Einkommensteuer - 18. September 2020

Besteuerung von Aktienoptionsrechten, die von einem ausländischen Arbeitgeber gewährt wurden

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 17.09.2020 zum Urteil 6 K 488/17 vom 21.05.2019 (nrkr - BFH-Az.: I R 11/20)

Der geldwerte Vorteil aus der Ausübung von Aktienoptionsrechten fließt einem Arbeitnehmer nicht schon mit der Einräumung des (Options-)Rechts zu, sondern erst mit Ausübung der Option durch den verbilligten Erwerb der Aktien selbst. Ungeachtet der Endbesteuerung im Zuflussjahr ist der geldwerte Vorteil anteilig den Jahren der Laufzeit zuzuordnen. Das hat zur Folge, dass Vorteilsanteile, die auf Zeiten entfallen, in denen der Arbeitnehmer nicht unbeschränkt steuerpflichtig war, nach Maßgabe des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens von der inländischen Besteuerung freizustellen und ggf. nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu erfassen sind.

Sachverhalt

Der Kläger war von Juni 2001 bis April 2005 bei einer Tochtergesellschaft der X-AG in den USA angestellt. Während dieses Zeitraums hatte er seinen inländischen Wohnsitz aufgegeben und diesen in die USA verlagert. Der am Stammsitz der Tochtergesellschaft tätige Kläger unternahm in dieser Zeit auch Dienstreisen. Ein Drittel der außerhalb der USA vorgenommenen Dienstreisen führten den Kläger nach Deutschland. Ab Mai 2005 war der Kläger wieder in Deutschland tätig und wohnhaft. Zum 1. April 2003 wurden dem Kläger von seinem amerikanischen Arbeitgeber (nicht handelbare) stock options gewährt, die frühestens ab dem 1. April 2005 mit 50 % und ab dem 1. April 2006 in Höhe von 100 % ausgeübt werden durften. Am 26. Oktober 2011 übte der Kläger die hier streitigen Optionen aus. Ausweislich der US-amerikanischen Steuererklärung für das Jahr 2011 entfielen die Einkünfte aus den Aktienoptionen im Zeitraum vom 1. April 2003 bis zum 31. März 2005 in einer bestimmten Höhe auf Arbeitstage in den USA. Entsprechend dem für „non-resident-alien“ geltenden US-amerikanischen Steuerrecht wurde nur dieser Teil der Einkünfte in den USA besteuert. In Deutschland behandelte das beklagte Finanzamt (FA) die Einkünfte aus den ausgeübten stock options als im Inland steuerpflichtige Einkünfte des Streitjahres 2011. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG änderte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2011 dahin ab, dass die Einkünfte aus den stock options als steuerfreie Einkünfte dem Progressionsvorbehalt unterworfen wurden.

Aus den Gründen

Zufluss der Einnahmen im Streitjahr 2011

Die Aktienoptionsrechte seien im Streitjahr 2011 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG). Die verbilligte Überlassung von Aktien führe zu einem geldwerten Vorteil. Der Vorteil aus einem solchen Optionsrecht fließe dem Arbeitnehmer nicht schon mit der Einräumung des (Options-)Rechts zu, sondern erst mit Ausübung der Option durch den verbilligten Erwerb der Aktien selbst (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG).

Anteilige zeitliche Zuordnung des geldwerten Vorteils aus den Aktienoptionsrechten

Ungeachtet der Endbesteuerung im Zuflussjahr sei der geldwerte Vorteil anteilig den Jahren der Laufzeit zuzuordnen. Das habe zur Folge, dass beispielsweise Vorteilsanteile, die auf Zeiten entfallen, in denen der Arbeitnehmer nicht unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei, nach Maßgabe des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens von der inländischen Besteuerung freizustellen und ggf. nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu erfassen seien.

Dementsprechend sei bei der Auslegung des Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer (DBA-USA 1989/2008) nicht auf das Zuflussjahr (Streitjahr) abzustellen. Da der geldwerte Vorteil, ungeachtet der Endbesteuerung im Zuflussjahr, anteilig den Jahren der Laufzeit zuzuordnen sei, habe die Auslegung des DBA konsequenterweise anhand der tatsächlichen Verhältnisse in den Jahren der Laufzeit zu erfolgen. Anderenfalls hätte es der Berechtigte in der Hand, die Rechtslage im Nachhinein durch die Wahl eines geeigneten Wohnsitzes zum Zuflusszeitpunkt zu gestalten. Der Kläger sei während seiner Tätigkeit gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 in den USA ansässig gewesen, da er in Deutschland (unstreitig) keinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt mehr innehatte.

Freistellung des geldwerten Vorteils auch für Dienstreisen in Deutschland

Die Vorteilsanteile bzgl. der Zeiten, während derer der Kläger in Deutschland auf Dienstreise war, seien gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA-USA 1989/2008 von der inländischen Besteuerung freizustellen. Der gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 in den USA ansässige Kläger sei für eine im anderen Vertragsstaat (Deutschland) ausgeübte unselbständige Arbeit (Dienstreisen) entlohnt worden. Er habe sich in den jeweiligen Kalenderjahren unstreitig nicht länger als 183 Tage in Deutschland aufgehalten und seine Vergütung von einem Arbeitgeber im Ansässigkeitsstaat USA erhalten.

Die Vorteilsanteile bzgl. der Zeiten, während derer der Kläger in Drittländern auf Dienstreise war, könnten gemäß Art. 21 DBA-USA 1989/2008 nur im Ansässigkeitsstaat (USA) besteuert werden.

Keine Rückfallklausel

Ein Besteuerungsrecht der BRD könne auch nicht aus Art. 23 Abs. 4 Buchst. a DBA-USA 1989/2008 hergeleitet werden. Eine Anwendung dieser Rückfallklausel scheide bereits dann aus, wenn – wie im Streitfall – einzelne Elemente der jeweiligen Einkünfte in den USA besteuert wurden.

Auch der in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Fassung vom 22. Juni 2011 angeordnete Besteuerungsrückfall führe nicht zu einer Besteuerung im Inland. Damit wolle der Gesetzgeber erreichen, dass das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückfällt, falls der andere Vertragsstaat als Quellenstaat von dem ihm abkommensrechtlich zugestandenen Besteuerungsrecht an bestimmten Einkünften im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht rechtlich keinen Gebrauch macht. Eine derartige Situation ist im Streitfall indessen nicht gegeben. Denn die Vorteilsanteile des Klägers wurden in den USA besteuert. Der Besteuerungsrückfall werde nur dann ausgelöst, „wenn“ – nicht aber „soweit“- die betreffenden Einkünfte aus den Gründen der fehlenden Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat nicht steuerpflichtig seien.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 3/2020