. BFH vom 20. November 1972, BStBl 1973 II S. 148) und richtet sich nach dem jeweiligen konkreten Geschäftsgegenstand im betreffenden Einzelfall (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2016, IV R 24/11, BStBl 2022 II S. …). So unterliegen – vorbehaltlich der Rdnr. 2 – beispielsweise auch die von einem Bauunternehmer für die einmalige Anmietung von Baumaschinen geleisteten Mietaufwendungen grundsätzlich der Hinzurechnung. Dies gilt selbst dann, wenn die Anmietung lediglich stunden- oder tageweise erfolgt. Mietaufwendungen des Unternehmers für die Anmietung von Unterkünften, die unmittelbar der originären Tätigkeit zuzuordnen sind (z. B. Baumontage, Reisedienstleistungen), sind grundsätzlich hinzuzurechnen (vgl. aber Rdnr. 2). Aus Vereinfachungsgründen unterbleibt bei Verträgen über kurzfristige Hotelnutzungen oder bei kurzfristigen Pkw-Mietverträgen eine Hinzurechnung.

Einzelfälle aus der Rechtsprechung:

Filmhersteller

Gehen angemietete Wirtschaftsgüter wie Filmlocations oder Ausstattungsgegenstände gewissermaßen in das „Produkt“ Film ein, weil sie nur in einem einzelnen Film verwendet werden können, so liegt kein Anlagevermögen vor. Kann das angemietete Wirtschaftsgut demgegenüber jedoch gleich einem Werkzeug für die Herstellung von verschiedenen Filmen verwendet werden, handelt es sich hierbei um fiktives Anlagevermögen (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 2020, III R 38/17, a.a.O.).

Konzertveranstalter

Die von einem Konzertveranstalter angemieteten Veranstaltungsimmobilien sind seinem fiktiven Anlagevermögen zuzuordnen, da diese Wirtschaftsgüter nach dem Geschäftsgegenstand ständig für den Gebrauch vorzuhalten sind. Hierbei ist es unerheblich, ob mehrmals derselbe oder aber verschiedene mehr oder weniger vergleichbare Gegenstände angemietet werden und ob ein potenzieller Erwerb dieser Mietobjekte wirtschaftlich sinnvoll ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2016, IV R 24/11, a.a.O.).

Messedurchführungsgesellschaft

Wird eine sog. Messedurchführungsgesellschaft entsprechend ihres Geschäftszwecks nur aufgrund auftragsbezogener Weisungen ihres Auftraggebers nach den konkreten vertraglichen Abreden wie ein Mittler zwischen Messeveranstalter und Auftraggeber tätig, liegt kein fiktives Anlagevermögen hinsichtlich der für den jeweiligen Auftrag angemieteten Wirtschaftsgüter vor. Angesichts der Zufälligkeit der Auswahlentscheidung des Auftraggebers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Messedurchführungsgesellschaft entsprechende Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb vorgehalten hätte (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 2016, I R 57/15, BStBl 2022 II S. …).

Pauschalreiseveranstalter

Die von einem Pauschalreiseveranstalter angemieteten Hotelzimmer und Hoteleinrichtungen stellen nach dessen Geschäftsgegenstand kein fiktives Anlagevermögen dar. Die angemieteten Wirtschaftsgüter werden nicht wie bei einem Hotelier zur dauerhaften Herstellung neuer Produkte (Übernachtung, Verpflegung, Veranstaltung) benötigt, sondern fließen als Teilprodukt in das jeweilige Kundenprodukt „Pauschalreise“ ein und verbrauchen sich mit der Durchführung der Reise (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 2019, III R 22/16, BStBl 2020 II S. 51).“

Die vorstehenden Grundsätze sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Diese Erlasse ergehen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen.

Quelle: BMF