Einkommensteuer - 1. April 2020

Besteuerung auch dann, wenn wesentliche Beteiligung kurz vor dem Wegzug im Wege eines Wertpapierdarlehens auf einen Dritten übertragen wurde

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 31.03.2020 zum Urteil 4 K 113/17 vom 12.09.2019 (nrkr – BFH-Az.: I R 52/19)

Wird bei einem Steuerpflichtigen die unbeschränkte Steuerpflicht durch einen Wegzug ins Ausland beendet, so kann eine Besteuerung nach § 6 AStG i. V. m. § 17 EStG auch dann erfolgen, wenn der Steuerpflichtige seine Anteile – welche die wesentliche Beteiligung i. S. d. § 17 EStG begründeten – kurz vor dem Wegzug im Wege eines Wertpapierdarlehens auf einen Dritten übertragen hat.

Mit Urteil vom 12. September 2019 (Az. 4 K 113/17) entschied das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht, dass es einer Besteuerung nach § 6 AStG i. V. m. § 17 EStG nicht entgegensteht, wenn sich die Person, die ins Ausland zieht, vor ihrem Wegzug ihrer wesentlichen Beteiligung im Wege eines Wertpapierdarlehens entäußert.

Der Kläger hielt im Veranlagungszeitraum 2006 eine wesentliche Beteiligung i. S. d. § 17 EStG an einer AG. Aus beruflichen Gründen wollte er zum 31. Dezember 2006 seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegen. Noch am 28. Dezember 2006 schloss der Kläger bzgl. seiner Anteile an der AG mit seinem Bruder einen Wertpapierdarlehensvertrag. Dieser Vertrag sah vor, dass das Eigentum an den Aktien auf den Bruder übergehen und der Bruder für die Darlehenszeit ein entsprechendes Entgelt zahlen sollte. Das Darlehen sollte bis zum 31. Dezember 2011 laufen.

Wenn das Darlehen nicht unter Einhaltung einer Frist von einem Monat schriftlich gekündigt wurde, sollte es sich jeweils um 6 Monate verlängern.

Das FG folgte zunächst der h. M., wonach allein die Übertragung der Aktien im Rahmen des Wertpapierleihvertrags noch keinen originären Vorgang i. S. d. § 17 EStG und damit keinen Realisationstatbestand begründe. Denn der Anspruch auf Rückerstattung von Wertpapieren gleicher Art, Menge und Güte (§ 607 Abs. 1 Satz 2 BGB) sei regelmäßig als wirtschaftlich gleichwertiges Surrogat für die darlehensweise übertragenen Wertpapiere anzusehen. Dieser Anspruch entstehe bereits durch die Übertragung auf den Entleiher, während die Fälligkeit auf den Zeitablauf bzw. die Kündigung des Darlehens hinausgeschoben werde, § 607 Satz 2, § 608 Abs. 1 BGB. Es wurde durch den Wegzug aber ein Tatbestand i. S. d. § 6 AStG i. V. m. § 17 EStG begründet. Der Senat hatte bereits Zweifel, ob der Kläger die Übertragung zivilrechtlich tatsächlich bereits zum 31. Dezember 2006 wirksam vollzogen hatte (die Aktien waren vinkuliert, § 68 Abs. 2 AktG). Die Zweifel konnten aber dahinstehen, weil der Kläger selbst bei einer rechtzeitigen wirksamen Übertragung eine Anwartschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 3 EStG innegehabt hätte. Denn die aufgrund des Leihvertrags begründete Erwartung einer Rückübertragung der Aktien stelle eine „hinreichend gesicherte Aussicht auf den Anfall eines subjektiven Rechts“ (der Aktien) dar.

Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die Ausführungen zu der o. g. h. M. und zur Anwartschaft zugelassen (Az. beim BFH: I R 52/19).