Gesetzentwurf zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität - 18. Oktober 2019

Geplante Änderung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Bildungsleistungen unter Beschuss

DStV, Mitteilung vom 17.10.2019

„Steuerliche Förderung der Elektromobilität“ – ein Titel, der einen zeitgemäßen Schwerpunkt verspricht. Wie kritisch die Praxis manche Regelung des Gesetzentwurfs sieht, zeigte die Anhörung des Deutschen Bundestags. Für die Mitglieder des DStV von besonderer Relevanz: die Neuerung zu Bildungsleistungen. Der Verband erörterte sie frühzeitig mit MdB Feiler (CDU/CSU) und nahm als Sachverständiger an dem Hearing teil.

347 Seiten stark kommen der Regierungsentwurf zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität und die Stellungnahmen des Normenkontroll- sowie des Bundesrates daher – mit einer Vielzahl von Themen. Diese gehen weit über Maßnahmen zum Klimaschutz hinaus, wie die Einkommensteuerbefreiung von Sachleistungen im Rahmen spezieller Wohnformen („Wohnen für Hilfe“ und „Werkswohnungen“), wie der ermäßigte Umsatzsteuersatz für E-Books, die Umsetzung der auf EU-Ebene beschlossenen sog. Quick Fixes im Mehrwertsteuersystem der EU oder die Einführung eines neuen Pauschbetrages für Berufskraftfahrer (
BT-Drs. 19/13436
).

Viel Stoff, den der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags mit dem deutschen Steuerberaterverband (DStV) und weiteren Steuerexperten bei der
öffentlichen Anhörung am 14.10.2019
diskutierte. Besonders viel Kritik übten die Sachverständigen an der Anpassung des Umsatzsteuergesetzes an die Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU (MwStSystRL) zur Behandlung von Bildungsleistungen.

Die geplante Neuerung fasst die geltenden Befreiungsvorschriften in einer neuen Norm – § 4 Nr. 21 a) UStG-E – zusammen. Die neue Regelung übernimmt im Wesentlichen den Wortlaut der EU-Vorgaben (Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL). Der bisherige § 4 Nr. 22 a) UStG soll gestrichen werden. Zudem zieht der nationale Gesetzgeber die von der MwStSystRL eröffnete Option: Im Sinne des Art. 133 Satz 1 lit. a) MwStSystRL plant er eine Ausnahme von der Umsatzsteuerbefreiung für Fortbildungsleistungen privater Einrichtungen, die eine systematische Gewinnerzielungsabsicht anstreben.

Für die Mitglieder des DStV kann die Änderung künftig einschneidende Folgen haben. DStV-Präsident WP/StB Harald Elster sensibilisierte deshalb MdB Uwe Feiler (CDU/CSU) frühzeitig, in einem am 25.09.2019 geführten Gespräch. Die Mehrheit der Mitglieder spreche sich für den Erhalt der bisher geltenden Steuerpflicht der Leistungen aus deren Fortbildungseinrichtungen aus, so Elster. Hier gelte es nach Elster die bisherigen Unklarheiten im Gesetzeswortlaut zu reduzieren. Feiler zeigte als seinerzeit zuständiger Berichterstatter der Unions-Fraktion für die Umsatzsteuer großes Verständnis für die Belange des DStV. Gleichfalls deutete er allerdings bereits im September an, dass sich ein Orkan um die Neuerung anbahnen würde. Etliche Einrichtungen, wie Volkshochschulen oder kirchliche Einrichtungen, bangten um die bisher für sie geltende Steuerbefreiung. Mit Nachdruck führte der DStV daher seine Bedenken in der
Stellungnahme S 13/19
aus und regte unter anderem eine Vertagung der Neuregelung an. Eine so komplexe und für die Gesellschaft in ihren Konsequenzen weitreichende Materie wie die Umsatzsteuerbesteuerung von Bildungsleistungen sollte nicht übereilt entschieden werden.

Erschwerung des Bildungszugangs für Bildungsbenachteiligte und Einkommensschwache?

In der öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestags brachen sich die massiven Sorgen etlicher Vertreter von Bildungseinrichtungen Bahn, die geltende Umsatzsteuerbefreiung zu verlieren. Eine erhebliche Verteuerung von unzähligen Bildungsangeboten sei die Folge. Dies sei unbedingt zu vermeiden: Bildung sei der Schlüssel zu politischer, kultureller und sozialer Teilhabe an der Gesellschaft. Bildung befähige Menschen zu einem selbstständigen Urteil und eigenverantwortlichem Handeln im persönlichen, beruflichen, gesellschaftlichen und politischen Leben. Bildung schaffe Chancengerechtigkeit – so die grundlegenden Argumente einer Mehrheit der Sachverständigen.

Öffentliche Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags

Der Vertreter des Deutschen Volkshochschul-Verbands beklagte etwa, dass die Umsetzung der Richtlinie eine zu starke Engführung auf die berufliche Bildung enthalte. Einrichtungen, die bisher in § 4 Nr. 22 UStG ausdrücklich als steuerfrei aufgeführt werden, seien nicht genannt. Dies sei ein bedenkliches gesellschaftspolitisches Signal an die Finanzverwaltung und die Betroffenen für ein verändertes Verständnis des Gesetzgebers. In dem Gesetzentwurf fehlten praxistaugliche Hinweise, wie die Regelung auszulegen sei. Für bis zu 2 Millionen Teilnehmer im Bereich der Volkshochschulen könnte sich das Bildungsangebot bei strenger Auslegung der Norm verteuern. § 4 Nr. 22 a) UStG müsse erhalten bleiben. Der Vertreter des Deutsche Volkshochschul-Verband sah insoweit auch keine unionsrechtlichen Bedenken.

Die Vertreterin der Katholischen Erwachsenenbildung Deutschland hob hervor, dass deren Einrichtungen auf die Umsatzsteuerbefreiung angewiesen seien. Sonst stünden unzählige Angebote der Träger zur Disposition, wie „das Planspiel zur Extremismusprävention in Thüringen, die Nähkurse für geflüchtete Frauen, das Lesebingo für Menschen auf dem Weg zur Schrift, usw.“. Viele Teilnehmer könnten sich Bildung im Falle der Umsatzsteuerpflicht nicht mehr leisten. Zudem sei die geplante Regelung so unklar, dass Ehrenamtler nicht einschätzen könnten, ob die durchgeführten Angebote befreit seien. Dies sei für die Bildungseinrichtungen unzumutbar.

Der Deutsche Olympische Sportbund brachte vor, dass Kurse wie zur Übungsleiter- oder Trainerausbildung beim Wegfall des geltenden § 4 Nr. 22 a) UStG und der Ausgestaltung der neuen Norm umsatzsteuerpflichtig werden dürften. Dies würde einen enormen zusätzlichen Aufwand für die vielen Vereine bedeuten, der neben der ehrenamtlichen Tätigkeit kaum noch leistbar sei. Zusätzliche steuerliche Hürden müsste der Gesetzgeber zur Stärkung des Ehrenamts daher unbedingt vermeiden.

Prof. Dr. David Hummel (Universität Leipzig) gab zu bedenken, dass eine Anpassung der nationalen Regelungen an die MwStSystRL zwingend erforderlich sei. Bei einer Umsetzung der EU-Vorgaben könne es durchaus passieren, dass manches, was in Deutschland jetzt als steuerfrei behandelt wird, künftig der Steuerpflicht unterfalle. Gesetzliche Klarstellungen seien zwar wünschenswert, aber auch riskant. Zur Schaffung von Rechtssicherheit regte er etwa an, dass der Gesetzgeber für die Definition der Begriffe „Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung“ nicht – wie geplant – auf die Durchführungsverordnung der EU verweisen solle. Vielmehr solle er diese besser selbst definieren. Weite nationale Definitionen könnten Abhilfe schaffen. Damit gehe Deutschland jedoch das Risiko eines Vertragsverletzungsverfahrens ein. Der EuGH könne auf eine strenge Auslegung pochen.

Der DStV sah die EU-Vorgaben noch nicht hinreichend ausgeschöpft. Unter Verweis auf den Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL sehe die nationale Regelung etwa noch nicht die Steuerbefreiung für Leistungen zur Erziehung von Kindern und Jugendlichen vor. Zudem fehle in den nationalen Planungen eine Bestimmung, wann eine andere Einrichtung eine anerkannte Zielsetzung verfolge, die mit den Einrichtungen der öffentlichen Rechts vergleichbar sei. Der EuGH habe in seiner Entscheidung „MDDP“ vom 28.11.2013 (Az. C-319/12) entschieden, dass Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL untersagt, allgemein sämtliche Bildungsdienstleistungen zu befreien, ohne dass die Zielsetzung nicht öffentlicher Einrichtungen berücksichtigt wird. Nach dem EuGH-Urteil sei es grundsätzlich Sache des nationalen Rechts, die Regeln aufzustellen, nach denen privaten Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann – so der DStV. Insbesondere bei diesen beiden Aspekten habe der Gesetzgeber nach Auffassung des DStV noch Spielraum für gesetzliche Konkretisierungen.

Asymmetrischer Wettbewerb durch Umsatzsteuerpflicht bei systematischer Gewinnerzielungsabsicht?

Unter starkem Beschuss stand auch die Regelung, mit der die Bundesregierung die Option nach Art. 133 Satz 1 lit. a) MwStSystRL ausgeübt hat: Die Ausnahme von der Steuerbefreiung für Fortbildungsleistungen privater Einrichtungen sei eine deutliche Bedrohung für gewerbliche Anbieter – so der Vertreter des Verbands Deutscher Privatschulverbände. Die Steuerpflicht führe zu einem asymmetrischen Wettbewerb auf dem Markt. Die Fortbildungsleistungen müssten von diesen Institutionen zu einem 1/5 teureren Preis gegenüber Verbrauchern angeboten werden. Dies dürfte zu einem Nachfragerückgang bei diesen Anbietern führen.

Der DStV zeigte hingegen die negativen Praxisauswirkungen bei einem etwaigen Verzicht auf die Ausnahme von der Umsatzsteuerbefreiung auf: Würden Fortbildungsleistungen gewerblicher Einrichtungen künftig der Steuerbefreiung unterliegen, könnten sie die Vorsteuer von Eingangsleistungen nicht mehr geltend machen. Die Vorsteuer würde damit zu einem immensen Kostenfaktor. Gewerbliche Institutionen müssten ihre Preisstrukturen neu kalkulieren und den Verlust der Abzugsmöglichkeit der Vorsteuer einpreisen. Es sei abzusehen, dass diese Art von Bildungsleistungen teurer würde. Der Bereich der beruflichen Fortbildung werde dadurch empfindlich getroffen. Gegenwärtig könnten Unternehmen, die ihre Mitarbeiter bei gewerblichen Anbietern fortbilden, die von der Institution in Rechnung gestellte Vorsteuer von ihrer eigenen Umsatzsteuer absetzen. Entfiele künftig die Umsatzsteuerpflicht von Fortbildungsleistungen, würde der beschriebene Preisanstieg die Unternehmen spürbar belasten.

Aus Sicht des DStV wären die aufgezeigte Folgen in Zeiten des demografischen Wandels und in Zeiten der Notwendigkeit des lebenslangen beruflichen Lernens ein völlig falsches Signal. Kleine und mittlere Steuerberaterkanzleien bildeten die Mitarbeiter auf Kosten der Kanzlei regelmäßig fort. Für sie sei dies ein gewichtiges Werkzeug zur Mitarbeiterbindung. Der DStV begrüßte daher die angedachte Ausnahme von der Steuerbefreiung für Fortbildungen gewerblicher Einrichtungen in der Anhörung außerordentlich. Er appellierte nachdrücklich an die Bundestagsabgeordneten, sie nicht zu streichen.

Der Verband Deutscher Privatschulverbände entgegnete, dass er die Vorstellung, dass vorsteuerabzugsberechtigte Arbeitgeber Bildungsmaßnahmen für deren Mitarbeiter einkaufen würden, im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nicht teile. Bei KMU stelle der Verband fest, dass die Arbeitnehmer die Fortbildungen selbst finanzieren müssten. Dadurch würde für Arbeitnehmer aus der Umsatzsteuerpflicht von gewerblichen Anbietern künftig eine unmittelbare Belastung resultieren.

Ausblick

Die eingehende Expertendebatte über die umsatzsteuerliche Behandlung von Bildungsleistungen gab den Bundestagsabgeordneten des Finanzausschusses einen umfassenden Eindruck über die komplexe Gemengelage der Interessen. Ob und wie die geplante Änderung kommt, wird sich voraussichtlich bereits bei der 2. und 3. Lesung Ende Oktober im Bundestag entscheiden.

In der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags war der DStV von RAin/StBin Sylvia Mein, stellv. DStV-Geschäfsführerin, vertreten.