BRAK, Mitteilung vom 27.03.2025
Das BVerfG hält den Solidaritätszuschlag auch heute noch für verfassungsgemäß. Den Gesetzgeber treffe aber eine „Beobachtungsobliegenheit“.
Der Solidaritätszuschlag ist verfassungsgemäß. Dies hat das BVerfG entschieden. Die „Ergänzungsabgabe“ setze allerdings voraus, dass tatsächlich ein Mehrbedarf vorhanden sei. Noch sei dieser jedenfalls nicht offensichtlich entfallen, so die Verfassungsrichterinnen und -richter. Allerdings treffe den Gesetzgeber diesbezüglich eine „Beobachtungsobliegenheit“ (Urteil vom 26.03.2025, Az. 2 BvR 1505/20).
Verfassungsbeschwerde gegen Soli
Der Solidaritätszuschlag (umgangssprachlich „Soli“ genannt) wurde ursprünglich 1995 mit dem Solidarpakt für den Aufbau Ost nach der Wiedervereinigung eingeführt. Dieser ist Ende 2019 ausgelaufen. Seitdem zahlen nur noch Besserverdienende, Unternehmen und Kapitalanlegerinnen und -anleger einen Zuschlag von 5,5 % zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Basis ist das 2019 geänderte Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolZG).
Sechs Abgeordnete der FDP hatten dagegen Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügen unter anderem eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Außerdem einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil nicht mehr alle Steuerpflichtigen damit belastet werden.
Das BVerfG hat dem Vorstoß nun jedoch eine Absage erteilt. Zumindest derzeit sei der Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß.
Zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums
Er sei zum einen als Inhalts- und Schrankenbestimmung der Eigentumsgarantie gerechtfertigt. Beim „Soli“ handele es sich um eine besondere Form der Steuer, eine Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG. Diese knüpfe an einen finanziellen Mehrbedarf des Bundes zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben an. Hierzu entschied das BVerfG grundlegend, dass der Gesetzgeber eine solche Abgabe nicht ewig erheben darf, sondern sie aufheben oder anpassen muss, sollten die Voraussetzungen in evidenter Hinsicht weggefallen sein.
Konkret bedeutet das: Der Gesetzgeber habe zwar einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum, ob dieser finanzielle Mehrbedarf – im Hinblick auf eine bestimmte Aufgabe – noch besteht. Ihn treffe aber eine „Beobachtungsobliegenheit“: Er müsse die Abgabe in gewissen Abständen daraufhin überprüfen, ob der finanzielle Mehrbedarf noch gegeben sei. (Diese neue Aufgabe des Bundesgesetzgebers sah Richterin Wallrabenstein in einem Sondervotum als kritisch an, sie sieht ein Eingreifen des BVerfG in die Finanzpolitik des Bundes.) Das BVerfG könne außerdem mangels gesetzlich festgelegtem Anpassungsmechanismus zumindest prüfen, ob die Regelung „evident nicht mehr realitätsgerecht“ sei.
Weder zum Zeitpunkt des Gesetzes von 2019 noch heute sei der Mehrbedarf allerdings bereits evident entfallen, so das BVerfG weiter. Der Bund verzeichne weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen Finanzierungsbedarf, so ein Gutachten. Dieses zeige außerdem, dass – trotz positiver Entwicklungen – noch strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland verbleiben. Dass die im Verfahren angehörten Ökonomen keine einheitliche Bewertung gaben, verdeutliche die fehlende Evidenz, so die Richterinnen und -richter.
Auch die Höhe des Zuschlags hielt das BVerfG für verhältnismäßig. Schließlich konnten die Karlsruher Richterinnen und -richter auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz sehen. Selbst wenn hier eine Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen zu sehen wäre, wäre diese gerechtfertigt.
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer