Umsatzsteuer - 3. Januar 2022

Aufteilung der Vorsteuer aus Leistungsbezügen eines kommunalen Kurbetriebs

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 23.12.2021 zum Urteil 4 K 118/18 vom 29.09.2021 (nrkr - BFH-Az.: XI R 33/21)

  1. Die Vorsteuer aus Leistungsbezügen, die sowohl einer wirtschaftlichen als auch einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers (hier: kommunaler Kurbetrieb) dienen, ist entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen (Anschluss an BFH, Urteil vom 03.08.2017 V R 62/16, BStBl II 2021 S. 109).
  2. Werden die Leistungsbezüge teilweise durch eine Fremdenverkehrsabgabe als Beitrag im Sinne des Kommunalabgabenrechts finanziert und wird im Rahmen der Beitragskalkulation auch ein öffentliches Interesse an der Tourismusförderung (Gemeindeanteil) in Ansatz gebracht, dann kann dies als Indiz für eine anteilig nicht-wirtschaftliche Verwendung der Leistungsbezüge angesehen werden. Die vom EuGH durch Urteil vom 01.10.2020 C-405/19 „Vos Aannemingen“ für den Fall einer Kostenübernahme durch Dritte aufgestellten Grundsätze sind entsprechend anzuwenden.
  3. Der volle Vorsteuerabzug setzt in derartigen Fällen voraus, dass zwischen den Leistungsbezügen und der wirtschaftlichen Tätigkeit des Kurbetriebes ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht und umgekehrt der mögliche Vorteil der Gemeinde als nebensächlich zu bewerten ist. Zielen die Werbeaktivitäten auf die Förderung steuerpflichtiger Umsätze ab und bewirken diese nur einen mittelbaren Vorteil für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde, dann ist dieser Vorteil als nebensächlich einzustufen und bildet keine ausreichende Grundlage für eine Vorsteuerkürzung.
  4. Die Zuweisung des Aufkommens aus der Fremdenverkehrsabgabe an den kommunalen Kurbetrieb ist kein steuerbares Entgelt (unechter Zuschuss) für die durch die Abgabe abgeschöpften Vorteile Dritter aus der Tourismuswerbung. Der gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erforderliche konkrete Leistungsaustausch ergibt sich nicht bereits aus der Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe und deren Weiterleitung an den kommunalen Tourismusbetrieb.

Das hat der 4. Senat des Finanzgerichts in seinem Urteil vom 29. September 2021 (Az. 4 K 118/18) erkannt. Im Streitfall hatte das Finanzamt eine ausschließlich unternehmerische Verwendung vom Kurbetrieb bezogener Marketingleistungen maßgeblich aufgrund des Inhalts einer Satzung über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe in Abrede gestellt. Die Abgabensatzung sah einen Gemeindeanteil an der Finanzierung von Maßnahmen der Tourismuswerbung in Höhe von zunächst 65 % und später von 30 % vor. Hieraus leitete das Finanzamt indiziell eine anteilige Verwendung der Eingangsleistungen auch für öffentliche Zwecke, z. B. in Gestalt der Förderung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinde, ab. Die Klägerseite sah in dieser Würdigung eine Benachteiligung kommunaler Unternehmen. Maßgeblich für den Vorsteuerabzug sei allein der direkte und unmittelbare Zusammenhang der Eingangsleistungen zu steuerpflichtigen Umsätzen. Dieser sei hier nachvollziehbar dargelegt. Auf reflexartige mittelbare Vorteile Dritter könne es nicht ankommen.

Der 4. Senat sah keine zureichenden Anhaltspunkte für eine anteilig nichtunternehmerische Verwendung der Eingangsleistungen. Die eingekauften Werbeleistungen waren inhaltlich an Kurgäste adressiert, so dass ein nachvollziehbarer Zusammenhang zu steuerpflichtigen Umsätzen des Kurbetriebes bestand. Der Kurbetrieb arbeitete auch wettbewerbs- und gewinnorientiert. Die Mitfinanzierung der Werbeaufwendungen durch eine an den Kurbetrieb weitergeleitete Fremdenverkehrsabgabe rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Abgabe knüpfe zwar nach dem Inhalt der kommunalen Abgabensatzung an Vorteile der Abgabe und auch der Allgemeinheit an der Tourismusförderung an. Der 4. Senat wertete die mittelbaren Vorteile der Gemeinde aus den Werbeleistungen allerdings als nebensächlich i. S. der EuGH-Entscheidung „Vos Aannemingen“ vom 01.10.2020 C-405/19. Bei dieser Würdigung hat der Senat auch in Rechnung gestellt, dass der Indizwert der Festlegung eines Gemeindeanteils an der Kalkulation der Fremdenverkehrsabgabe für Zwecke der Abgrenzung einer unternehmerischen von einer nicht-unternehmerischen Verwendung i. S. d. § 15 Abs. 1 UStG vergleichsweise gering ist. Denn dieser dient maßgeblich der Vermeidung einer übermäßigen Belastung der privaten Abgabepflichtigen. Wegen des für kommunale Beiträge geltenden Äquivalenzprinzips (z. B. § 8 KAG SH) dürfen Beiträge den (mittelbaren) Vorteil der Abgabepflichten aus der mit der Abgabe finanzierten kommunalen Leistung (hier: Tourismusförderung) nicht übersteigen. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der satzungsmäßigen Festlegung eines Gemeindeanteils an der Finanzierung der Tourismuswerbung nicht zwangsläufig auf eine anteilig nichtunternehmerische Verwendung vom Kurbetrieb eingekaufter Werbeleistungen schließen. Für eine Saldierung mit weitergehenden Umsatzsteueransprüchen des Finanzamtes aus entgeltlich erbrachten Gegenleistungen des Kurbetriebes sah das Gericht ebenfalls keine ausreichende Grundlage. Ein steuerbarer Leistungsaustausch war in Ansehung der Fremdenverkehrsabgabe nicht festzustellen. Die Überlassung des Aufkommens aus der Fremdenverkehrsabgabe an den Kurbetrieb stellte sich unter den Bedingungen des Streitfalls nicht als Entgelt für eine konkrete Gegenleistung des Kurbetriebes (unechter Zuschuss) dar.

Der 4. Senat hat die Revision gegen das Urteil zugelassen. Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen XI R 33/21 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Newsletter III-IV/2021