FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2025 zum Beschluss 1 V 1595/25 E vom 29.09.2025
Mit Beschluss vom 29. September 2025 (Az. 1 V 1595/25 E) hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster Aussetzung der Vollziehung für ein Einspruchsverfahren gewährt, weil das Finanzamt unvollständige Akten in Bezug auf eine durchgeführte Steuerfahndungsprüfung vorgelegt hatte.
Der Antragsteller war in den Streitjahren zu 50 % an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Bei der GmbH wurden eine Steuerfahndungsprüfung und vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt eine Amtsbetriebsprüfung durchgeführt. Auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen er verdeckte Gewinnausschüttungen aus der GmbH als Kapitalerträge erfasste. Hiergegen legte der Antragsteller Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsgegner lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab. Die Einspruchsverfahren sind noch nicht abgeschlossen.
Zur Begründung seines bei Gericht gestellten Aussetzungsantrags trug der Antragsteller vor, dass die Bescheide nicht hinreichend begründet seien und die Hinzuschätzungen, die zu den verdeckten Gewinnausschüttungen geführt hätten, unzutreffend seien. Außerdem habe das Betriebsstättenfinanzamt die Körperschaftsteuerbescheide gegenüber der GmbH von der Vollziehung ausgesetzt. Hiergegen verwies der Antragsgegner im Wesentlichen auf die Prüfungsberichte, die er dem Gericht jedoch trotz Aufforderung nicht vorlegte.
Der 1. Senat setzte die geänderten Einkommensteuerbescheide vollumfänglich ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung aus, da nach der gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden.
Dies folge nicht bereits daraus, dass die Körperschaftsteuerbescheide der GmbH möglicherweise von der Vollziehung ausgesetzt wurden, da ein Körperschaftsteuerbescheid im Hinblick auf eine verdeckte Gewinnausschüttung keinen Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters darstelle. § 32a Abs. 1 KStG stelle lediglich eine formelle Änderungsvorschrift ohne materielle Bindungswirkung dar.
Allerdings habe der Antragsgegner, der für steuererhöhende Umstände wie verdeckte Gewinnausschüttungen die objektive Feststellungslast trage, die Voraussetzungen für deren Ansatz nicht hinreichend schlüssig dargelegt. Dem Gericht seien so gut wie keine Unterlagen, Akten oder präsente Beweismittel zur streitigen Frage der Hinzuschätzungen und der damit begründeten verdeckten Gewinnausschüttungen vorgelegt worden. Da dem Gericht nicht einmal die Prüfungsberichte vorliegen, sei eine Überprüfung der Zurechnung von auf Hinzuschätzungen basierenden verdeckten Gewinnausschüttungen nicht ansatzweise möglich. Die Prüfungsberichte seien aber das Minimum dessen, was dem Gericht für eine Entscheidung im summarischen Verfahren vorzulegen sei.
Eventuelle Schwierigkeiten, entsprechende Unterlagen bei anderen Finanzämtern zu beschaffen, müsse der Antragsgegner gegen sich gelten lassen. Etwaige Bedenken hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Steuergeheimnisses seien im Streitfall nicht nachvollziehbar, da es sich bei dem Antragsteller um einen ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH gehandelt habe. Außerdem wäre eine Offenbarung in einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig.
Mit den Ausführungen des Antragstellers habe sich das Gericht mangels Überprüfungsmöglichkeit nicht auseinandersetzen können. Dies sei Aufgabe des Antragsgegners im laufenden Einspruchsverfahren, in dem eine Gesamtüberprüfung geboten sei.
Von der Anordnung einer Sicherheitsleistung hat der Senat abgesehen, da der Antragsgegner keine konkreten Umstände dargelegt habe, die Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation der Antragsteller zuließen.
Quelle: Finanzgericht Münster, Newsletter Oktober 2025