Investmentsteuer - 10. August 2020

Anwendungsfragen zum InvStG in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 1 – S-1980-1 / 19 / 10008 :003 vom 28.07.2020

Zu Ihren mit Bezugsschreiben vom 8. August 2019 übersendeten Auslegungsfragen nehme ich wie folgt Stellung:

1. Abstandnahme oder Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer bei Fremddepots

Sie bitten um Klarstellung, dass auch in den Konstellationen, in denen ein inländischer Entrichtungspflichtiger, der nicht als Verwahrstelle (i. S. d. KAGB) des ausländischen Investmentfonds agiert, die Mindesthaltedauer systemseitig prüfen kann, die Erstattung oder Abstandnahme durch den Entrichtungspflichtigen gestattet ist. Folgende Beispiele für Ausnahmefälle werden angeführt:

  • Die ausländische Verwahrstelle gehört zum selben Rechtsträger oder Konzern wie der inländische Entrichtungspflichtige oder
  • für eine ausländische konzernfremde Verwahrstelle eines ausländischen Investmentfonds wurde ein sog. segregiertes Konto eingerichtet, auf dem ausschließlich Wertpapiere dieses ausländischen Investmentfonds verwahrt werden.

Ihrem Petitum, die Rzn. 8.32 und 10.15 für Ausnahmefälle, in denen der inländische Entrichtungspflichtige, der nicht als Verwahrstelle (i. S. d. KAGB) des ausländischen Investmentfonds agiert, die Mindesthaltedauer aber systemseitig prüfen kann, aufzuweichen und die Erstattung oder Abstandnahme durch den Entrichtungspflichtigen auch in diesen Ausnahmefällen zu gestatten, kann ich nicht nachkommen. Der Entrichtungspflichtige kann in den von Ihnen beschriebenen Fällen nicht vollumfänglich selbst die Mindesthaltdauer prüfen, sondern er wäre auf Informationen ausländischer (ggf. konzernangehöriger) Stellen angewiesen. In diesen Fällen wäre unklar, wer haftet, wenn diese Informationen der ausländischen Stelle unzutreffend sind. Darüber hinaus wäre eine Prüfung durch die Finanzverwaltung, ob der Entrichtungspflichtige zur Abstandnahme oder Erstattung berechtigt war, wesentlich erschwert, weil die Richtigkeit nur durch eine Überprüfung der ausländischen Stelle möglich wäre.

2. Bescheinigungen und Nachweise

a) NV-Arten

Ihr Hinweis, dass der Verweis in Rz. 9.2 des Anwendungsschreibens auf die NVBescheinigung NV-Art 03 unzutreffend ist, wird bei der nächsten Änderung des Anwendungsschreibens zum InvStG berücksichtigt und zukünftig auf die gesetzliche Normierungen verwiesen.

b) Geltungsdauer des Freistellungsbescheids von drei Jahren

Sie schlagen eine Anpassung der Rz. 9.2 des Anwendungsschreibens zum InvStG vor, um

  • die Voraussetzungen zur Geltungsdauer des alternativ möglichen Nachweises per Freistellungsbescheid im Anwendungsschreiben an die Regelungen im Abgeltungsteuerschreiben anzupassen (fünf anstatt drei Jahre) und
  • beim alternativ möglichen Nachweis per Anlage zum KSt-Bescheid nicht die Vorlage des KSt-Bescheides selbst zu fordern.

Rz. 9.2 des Anwendungsschreibens wird entsprechend angepasst.

c) Feststellungsbescheid nach § 60a AO

Sie weisen darauf hin, dass nach dem BMF-Schreiben vom 3. April 2019 (IV C 1 – S-2405 / 0: 008, DOK: 2019/0270510) nicht beanstandet wurde, wenn ein Feststellungsbescheid nach § 60a AO wie eine NV-Bescheinigung behandelt wird. Daher stelle sich die Frage, ob in solchen Fällen aufgrund der Rz. 9.2 des Anwendungschreibens zum InvStG dennoch keine Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer erfolgen soll und ob Anlegern mit § 60a AO-Feststellungsbescheiden die Beteiligung an steuerbefreiten Investmentfonds überhaupt möglich ist.

Nach Rz. 297 des BMF-Schreibens vom 18. Januar 2016 (BStBl I S. 85), zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 16. September 2019 (BStBl I S. 889), gilt alternativ als Nachweis für die Abstandnahme vom Steuerabzug auch eine amtlich beglaubigte Kopie des Feststellungsbescheides nach § 60a AO, allerdings nur für Kapitalerträge von jährlich maximal 20.000 Euro. Rz. 9.2 des Anwendungschreibens zum InvStG sieht diese Möglichkeit für den Nachweis der Steuerbefreiung nach § 8 Absatz 1 InvStG nicht vor.

Eine Ergänzung der Nachweismöglichkeit in Rz. 9.2 ist abzulehnen. Anlegern mit § 60a AO-Feststellungsbescheiden bleibt die Beteiligung an steuerbefreiten Investmentfonds jedoch unbenommen, soweit für diese Anleger einer der übrigen in Rz. 9.2 genannten Nachweise erbracht werden kann.

3. Erstattung von Kapitalertragsteuer an Investmentfonds durch die Finanzbehörden

Sie weisen darauf hin, dass in den Fällen der Rzn. 8.32 und 10.15 das Erstattungsverfahren nach § 11 Absatz 1 Nr. 2 InvStG zwar vor Ablauf der 18-Monatsfrist des § 7 Absatz 5 InvStG durchgeführt werden darf (Rz. 11.7), in Rz. 11.9 jedoch bestimmt wird, dass pro Betriebsstättenfinanzamt nur ein Antrag für ein Geschäftsjahr des Investmentfonds gestellt werden darf, der sich auf das gesamte Geschäftsjahr bezieht und sämtliche Erstattungsgründe umfassen muss.

Aus verfahrensökonomischen Gründen lehne ich Ihren Vorschlag ab. Auch in den von Ihnen geschilderten Fällen ist es zumutbar, dass der Investmentfonds erst den Ablauf seines Geschäftsjahres vor seiner Antragstellung abwartet.

4. Steuerabzug und Abstandnahme bei Investmenterträgen

Sie halten die Aussage in Rz. 16.7 des Anwendungsschreibens zum InvStG, wonach die Gläubiger i. S. d. § 44a Absatz 7 Satz 1 EStG und die Gläubiger i. S. d. § 44a Absatz 8 Satz 1 EStG immer auch die Voraussetzungen eines Gläubigers i. S. d. § 44a Absatz 4 Satz 1 EStG erfüllen, für richtig und für allgemein gültig und regen daher an, diese Aussage auch in das „Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer“ aufzunehmen.

Das BMF-Schreiben „Einzelfragen zur Abgeltungsteuer“ vom 18. Januar 2016 (a. a. O.), zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 16. September 2019 (a. a. O.), (Rzn. 295 ff.) steht zur Überarbeitung an und es wird geprüft werden, ob diese Aussage aufgenommen werden kann. Es wurde bereits die Aufnahme eines entsprechenden Hinweises im Vordruck NV 2 A und dem dazugehörigen Merkblatt angeregt.

5. Besteuerung des Wertzuwachses bei Abwicklung eines Investmentfonds

Sie bitten um Klarstellung zu § 17 Absatz 1 Satz 4 InvStG in Rz. 17.3 des Anwendungsschreibens zum InvStG, dass bereits mit dem unterjährigen Beginn der Abwicklung (im Beispiel: 30. Juni 2018) steuerneutrale Kapitalrückzahlungen möglich sind und nicht erst mit dem Beginn des Fünfjahreszeitraums (im Beispiel: 1. Januar 2019). Bei diesem Verständnis könne der Abwicklungszeitraum bis zu sechs Jahre andauern. Anderenfalls würden die Regelungen so verstanden, dass im Kalenderjahr des Beginns der Abwicklung (im Beispiel: der Zeitraum vom 30. Juni 2018 bis 31. Dezember 2018) keine steuerfreien Substanzausschüttungen möglich sind. Dies hätte für Ihre Mitgliedsinstitute weitreichende umsetzungstechnische Konsequenzen und eine Nichtbeanstandungsregelung erscheine erforderlich.

Der Abwicklungszeitraum erstreckt sich insgesamt vom Tag des Beginns der Abwicklung (im Beispiel: 30. Juni 2018) bis zum Ende des Fünfjahreszeitraums (im Beispiel: 31. Dezember 2023) und der Fünfjahreszeitraum ist nur eine Teilgröße des Abwicklungszeitraums. Damit sind steuerfreie Kapitalrückzahlungen ab dem Tag, an dem die Abwicklung beginnt, möglich. Einer gesetzlichen Klarstellung bedarf es nicht, weil die Formulierung in § 17 Absatz 1 Satz 4 InvStG nicht erkennen lässt, dass der Abwicklungszeitraum auf den Fünfjahreszeitraum begrenzt ist. Es wird lediglich bestimmt, bis zu welchem Endzeitpunkt der Abwicklungszeitraum längstens dauern darf. Rz. 17.3 des Anwendungsschreibens zum InvStG wird klarstellend ergänzt.

6. Abzug der Vorabpauschale bei Veräußerungsgewinnermittlung mangels Liquidität

Rz. 19.5 des Anwendungsschreibens regelt zur Berücksichtigung einer während der Besitzzeit angesetzten Vorabpauschale bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns eines Investmentanteils, dass im Steuerabzugsverfahren von einer „angesetzten Vorabpauschale“ auszugehen ist, soweit tatsächlich Kapitalertragsteuer auf die Vorabpauschale erhoben wurde. Daher ist in den Fällen keine Vorabpauschale abzuziehen, in denen mangels Liquidität kein Steuerabzug erfolgen konnte. In diesen Fällen wird es nicht beanstandet, wenn die Vorabpauschale vor dem 1. Januar 2020 zwar abgezogen wird, aber eine Mitteilung gegenüber dem Finanzamt vorgenommen wird.

Die Nichtbeanstandungsregel der Rz. 19.5 zur Berücksichtigung einer „angesetzten Vorabpauschale“ verstehen Sie veräußerungszeitpunktbezogen, womit also im Steuerabzugsverfahren auf Veräußerungen nach dem 31. Dezember 2019 Vorabpauschalen nicht (mehr) abgezogen werden dürfen, wenn sie nicht der Kapitalertragsteuer unterworfen wurden. Sie schildern, dass die Nichtberücksichtigung der Vorabpauschale im Steuerabzugsverfahren IT-technisch erst noch umgesetzt werden muss und bitten um eine Ausweitung der Nichtbeanstandungsregel um ein weiteres Kalenderjahr (also Veräußerungen vor dem 1. Januar 2021) und allgemein auf die Berücksichtigung von Vorabpauschalen für das Kalenderjahr 2018 und 2019.

Eine Verlängerung der Nichtbeanstandungsregel um ein Jahr – also auf Veräußerungen vor dem 1. Januar 2021 – können wir befürworten, nicht jedoch eine Ausweitung allgemein auf Vorabpauschalen der Jahre 2018 und 2019. Die Rz. 19.5 wird entsprechend ergänzt.

7. Vorabpauschale bei Teilfreistellungswechsel

Sie stellen dar, dass bisher bei der Umsetzung der Investmentsteuerreform davon ausgegangen wurde, dass die Vorabpauschale in Fällen unterjähriger Teilfreistellungswechsel analog zu einer tatsächlichen Anschaffung nur zeitanteilig anzusetzen sei. Für die Umsetzung der Regelung der Rz. 20.4 des Anwendungsschreibens zum InvStG wird daher um mehr Zeit für die technische Umsetzung gebeten und darauf hingewiesen, dass insbesondere auf rückwirkende Korrekturen verzichtet werden sollte. Deshalb bitten Sie um eine Nichtbeanstandungsregel für die Fälle, in denen die Vorabpauschale für die Kalenderjahre 2018 und 2019 bei einem Teilfreistellungswechsels lediglich zeitanteilig berechnet wurde.

Da es um die Kürzung der Vorabpauschale im Steuerabzugsverfahren und nicht im Veranlagungsverfahren geht und die Einkommensteuer mit der Kapitalertragsteuer auf die Vorabpauschale abgegolten ist, würde bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung kein weiterer Steuerabzug auf diesen Teil der Vorabpauschale erfolgen. Erst bei tatsächlicher Veräußerung käme es zur Besteuerung der entsprechenden Wertsteigerung. Da die Vorabpauschale nach Rz. 29 des BMF-Schreibens vom 15. Dezember 2017 (BStBl 2018 I S. 13), zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 27.06.2018 (BStBl I S. 805), gesondert auszuweisen ist, ist bei späterer tatsächlicher Veräußerung sichergestellt, dass nur die dem Steuerabzug unterworfene Vorabpauschale bei der Veräußerungsgewinnermittlung berücksichtigt wird. Vor diesem Hintergrund wird Rz. 20.4 des Anwendungsschreibens zum InvStG um eine Nichtbeanstandungsregelung ergänzt, wenn im Steuerabzugsverfahren die Vorabpauschale für die Kalenderjahre 2018 und 2019 in Fällen eines vorherigen Teilfreistellungssatzwechsels nur zeitanteilig berechnet wurde.

8. Fiktive Veräußerung aufgrund von Teilfreistellungswechsel

Sie weisen zu Rz. 22.14 des Anwendungsschreibens zum InvStG darauf hin, dass es sich um eine neue Regelung handelt, die bisher nicht Gegenstand der BMF-Entwürfe war. Daher wird um eine Nichtbeanstandungsregelung für vor dem 1. Januar 2021 erfolgende fiktive Veräußerungen aufgrund eines Teilfreistellungssatzwechsels gebeten, damit keine Nachbereinigung der fiktiven Veräußerungsgewinne vorgenommen werden muss.

Nach Rz. 22.14 ist in Fällen, in denen weder der Rücknahmepreis noch der Börsen- oder Marktpreis ermittelbar ist, auch wenn die Anschaffungskosten bekannt sind, für die fiktive Veräußerung durch Teilfreistellungssatzwechsel keine Ersatzbemessungsgrundlage anzusetzen. Erst bei tatsächlicher Veräußerung sind 30 % der Einnahmen aus der tatsächlichen Veräußerung als Ersatzbemessungsgrundlage anzusetzen.

Soweit bei Ihren Mitgliedsinstituten für den Gewinn aus der fiktiven Veräußerung eine Ersatzbemessungsgrundlage bereits angesetzt wurde, könnte es zu einer doppelten Erfassung kommen, wenn für die tatsächliche Veräußerung die Ersatzbemessungsgrundlage anzusetzen ist. Daher sind die Fälle, in denen für die fiktive Veräußerung die Ersatzbemessungsgrundlage angesetzt wurde, zwingend zu berichtigen und Ihrem Petitum auf die Nachbereinigung der fiktiven Veräußerungsgewinne zu verzichten, kann nicht nachgekommen werden.

9. Anrechnung ausländischer Quellensteuern bei Investmenterträgen

Sie bitten, die Sichtweise zur Anrechnung ausländischer Steuern bei Investmenterträgen, bei denen die Teilfreistellung nach § 20 InvStG angewendet wird, schriftlich zu bestätigen und um eine Nichtbeanstandungsregelung, wonach die bislang berechneten Quellensteuern (auf Basis der Daten von WM Datenservice) nicht korrigiert werden müssen.

Das BMF-Schreiben „Einzelfragen zur Abgeltungsteuer“ vom 18. Januar 2016 (a. a. O.), zuletzt geändert durch das BMF-Schreiben vom 16. September 2019 (a. a. O.), wird um entsprechende Ausführungen ergänzt werden.