Einkommensteuer - 19. Mai 2022

Doppelbesteuerung: BRAK nimmt Stellung zu Vorlageverfahren

BRAK, Mitteilung vom 18.05.2022

Auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts hat die BRAK erneut Stellung zu einer Vorlagefrage des Bundesfinanzhofs genommen. Dabei geht es ebenfalls um die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen. Zur Frage, ob ein sog. Treaty Override zulässig ist, publiziert die BRAK hier ein abweichendes Sondervotum.

Gegenstand des Vorlageverfahrens (Az. 2 BvL 21/14) ist – wie auch bei dem Verfahren, zu dem die BRAK bereits Stellung genommen hat (Az. 2 BvL 15/14) – eine Vorlage des Bundesfinanzhofs (BFH, Beschluss I R 86/13 vom 20.08.2014).

Im hier zugrundeliegenden Verfahren geht es um die Einkünfte eines in Deutschland lebenden Piloten einer irischen Fluggesellschaft. Für die Behandlung des Arbeitslohns sieht das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Irland von 1962 vor, dass dieser in Irland besteuert wird und in Deutschland lediglich dem Progressionsvorbehalt unterliegt; Irland verzichtet jedoch auf die Besteuerung von Arbeitseinkommen und behält lediglich eine Quellensteuer ein, die der Steuerpflichtige sich erstatten lassen kann. § 50d IX EStG in der für das Jahr 2009 geltenden Fassung sieht in solchen Fällen einen Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland vor; § 50d VIII EStG 2009 schließt in bestimmten Konstellationen diesen Rückfall aus.

Der BFH hält § 50d IX 1 Nr. 2 EStG 2009 für völkerrechtswidrig. Er sieht darin einen sog. Treaty Override, also einen einseitigen Bruch des völkervertragsrechtlich Vereinbarten durch das deutsche Zustimmungsgesetz zu dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Irland, den er (entgegen seiner früheren Spruchpraxis) für verfassungs- und völkerrechtlich unzulässig hält.

Neben der Frage, ob die durch den Steuergesetzgeber veranlasste Rückwirkung verfassungskonform ist, stellt sich in dem Vorlageverfahren also insbesondere das Problem der verfassungs- und völkerrechtlichen Zulässigkeit eines sog. Treaty Override. Diese Frage hat die BRAK in ihrer Stellungnahme zu dem früheren Vorlageverfahren bejaht und hält an dieser Auffassung auch für das vorliegende Verfahren fest. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die dort angesprochenen Aspekte Zulässigkeit des Vorlageverfahrens, der Verfassungswidrigkeit der steuergesetzlich angeordneten echten Rückwirkung und schließlich im Hinblick auf die grundsätzliche Zulässigkeit eines sog. Treaty Override.

In einem Sondervotum äußert der Berichterstatter des Verfassungsrechtsausschusses der BRAK nunmehr eine abweichende Rechtsauffassung und erhebt wesentliche Bedenken gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines sog. Treaty Override. Aufgrund der erheblichen verfassungs- und völkerrechtlichen Bedeutung der Zulässigkeit eines Treaty Override und damit der Vorlageverfahren 2 BvL 15/14 und 2 BvL 21/14 hält die BRAK die Veröffentlichung des abweichenden Sondervotums für geboten.

Quelle: BRAK, Nachrichten aus Berlin Ausgabe 10/2022