Einkommensteuer - 23. Dezember 2022

Dividendenbesteuerung gemäß § 50i EStG nach Anteilsschenkung

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 22.12.2022 zum Urteil 14 K 880/20 vom 29.09.2021 (nrkr - BFH-Az.: I R 13/22)

Das Besteuerungsrecht gemäß § 50i EStG greift nicht nur in sog. Wegzugsfällen, sondern auch im Fall der Schenkung eines zum Sonderbetriebsvermögen einer inländischen Kommanditgesellschaft gehörenden Anteils an einer Private Limited an einen im Ausland ansässigen Mitunternehmer.

Sachverhalt

Der Kläger hat in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Er ist als Kommanditist mit einem Anteil von [weniger als 15] % an der A-GmbH & Co. KG (früher: A-KG) mit Sitz in Deutschland beteiligt. Die Kommanditgesellschaft (KG) ist ein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Im Sonderbetriebsvermögen (SBV) der KG hält der Kläger einen Anteil von 50 % an der B Private Limited, die ihren Sitz im Ausland hat. Seinen Anteil an der B Private Limited hatte der Kläger durch Schenkungs- und Abtretungsvertrag von D erworben. Vor der Schenkung an den Kläger war die hundertprozentige Beteiligung an der B Private Limited im SBV des D bei der A-GmbH & Co. KG erfasst. D hatte die Anteile seit 1998 sukzessive angeschafft.

Im Streitjahr 2015 schüttete die B Private Limited eine Dividende an den Kläger aus, die in der Feststellungserklärung der KG als ausländischer Kapitalertrag ausgewiesen wurde, ohne dass für den beschränkt einkommensteuerpflichtigen Kläger Einkünfte aus seinem SBV erklärt wurden. Das beklagte Finanzamt (FA) kam nach einer Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass der Anteil des Klägers an der B Private Limited nach § 50i Einkommensteuergesetz (EStG) steuerverhaftet sei und er somit die laufenden Erträge und spätere Veräußerungsgewinne im Inland zu versteuern habe.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Das FA habe die Dividende nach § 1 Abs. 4, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beim beschränkt steuerpflichtigen Kläger zu Recht der Besteuerung unterworfen. Der Kläger habe auf Grund der Dividende von der B Private Limited, deren Anteile er im SBV der KG gehalten habe, inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Inländische Betriebsstätte der KG

Die KG habe im Streitjahr 2015 eine Betriebsstätte im Inland unterhalten. Ihre alleinige Geschäftsführerin sei die A Verwaltungsgesellschaft mbH mit Sitz in Deutschland gewesen. Deren Geschäftsführer seien ebenfalls in Deutschland ansässig gewesen. Es bestünden keine Zweifel, dass sie die Tagesgeschäfte der A-GmbH & Co. KG an ihrem statutarischen Sitz in Deutschland erledigt hätten, wo auch die Geschäfte des Betriebsunternehmens zu besorgen gewesen seien.

Zurechnung der Dividende an die KG

Die streitgegenständliche Dividende sei der A-GmbH & Co. KG zuzurechnen. Der Anteil an der B Private Limited gehöre dort unstreitig zum SBV und generiere damit Sonderbetriebseinnahmen. Diese seien bei der Ermittlung der Einkünfte der Mitunternehmerschaft neben den Gesamthandseinnahmen zu berücksichtigen, auch bei der Beteiligung von beschränkt Steuerpflichtigen. Sämtliche Einkünfte der A-GmbH & Co. KG seien außerdem nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung als gewerblich zu qualifizieren.

Keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch ein DBA wegen „treaty override“

Das Besteuerungsrecht für die Dividende habe Deutschland. Zwar stehe das Besteuerungsrecht nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht Deutschland zu, weil sich abkommensrechtlich die im deutschen Steuerrecht nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung erfolgende Umqualifizierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in gewerbliche Einkünfte nicht auswirke. Doch werde das DBA insoweit von § 50i Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Satz 3 und mit Satz 1 EStG im Rahmen eines sog. treaty override überlagert.

Voraussetzungen des § 50i EStG liegen vor

Die streitgegenständliche Dividende unterliege nach § 50i EStG der inländischen Besteuerung, weil dessen sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt seien. Bei dem Anteil an der B Private Limited handele es sich um ein Wirtschaftsgut i. S. des § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG, wozu auch Anteile an Kapitalgesellschaften gehörten. Der Anteil an der B Private Limited sei jedenfalls im Jahresabschluss 2008 erfasst worden und damit vor dem 29.06.2013 Betriebsvermögen der KG geworden, das auch das SBV umfasse. Im Kontext des § 50i EStG gelte nichts anderes.

Die Anwendung von § 50i Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Satz 1 EStG scheitere nicht daran, dass möglicherweise der Anteil an der B Private Limited dem Betriebsvermögen der KG im Wege einer Einlage zugeführt worden bzw. auf Grund der Betriebsaufspaltung ab der Gründung der B Private Limited dort zu bilanzieren sei und es deshalb an einer Übertragung oder Überführung i. S. des § 50i Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 4 EStG fehle. Der Senat sei der Auffassung, dass auch dann, wenn D seinen hundertprozentigen Anteil an der B Private Limited in sein SBV bei der KG eingelegt habe oder der Anteil bereits bei Gründung der B Private Limited als notwendiges SBV II bei der KG zu bilanzieren gewesen sei, der Tatbestand des § 50i Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Satz 1 EStG erfüllt wäre. Zum einen setze der Begriff der Überführung i. S. des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG nicht zwingend voraus, dass das überführte Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen stammen müsse. Zum anderen verlange der Wortlaut von § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG keine Übertragung oder Überführung. Die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals könnte allenfalls auf Grund der Verweisung auf § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG erforderlich sein, wenn insofern eine Rechtsgrundverweisung vorläge. Dagegen spreche jedoch ein Vergleich der Wortlaute von Satz 4 und Satz 1, die Besonderheiten der Betriebsvermögensbildung bei der Betriebsaufspaltung und der Gesetzeszweck.

Auch der Tatbestand des § 50i Abs. 1 Satz 4 letzter Halbsatz EStG sei erfüllt. Danach sei es erforderlich, dass die Wirtschaftsgüter – hier also der Anteil an der B Private Limited – „Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft geworden sind, die deswegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, weil der Stpfl. sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betriebe allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann und dem nutzenden Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt“. Der Senat verstehe diesen Teil des Gesetzestextes als einheitliches Tatbestandsmerkmal i. S. einer Legaldefinition des Besitzunternehmens bei einer Betriebsaufspaltung.

Schließlich lägen die Voraussetzungen des § 50i Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und § 50i Abs. 1 Satz 3 EStG vor. Der Kläger sei nach dem DBA im anderen Vertragsstaat ansässig und erziele laufenden Einkünfte, zu denen insbesondere Dividenden gehörten.

Keine einschränkende Auslegung des § 50i EStG in Schenkungsfällen

Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten sei eine einschränkende Auslegung weder deshalb geboten, weil die Konstellation der Schenkung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht vom Gesetz erfasst würde, noch weil der Gesetzgeber grundsätzlich nur Missbrauchsfälle oder Gestaltungen im Zusammenhang mit einem Wegzug habe erfassen wollen, noch weil das Gesetz nur dann anwendbar wäre, wenn der Steuerpflichtige identisch mit der Person sei, welche die Übertragung oder Überführung oder den Ausschluss des Besteuerungsrechts herbeigeführt habe.

Das Gesetz sei nicht nur auf Wegzugsfälle (§ 6 AStG), Einbringungsfälle (§ 20 UmwStG) und Überführungsfälle (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG) zugeschnitten. Auch wenn die Fälle der unentgeltlichen Übertragung in der Gesetzesbegründung nicht ausdrücklich genannt seien, so fielen sie doch unter den Gesetzeszweck und stellten sogar einen der Hauptanwendungsfälle dar. Im Übrigen spreche für eine Anwendbarkeit des § 50i EStG in Schenkungsfällen, dass auch das Außensteuergesetz (AStG) im Zusammenhang mit Anteilen i. S. des § 17 EStG die Schenkung der Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts gleichstelle, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG. Dies belege, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine Gleichbehandlung von Wegzugsfällen und Fällen der Schenkung an Auslandsansässige geboten sei.

Mit dem Argument, dass die Norm (nur) Missbrauchsfälle oder Fälle einer Gestaltung im Zusammenhang mit einem Wegzug erfassen wolle, lasse sich ihre Anwendbarkeit ebenso wenig verneinen. Gerade die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 50i EStG auf die Fälle der Betriebsaufspaltung belege, dass der Gesetzgeber Konstellationen berücksichtigen wolle, in denen es nicht um eine Gestaltung im Hinblick auf Auslandssachverhalte gehe.

Das Gericht teile schließlich nicht die Rechtsauffassung der Prozessbevollmächtigten, eine Besteuerung scheide deshalb aus, weil sie richtigerweise bei D hätte erfolgen müssen und bis März 2014 auch hätte erfolgen können. Der Wortlaut des § 50i EStG verlange nicht, dass die Übertragung oder Überführung gerade durch den Steuerpflichtigen erfolge. Denn § 50i Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG verwende den Begriff „ein Steuerpflichtiger“, nicht etwa „der Übertragende“. Nach dem Zweck der Norm, Steuerausfälle auf Grund der Fehlinterpretationen des Begriffs der gewerblichen Einkünfte i. S. des Abkommensrechts zu vermeiden, wäre es nicht sachgerecht, eine Identität von Übertragendem und Steuerpflichtigem zu verlangen. Es mache keinen Unterschied, ob ein Steuerpflichtiger Wirtschaftsgüter in eine Gesellschaft überführe und dann wegziehe oder diese Wirtschaftsgüter an eine andere im Ausland ansässige Person unentgeltlich übertrage.

Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg, Newsletter 3/2022